In der Schweiz sind Peitschenhiebe im Galopprennsport neuerdings verboten. In Deutschland sind drei Peitschenhiebe pro Rennen erlaubt, allerdings ist die Nutzung streng reguliert, dazu ist die Zahl der Verstöße rückläufig. Wir haben mit Dr. Michael Vesper, dem Präsidenten des Deutschen Galopp e.V., über die Situation hierzulande gesprochen.

Eine Analyse
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Die Tierschützer von Peta waren sofort zur Stelle. Denn die Freude war bei der Organisation groß, medial war teilweise sogar von einer Revolution die Rede: Der Schweizer Galopprennverband "Schweiz Galopp" hat landesweit Peitschenschläge bei Rennen in der Schweiz verboten. Bemerkenswert dabei: Die Sportler haben sich selbst für das Verbot ausgesprochen.

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"Der Verband 'Schweiz Galopp' macht mit dem Verbot eindeutig einen Schritt in die richtige Richtung. Wir fordern den Verband 'Deutscher Galopp' auf, nun endlich nachzuziehen und die Ära der Peitschenschläge zu beenden", sagt Peter Höffken, Fachreferent bei Peta, in einer Pressemitteilung. Schmerzhafte Peitschenhiebe seien ein grausames Mittel, um Pferde zu unnatürlichen Höchstleistungen zu zwingen. Das Verbot sei ein wichtiges Signal, sagt der Tierschützer, der allerdings auch betont: "Eine leidfreie Existenz wird es für die Pferde erst geben, wenn diese Hochleistungsrennen vollständig abgeschafft werden."

Deutscher Galopp-Verein ist überrascht von der Schweizer Entscheidung

Auf Nachfrage unserer Redaktion räumt Dr. Michael Vesper, Präsident Deutscher Galopp e.V., ein, dass die Schweizer Kollegen mit ihrer Entscheidung für eine Überraschung gesorgt haben. "Die Kurzfristigkeit der Entscheidung überrascht uns doch sehr, wir überprüfen und justieren unsere Regelungen mit den benachbarten ausländischen Galopprennsportverbänden jährlich", sagt Vesper.

Die Peitsche ist gewissermaßen ein Symbol des Galopprennsports, allerdings ist es schon lange ein stark umstrittenes, das in den vergangenen Jahren immer kontroverser diskutiert wurde. Da der Tierschutz in der Gesellschaft wichtiger wird und Tierquälereien in der Öffentlichkeit nicht mehr totgeschwiegen, sondern mit intensiver Kritik begleitet werden, mussten Vereine oder Verbände in den vergangenen Jahren tätig werden, auch proaktiv; um aufzuklären und Missverständnisse zu vermeiden.

So hat zum Beispiel die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) die sogenannte "Social License" als zentrales Thema auserkoren, also die gesellschaftliche Akzeptanz des Reitsports. Entscheidungen wie in der Schweiz können in dem Zusammenhang wegweisend sein. Theoretisch zumindest, denn in Deutschland sind nach einer Überarbeitung der Rennordnung seit Anfang 2023 immer noch drei Peitschenschläge pro Rennen erlaubt, zuvor waren es deren fünf.

Der Tierarzt und ehemalige Rennreiter Michael Schmid erklärte in der "NZZ" zur Entscheidung in der Schweiz: "Rennpferde sind Modellathleten, welche Höchstleistungen erbringen, weshalb es für den Peitscheneinsatz keine Begründung gibt." Vesper betont, der in Deutschland immer noch erlaubte dreimalige Peitscheneinsatz erfolge, um die Sicherheit von Pferd und Reitern zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Pferde ihr Bestes geben können. "Die Peitsche dient der Führung, Konzentration, Förderung und Aufrechterhaltung der Kontrolle und Sicherheit während des Rennens und als Kommunikationsmittel zwischen Reiter und Rennpferd", erklärt Vesper.

Als Hilfsmittel weiter zulässig

Man muss dazu wissen: In der Schweiz bleibt das Mitführen der Peitsche als Hilfsmittel zulässig, um beispielsweise eine gefährliche Situation abzuwenden, wenn das Pferd aus seiner Spur ausbricht. Die Kommunikation zwischen Reiter und Pferd ist durch kurze Bügel nämlich grundsätzlich eingeschränkt.

In Deutschland ist die Peitsche leicht und zudem mit einer Schaumstoffummantelung gepolstert. Die Beschaffenheit ist streng reguliert und wird vor den Rennen überprüft, die Nutzung der Peitsche ist zudem eingeschränkt und es gelten strenge Regeln, die strikt durchgesetzt werden. So ist ein reines "Draufschlagen", das mit Schmerzen verbunden wäre, verboten. Stattdessen darf der Arm eines Jockeys nicht über die Schulterhöhe hinausragen, daneben darf die Peitsche nur an zwei Stellen am Körper eines Pferdes verwendet werden: der Schulter und der Hinterhand. Beim Einsatz auf der Schulter kann die Peitsche nur in der Rückhandposition und nur als Korrekturmaßnahme, auch hier beispielsweise zum Verhindern gefährlicher Situationen, verwendet werden.

Bei Verstößen drohen dem Reiter hohe Geldstrafen und möglicherweise auch lange Reitverbote. Die Rennleitung überwacht die Einhaltung der Regeln am Renntag unter anderem durch eine detaillierte Videoanalyse. Nach den Rennen erfolgen Kontrollen durch den Tierarzt, ob Striemen oder Markierungen durch den Peitschengebrauch vorliegen. Zeigen sich Anzeichen von Striemen oder Hautreizungen, wird dies als Verstoß durch die Rennleitung geahndet.

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Zahl der Verstöße rückläufig

Das zeigt offenbar Wirkung. "Die Zahl der Fälle ist seit Jahren deutlich rückläufig. Im Zuge der letzten grundlegenden Reform reduzierte sich die Anzahl der Verstöße um über 60 Prozent, sodass wir im letzten Jahr lediglich 15 Verstöße bei etwa 1.000 Rennen gesehen haben", sagt Vesper. "Das ist ein historisch niedriges Niveau und wir sehen, dass die Reiter sehr sorgsam mit dem Peitscheneinsatz umgehen." Unterstützend finden Einzelgespräche mit Reitern statt, dazu gibt es proaktiv im Rahmen der Ausbildung eine intensive Schulung zum Einsatz der Peitsche.

International wird der Einsatz immer noch sehr unterschiedlich geregelt. In Schweden und Norwegen ist die Peitsche verboten. England und Frankreich haben als führende Rennsportländer in den vergangenen Jahren die Regeln zumindest verschärft, in England wird der Reiter bei zehn Peitscheneinsätzen direkt disqualifiziert. In Deutschland werden im Fall der Fälle die Reiter noch vor Ort bestraft und für mindestens 14 Tage gesperrt. "Dies erhöht sich bei zwei mehr als den erlaubten Schlägen sogar auf 42 Kalendertage", sagt Vesper. Auch finanzielle Strafen gibt es, so verlieren die Reiter "mindestens 50 Prozent ihrer Gewinnprozente", erklärt der Galopp-Präsident.

Wann zieht Deutschland nach?

Tierschützern geht das aber nicht weit genug. Auf die Peta-Kritik und -Forderungen reagiert Vesper zurückhaltend, betont, dass ein Rennpferd ein Spitzenathlet sei, "dass nur seine Höchstleistung bringt, wenn es sich wohlfühlt. Unsere Aktiven arbeiten täglich mit Herzblut und unermüdlich für das Wohl unserer Pferde und betreuen sehr individuell die psychische und physischen Entwicklung der jungen Rennpferde". Dass man in Deutschland nicht komplett auf den Peitscheneinsatz verzichtet, liegt an den von Vesper genannten Gründen. Als viertgrößtes Land im europäischen Rennsport bespreche man das auch in internationalen Gremien, um die "Harmonisation of Racing Rules" sicherzustellen, sagte er.

Ist das Verbot denn eine Option für die nahe Zukunft? Auch hier: Zurückhaltung. "Wir befinden uns hier in einem ständigen Austausch auf nationaler sowie internationaler Ebene", sagt Vesper. Doch vielleicht gibt es ja durch die Schweiz positive Impulse, die auch in Deutschland zu einem kompletten Verbot führen.

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