Im Interview spricht Deutschlands Eiskunstlauf-Star Minerva-Fabienne Hase unter anderem über die letzten Erfolge, die Ambitionen bei der kommenden Europameisterschaft und die geplante Einbürgerung ihres russischen Laufpartners Nikita Volodin.

Ein Interview

Mit Minerva-Fabienne Hase und Nikita Volodin hat Deutschland ein neues Eiskunstlauf-Traumpaar. 2023 gewannen sie spektakulär das Grand-Prix-Finale in Peking, danach folgte die deutsche Meisterschaft.

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Vor dem Start der Europameisterschaft im litauischen Kaunas (10. bis 14. Januar) hat unsere Redaktion mit Hase gesprochen, die sich gemeinsam mit ihrem Partner einiges vorgenommen hat.

Frau Hase, Sie und ihr Laufpartner können auf sehr erfolgreiche Wochen zurückblicken: Erst das gewonnene Grand-Prix-Finale in Peking und zuletzt auch die deutsche Meisterschaft bei Ihnen zuhause in Berlin. Kann man die beiden Titel miteinander vergleichen?

Minerva-Fabienne Hase: Vergleichen kann man das nicht, es sind schon zwei sehr unterschiedliche Wettkämpfe. Peking kam unverhofft und richtig überraschend, weil wir so gar nicht damit gerechnet haben und Nikita davor ja auch sehr krank war. Dass es dann so gelaufen ist, war natürlich einfach schön.

Und die deutsche Meisterschaft?

Der erste deutsche Meistertitel mit einem neuen Partner ist immer etwas Besonderes. Auch zuhause vor so viel Familie und Freunden zu laufen, war für mich persönlich besonders schön, weil man auch mal die ganze Unterstützung gespürt hat. Das war von der ganzen Atmosphäre einfach anders, viel energiegeladener und positiver.

Das Eiskunstlauf-Paar Minerva-Fabienne Hase und Nikita Volodin.
Minerva-Fabienne Hase und Laufpartner Nikita Volodin bei den deutschen Meisterschaften in Berlin. © IMAGO/Ostseephoto

Eiskunstlauf-Paar fühlt sich in Favoritenrolle wohl

Jetzt geht es für Sie Schlag auf Schlag weiter, im Januar findet die EM in Kaunas statt. Mit welchen Ambitionen starten Sie in den Wettbewerb?

Wir wollen schon gerne ums Podium mitlaufen - das ist unser Ziel. Unser Trainer hat uns auch nochmal gesagt, dass wir dort hinfahren, um Spaß zu haben und den Wettkampf zu laufen. Und dann wird uns unsere Leistung zeigen, wo wir letztendlich landen werden. So versuchen wir auch jeden Wettkampf anzugehen. Wir versuchen immer, uns bestmöglich zu präsentieren.

Vor allem nach dem Erfolg in Peking wurden sie schnell allgemein als Favoriten für die kommenden Wettkämpfe gehandelt. Gefällt Ihnen diese Rolle?

Genau das war eigentlich unser Ziel, uns im Laufe dieser Saison zu etablieren und diese Rolle auch anzunehmen. Dafür trainieren wir jeden Tag hart und genau da wollen wir auch hin. Trotzdem müssen wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben.

Inwiefern?

Es ist immer noch unsere erste Saison und wir wissen auch selbst, dass es jetzt nicht so nahtlos weiterlaufen kann und wird. Wir sind einfach dankbar dafür, dass es gerade so läuft und wir tun natürlich auch alles dafür, dass es so möglichst weitergeht. Wir sind aber auch nicht am Boden zerstört, wenn es jetzt mal mit einem Wettkampf nicht so klappen sollte.

Hases Laufpartner soll für Olympia eingebürgert werden

Ihr Laufpartner ist Russe. Um gemeinsam bei Olympia starten zu können, braucht es aber die erfolgreiche Einbürgerung. Dafür muss er einen speziellen Sprachtest bestehen. Wie genau läuft das ab?

Er braucht für die Einbürgerung Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1. Das bedeutet, dass man schon etwas flüssiger sprechen und auch eine leichte Konversation führen kann. Jetzt müssen wir aber erstmal mit dem Deutschlernen anfangen. Das macht er auch schon nebenher. Der Plan ist, nach der Saison einen Deutschlehrer zu bekommen. Damit er auch jemanden an der Hand hat, der ihm das beibringt, was nötig ist.

Minerva-Fabienne Hase und Nikita Volodin.
Sieg trotz anfänglicher Schwierigkeiten: Hase und Volodin beim Grand Prix in Peking. © IMAGO/Xinhua/Ju Huanzong

Wie kommt er denn allgemein mit dem Deutschlernen voran?

Man merkt schon, dass das Interesse am Deutschlernen steigt. Er kommt gefühlt jeden zweiten Tag mit irgendwelchen neuen Wörtern an. Er versucht inzwischen auch, mit unseren Trainern ein, zwei Wörter Deutsch zu reden, aber es ist noch weit weg davon, sich zu unterhalten.

Das heißt, im Training sprechen Sie Englisch miteinander?

Genau, wir sprechen überwiegend Englisch. Man muss auch dazu sagen - und da habe ich wirklich großen Respekt vor -, dass er vor einem Jahr nach Deutschland kam und weder Englisch noch Deutsch konnte, sondern nur Russisch. Er lernt also gerade zwei Sprachen neu. Von daher bin ich sehr froh über alles, was er gerade auf Englisch oder auch auf Deutsch mit mir redet.

Hase und Volodin mit Online-Training im Sommer

Ihr Haupttrainer Dimitri Savin befindet sich nicht in Deutschland und betreut sie online. Wie genau kann man sich das vorstellen?

Mit Dimitri haben wir vor allem im Sommer sehr viel online gearbeitet, als es noch mehr darum ging, die Technik auszubauen.

Wie lief das Online-Training ab?

Wir haben eine Halterung, in die wir das Handy einklemmen und die wir auf unsere Höhe verstellen können. Dann rufen wir über Facetime an und stellen das Handy mit der Halterung dorthin, wo er uns gerade sehen möchte. Bis jetzt muss ich sagen, hat das immer sehr gut funktioniert.

Und wie gehen Sie aktuell vor?

Jetzt gerade brauchen wir es nicht mehr so sehr, weil wir auch Knut Schubert hier haben, der über unsere Technik schaut. Bei den ganzen Wettkämpfen sind wir ohnehin mit unserem anderen Trainer unterwegs, der dann auch von Person zu Person draufschauen kann. Das ist für uns mehr ein Konzept für den Sommer gewesen und das wird wahrscheinlich auch den nächsten Sommer wieder so sein.

Hase und Volodin laufen erst seit Juni 2022 zusammen

Sie sind Unteroffizierin bei der Bundeswehr. Welche Gemeinsamkeiten gibt es zwischen der Bundeswehr und dem Eiskunstlauf?

Ich würde sagen, was auf jeden Fall ähnlich ist, ist die Disziplin in beiden Bereichen. Du brauchst sowohl bei der Bundeswehr viel Disziplin - und das wird dort auch von dir verlangt - als auch beim Eiskunstlauf. Auch Dinge wie Pünktlichkeit und Leistungsdruck sind ähnlich. Ich denke, wenn man es gewohnt ist, mit Druck umzugehen, kann dir das auch bei den Lehrgängen der Bundeswehr helfen.

Mit ihrem Partner Nikita Volodin laufen Sie erst seit Juni 2022 zusammen. Warum harmonieren Sie trotz der kurzen gemeinsamen Zeit schon so gut miteinander?

Wir sind beide gleich alt, beide 24. Ich glaube, dass es immer gut ist, wenn man gleiche Interessen und auch Ziele hat - zum Beispiel, wie lange man noch laufen und was man noch erreichen möchte. Wir haben beide auch einen sehr ähnlichen Ansatz zu trainieren. Wir wollen beide natürlich Spaß am Training haben, aber auch Erfolge nachweisen und bei Wettkämpfen unsere Dinge zeigen. Dass es so gut beim Training harmoniert, gibt es jetzt, glaube ich, auch nicht so häufig.

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Hase über IOC-Entscheidung: "Finde es sehr knapp entschieden"

Das große Ziel ist Olympia 2026. Zuletzt sorgte das IOC mit der Entscheidung, russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler für die Spiele 2024 in Paris zuzulassen, für Aufsehen. Ist das ein Thema, das sie auch mit ihrem Partner besprechen?

Wir persönlich versuchen jetzt nicht, das Thema an sich viel zu diskutieren. Einfach weil wir auch aus sehr unterschiedlichen Welten kommen - das ist einfach so.

Und wie stehen Sie selbst zur Entscheidung?

Ich finde es sehr knapp entschieden, es ist jetzt fast nur noch ein halbes Jahr bis zum Start.

Die IOC-Entscheidung könnte natürlich auch Auswirkungen auf den Eiskunstlauf haben. Was sagen Sie dazu?

Für uns im Eiskunstlauf ist Russland ein großes Konkurrenzland, das das Eiskunstlaufen auch nochmal ein Stück weit attraktiver macht, weil es auch viele Fans aus Russland sind. Nikita und ich haben gesagt, wir wollen in Zukunft gegen alle Paare antreten - auch gegen die besten der Welt und das schließt natürlich auf jeden Fall auch die Russen mit ein. Olympia bedeutet schließlich auch, dass die Besten gegeneinander laufen.

Wie hätten Sie entschieden?

Ich wäre mit beiden Entscheidungen zufrieden gewesen. Es ist einfach schwer, zu entscheiden.

Hase will Freude des Eiskunstlaufens nach außen tragen

Neben Olympia und den kommenden Wettkämpfen, die anstehen: Welche Ziele haben Sie gemeinsam als Paar und was haben Sie sich persönlich fürs Jahr 2024 vorgenommen?

Erstmal gesund zu bleiben. Wir hatten jetzt schon in den letzten Monaten ein, zwei, drei Wehwehchen, die einen immer etwas ausgebremst haben, um dieses letzte Stück fit zu sein. Man muss gut auf seinen Körper achten, um den Sport auch noch möglichst lange machen zu können.

Und außerdem?

Sonst ist es mir wichtig, das Training und das Miteinander so einfach beizubehalten. Dass man Spaß hat an dem, was man tut, und nicht so verbissen wird. Für mich ist es immer auch sehr wichtig, dass man die Freude des Eiskunstlaufens nach außen trägt und vielleicht auch das ein oder andere Kind dafür begeistern kann.

Wie geht es neben der kommenden EM jetzt für Sie weiter?

Wir haben jetzt noch ein, zwei Show-Angebote bekommen, worüber ich mich auch sehr freue. Das ist, glaube ich, auch nochmal eine schöne Abwechslung zum Wettkampf-Dasein.

Über die Gesprächspartnerin

  • Minerva-Fabienne Hase (Jahrgang 1999) ist eine Eiskunstläuferin aus Berlin, die mit dem Russen Nikita Volodin im Paarlauf startet. Gemeinsam mit ihrem vorherigen Partner Nolan Seegert vertrat sie Deutschland bei den Olympischen Winterspielen 2022 Peking. Beim Grand-Prix-Finale 2023, ebenfalls in Peking, setzte sie sich mit Volodin sensationell durch.

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