Wir leben in Zeiten, in denen außerordentlich wichtige Werte und Bewegungen aus unterschiedlichen Gründen mehr und mehr an Akzeptanz und damit an Bedeutung verlieren. Nicht, weil sie nicht mehr wichtig, relevant oder en vogue wären. Das sind sie nämlich. Wenn man sich den Zustand der Welt, der Debattenkultur, der Herausforderungen unserer Ära so ansieht, womöglich sogar mehr als je zuvor.
Die lodernden Feuer einstmals hell erstrahlender Leuchttürme der Hoffnung auf ein besseres Morgen jedoch sind mehr und mehr im langsamen Erlöschen begriffen. Feminismus, Kampf gegen Rassismus, Klima-Aktivismus. Wichtige Meilensteine der vergangenen Jahre dümpeln vor sich hin. Die Errungenschaften ganzer Generationen geraten ins Wanken. Aber was ist passiert?
Die eine Gruppe, die nichts von Frauenrechten, Rassismus-Bekämpfung oder dem 1,5-Grad-Ziel hält, gab es schon immer: Tumbe, kognitiv eingeschränkte Rechtspopulisten, die davon überzeugt sind, jedes ihrer persönlichen Unglücke hätte eine direkte Kausalkette zur Migrationspolitik.
Kein lukrativer Job: Die Ausländer! Kein attraktives Date: Die Ausländer! Eltern vererben nur Schulden: Die Ausländer! Vergaser am Auto kaputt: Die Ausländer! Beim Schwarzfahren erwischt: Die Ausländer! Bei "
Wobei, das mit Markus Lanz ist ja im Prinzip korrekt. Immerhin ist Lanz aus Südtirol und damit Italiener. Und die sollen hier ja eigentlich nur Pizzerien und Eisdielen eröffnen und uns keine Moderatoren-Jobs klauen! Außer natürlich, sie sehen so aus wie
From the Jens Riwa to the C. Thomas Howell
Für jemanden wie mich, die sich mit einem eher linken Freundes- und Bekanntenkreis umgibt, ist in den letzten Monaten eine zweite Gruppe hinzugekommen, wie ich schmerzhaft feststellen musste. Selbsternannte Linke, die ihr gesamtes Erwachsenenleben stabil gegen Rassismus aufgestanden sind, entpuppen sich als partiell russlandhörig und beschämend hamasfreundlich.
Offenbar ist in Kreisen, in denen einstmals auch Talkshow-Emporkömmling
Geht es gegen jüdisches Leben, drückt man schon mal ein Auge zu. Und wenn das Auge nicht reicht, stellt man sich, berauscht vom eigenen Pazifismus-Heroismus, notfalls auch jederzeit zusammenhangslos vor Universitäten oder auf Demos und skandiert "From the River to the Sea" und irgendwas mit Intifada. Von der intellektuellen Blutgrätsche "Queers for Palestine" möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst anfangen.
Die Frage, welcher River und welche Sea oder welches Palästina mit welchen Landesgrenzen und welcher Siedlungshistorie überhaupt gemeint sind oder was Intifada eigentlich bedeutet, kann dabei keiner der aufopferungsvoll ihren Antisemitismus als Israelkritik scheinlegitimierenden Teilzeitnahostexperten beantworten.
Man hat ein paar Tik Toks gesehen und ist jetzt überzeugt, dass Palästina ein blühendes Land voller Glücksseligkeit war, bis der böse Jude (etwa 15 Millionen Juden und Jüdinnen gibt es weltweit) den armen Muslimen (etwa 1,9 Milliarden Moslems gibt es weltweit) das Heilige Land klaute.
So heilig, dass man sogar Moscheen baute, wo dereinst jüdische Tempel standen und das dann als Beweis heranzieht, Palästinenser wären lange vor den Juden vor Ort gewesen. Das ist etwa so, wie die historischen Überreste des Kolosseums in Rom wegzusprengen, auf den Trümmern eine Statue von
Linke Abstürze wie diese sind es, die inzwischen bereits fest in der westlichen Realität verankerte neue, wichtige Grundwerte wieder fragil werden lassen. Selbstverständlich beschädigt Greta Thunbergs neue Kamikaze-Taktik darüber hinaus die wichtige "Fridays for Future"-Bewegung.
Und auch die berufsempörten Hysterie-Junkies, die mit ihrem Überengagement beim (Er)Finden von sexistischen Skandalfällen den Sargnagel in den Kampf gegen den Sexismus hämmern, tun ihr Übriges, um die Welt vollkommen unnötig wieder schlechter zu machen. Eine ausschließlich das eigene Ego hofierende Fehlzündung im Spektrum der Wahrnehmugsrealitäten, die am Ende dazu führt, dass breitbeinig in der S-Bahn sitzende Männer via Social-Media-Hetzjagd gesucht und gestellt werden, während unbeschreiblich mutige Frauen im Iran ihr Leben für die Freiheit riskieren, wenn sie ihre Lieblingsmusik hören.
Eine Bubble, in der leider sehr viel mehr Protagonisten, die von höckeverehrenden Totalversagern bislang gerne als "Gutmenschen" diskreditiert werden, als wäre es in irgendeiner Form disrespektabel, ein guter Mensch zu sein, tauschen politisches und gesellschaftliches Verbesserungspotenzial gegen egozentrische Kleinkriege und werden, angetrieben von der unerschöpflichen Energie der eigenen Bedeutungslosigkeit, zu dem, was sie selbst einst verachteten.
Feministisch, aber auf der Dachterrasse
In einer Welt, in der inzwischen beispielsweise Publizisten wie Sascha Lobo (auf X übrigens gerne und regelmäßig gemeinsam mit mir) als "neue Rechte" deklariert werden, weil sie nicht jeden PR-Stunt der Hamas-Propagandamaschine im Informationskrieg des Nahostkonfliktes als unumstößliche Tatsache akzeptieren und von den historischen Entwicklungen der letzten 3.000 Jahre vor Ort mehr wissen als sogenannte Demonstranten, die außer einigen Share-Pics von reichweitenstarken Judenhassern kein eigenes Wissen zum Thema zu bieten haben, ist es wichtig und erfrischend, dass es auch noch Orte, Events, Projekte und Gelegenheiten gibt, bei denen versucht wird, zu einen, zu informieren, abzuwägen – und sich gerade nicht dogmatisch auf eine Seite zu stellen und jeden Versuch einer Diskussion mit möglichst lautem Geschrei zu unterbinden.
Ich spreche dabei von "Frauen100", einem Netzwerk, das inzwischen nach nur drei Jahren bereits zu den wichtigsten Institutionen gesellschaftlichen Engagements, Austausches und Support gehört. Ich kenne kaum eine Veranstaltung, bei der Menschen, vornehmlich – der Name "Frauen100" lässt das bereits erahnen – Frauen, völlig unterschiedlicher Hintergründe zusammenkommen. Hintergründe nicht nur was Herkunft oder Religion angeht, sondern auch hinsichtlich der Ideologie, der Überzeugungen und der Ziele.
Nirgendwo sonst plauscht man freundschaftlich, nett, zielorientiert und völlig ohne parteipolitische oder lagerrelevante Barrieren mit eher konservativ gehandelten Politikerinnen wie Julia Klöckner oder Doro Bär genauso wie mit Journalistinnen wie Juliane Löffler oder Eva Schulz, die man vermutlich nicht mal mit hoch siebenstelligen Bestechungshonoraren dazu verleiten könnte, jemals eine Unionspartei zu wählen. Hier koexistiert man, tauscht sich aus und lässt sich vom Programm und Speakerinnen wie Rose McGowan inspirieren, die die "Frauen100"-Masterminds Fee Karrer und Janina Hell erneut gleichsam außergewöhnlich wie exzellent zusammengestellt haben.
"Felix100" statt "Frauen100"?
"Frauen100" ist mittlerweile so erfolgreich, dass es bereits einige Trittbrettfahrerinnen gibt, die mit komparablen Konzepten punkten möchten. Hinter vorgehaltener Hand verrät mir eine sehr berühmte Sängerin, eine ehemalige Internet-News-Moderatorin hätte sogar eine Enzyklopädie geheiratet, um sich für ihre Sponsoren-Akquise zu ähnlichen Events einen hoffähig intellektuellen Anstrich zu verpassen.
Wobei "ähnlich" eine wohlwollende Interpretation von "abgekupfert" ist. Auf der Dachterrasse des "Hotel de Rome" am Berliner Bebelplatz jedenfalls geben sich das Who is Who der Politik, des Journalismus und des Entertainments dieses Landes die Pommery-Flöte in die Hand. Im Prinzip die wichtigsten Promis Deutschlands auf einem Haufen.
Wobei: "Prominente" klingt immer ein bisschen nach Dschungelcamp. Ekelprüfungen finden in dieser lauschigen Sommernacht jedoch nicht statt. Mal von einigen unpassenden Tweets abgesehen, mit denen eine weniger an brauchbarem Diskurs interessierte Hamas-Cheerleaderin rund um den Abend die Fake-News-Quote auf Elon Musks Meinungsfreiheitsspielplatz auf neue Rekordhöhen peitscht, die sich unter die ansonsten ausnahmslos positive Energie versprühenden Gäste gemogelt zu haben scheint.
Selbst dem Journalisten Felix Dachsel, immerhin Absolvent des Hölderlin-Gymnasiums in der Medienmetropole Nürtingen, das bereits Hochglanzprominente wie Harald Schmidt (die Älteren kennen ihn vielleicht noch als Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle auf dem ZDF-"Traumschiff"), Politikhoffnungen wie Ricarda Lang, Sky-Plaudertaschen wie Wolff-Christoph Fuss oder Beinahe-A-Nationalspieler wie Daniel Didavi hervorbrachte, ist der glamouröse Flair von "Frauen100" nicht entgangen.
Beinahe entrüstet fragte er am Tag nach der Veranstaltung, als Bilder von gut gelaunten Erfolgsfrauen und Carsten Linnemann die Kommentarspaltenrunde machten, warum ihn nie jemand zu "Frauen100" einladen würde. Wer ist Felix Dachsel – fragen Sie jetzt vielleicht. Aber ich Vice es auch nicht.
Pocher, Trump – und Bella Hadid
Dachsels Sehnsucht nach "Frauen100" dagegen ist für jeden Normalsterblichen nachvollziehbar und auch ein Stück weit logisch. Wer wäre nicht gerne dabei, wenn sich Ausnahmeerscheinungen wie Düzen Tekkal, Ruth Moschner, Natalie Amiri, Natalia Avelon (C-Burg Girls Forever!), Lola Weippert, Dunja Hayali oder Alev Dogan einen legendären Abend lang mit Showbiz-Giganten wie Janine Ullmann, Katja Riemann oder Wana Limar austauschen?
Um mal aus dem berühmten Nähkästchen zu plaudern: Am intensivsten diskutiert waren diese Top Drei Small-Talk-Themen:
1. Adidas, die sich gerade ein annähernd beispielloses PR-Fiasko rund um Pro-Hamas-Influencerin Bella Hadid und einen von den Olympischen Spielen 1972 inspirierten Sportschuh geleistet haben.
2. Donald Trump, der einen neuen Kopfhörer Trend entfachte, bei dem sich MAGA-enthusiastische Vollzeitpolitikexperten nurmehr mit einem Wattebausch am Ohr in der Öffentlichkeit zeigen, das immer ein bisschen so aussieht, als hätte Apple mit dem "iPillow" ein winziges Ohr-Kissen herausgebracht.
3. Oliver Pocher, der es offenbar für die Krone des hiesigen Humors hält, auf einem Taylor-Swift-Konzert, das vornehmlich von sehr jungen Mädchen und Frauen besucht wird, in einem "Rammstein"-Shirt zu erscheinen.
Mit diesen drei Hot Topics verabschiede ich mich für diese Woche und wünsche eine erfolgreiche Zeit beim Warten auf den nächsten Wochenrückblick.
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