Viele Millionen Fans stellen sich alle sieben Tage dieselbe Frage: Was wird wohl diese Woche das Aufmacher-Thema meines Wochenrückblicks? Und ja: Mit "Viele Millionen Fans" meine ich meine Mutter. Also? Welches wird es sein?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Werder rauf kommt, gewinnt einen ganz schlechten Fußball-Wortwitz. Und hier die Auflösung: Werder Bremen folgt dem Tasmania Berlin des Ruhrpotts, dem FC Schalke 04, in die zweite Liga. Abstieg mit Ansage. Wie sang schon der größte Werder Bremen Fan Ibizas, Jürgen Drews: "Ein Bett im Kohlfeldt, das ist immer frei". Leider galt das diese Saison auch für gegnerische Stürmer in Werders Strafraum, so dass auch Stimmungsmusiker von den Balearen den Gang ins Unterhaus nicht verhindern konnten.

Wie sehr der Haussegen auch im Umfeld des einst zur familiären Enklave im Milliardenspiel Profifußball stilisierten Ikone Weserstadion schief hängt, zeigt auch der Umgang mit dem Urbremer und Stadionsprecher Arnd Zeigler. Zeigler galt lange Jahre als volkstümlicher Edelfan der Bremer, aber mit Currywurst statt Champagner und Tartanbahn statt VIP-Loge.

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Sogar einen Song für die Ewigkeit spendierte er den Bremer Fans. Sein Meistersong zur Double-Saison 2004 "Lebenslang Grünweiß" hielt sich bemerkenswerte acht Wochen in den deutschen Charts und machte den sympathischen Mittfünfziger zum Mickie Krause der Kickerhymnen.

Hasskommentare und Beleidigungen gegen Arnd Zeigler

Mit Sympathie kann es aber auch schnell mal vorbei sein. Fast so schnell, wie mit der familiären Atmosphäre rund um das Freundschaftsparadies Werder Bremen. Im Abstiegsjahr avanciert Zeigler überraschend zum MHW (Most Hated Werderaner) und bekam statt Autogrammwünschen plötzlich kübelweise Hasskommentare und Beleidigungen.

Am vorläufigen Ende dieser Episode des kultivierten Diskurses in den sozialen Medien steht die Ankündigung Zeiglers, seine Facebookseite zu deaktivieren. Da geht natürlich ein Jubelschrei durch die Werderbubble. Jedenfalls durch den Teil, bei dem es (ähnlich wie bei politischen Diskussionen) nie um den Austausch von Argumenten, sondern ausschließlich um das Abschaffen gegenteiliger Meinungen geht.

So kann die persönliche Ansicht über den tragischen Absturz einer Bundesliga-Legende wie Werder Bremen schon mal ausreichen, um Heerschaaren von Elitediskutanten aus den Frustbäumen des Gartens der Bedeutungslosigkeit zu schütteln. Und die arbeiten sich dann eifrig an einem Kommentar zu einer Fußballmannschaft ab, als ginge es um den Weltuntergang.

Zeigler sympathisiert mit Florian Kohfeldt - ein Fehler

Denn was hatte Arnd Zeigler getan, um sich tagelang der ungeteilten Aufmerksamkeit der Bremer Kommentarspalten-Intellektuellenszene ausgesetzt sehen zu müssen? Hatte er einen Spieler rassistisch beleidigt? Eine Mitarbeiterin sexuell belästigt? Hatte er einen Genderstern benutzt? Um es kurz zu machen: Nein, nein und nein.

Der Tsunami an digitalen Kriegserklärungen hatte seinen Ursprung in der Pro-Kohfeldt-Haltung Zeiglers. Ja, Sie lesen richtig. Weil er einem beliebten und überall hoch geschätzten Trainer nicht als panische Reaktion auf den drohenden Abstieg den Stuhl vor die Tür gestellt hätte, schien Zeigler quasi in seinem eigenen Fan-Wohnzimmer plötzlich unbeliebter als Kim Jong-un, wenn er auf TikTok eine neue Wunderwaffe vorstellen würde, mit der von ihm persönlich mit einer Kettensäge enthauptete Robbenbabys auf US-amerikanische Kindergärten abgeworfen werden.

Annalena Baerbock im verbalen Kugelhagel

Arnd Zeigler, die Annalena Baerbock der Fußballromantiker. Eigentlich recht euphorisch angetreten, aber dann spektakulär von diskursallergischen Beleidigungskommandos aus anonymen Trollaccounts und selbstverliebten Empathieverlierern eingeholt und in die Ecke gepöbelt.

Denn ja, auch die noch kürzlich von weiten Teilen der Medien als größte natürliche Gefahr für CDU/CSU und Christian Lindner gefeierte Kanzlerkandidatin der Grünen steht auch diese Woche weiter im verbalen Kugelhagel einer Armee der Vernichtungs-Lyriker. Zu ihrem unklaren Hochschulabschluss-Status gesellten sich auch noch versehentlich zu spät gemeldete Sondereinkünfte.

Tatsächlich keine Aktion, die ihr bei ihrem Vorhaben, im September das Kanzleramt zu erobern, weitere Herzen zufliegen lassen wird. Anders als gerne inszeniert, sind auch die Grünen nicht die Saubermänner und Sauberfrauen der Nation. Dass Baerbock nun aber für kolportierte 37.000 Euro, die sie völlig legal erhalten hat, etwa zweihundertmal so viel Häme aushalten muss, als die Verantwortlichen für das Abzocken von 50 Millionen Euro für die Vermittlung von Masken, sagt viel über den journalistischen Anspruch und das hohe Gut der faktenbasierten und ausgewogenen Berichterstattung in unseren Verlagshäusern.

Baerbock wird in einigen Medienhäusern gefürchtet

Offenbar wird Annalena Baerbock in einigen Medienhäusern stärker gefürchtet als der Klimawandel, Corona-Leugner, Querdenker, Antisemiten und Rassisten zusammen. Und mit Grünen-Bashing-Speck fängt man (Click-)Mäuse. Immerhin, das weiß jeder, möchten Baerbock und ihre zukunftsresistente Verbotspartei als erste Amtshandlung im Kanzleramt Fleisch, Urlaub, Strom, Verbrennungsmotoren und Spaß an sich verbieten. Und wer kann schon bei Kerzenschein und gedünstetem Porree die Kraft dafür tanken, am nächsten Morgen die 65 Kilometer zum Arbeitsplatz mit dem Liegefahrrad zu absolvieren?

Da gefällt es den zuletzt knapp ein Jahr als Virologen tätig gewesenen Welterklärern mit anonymem Twitter-Profil natürlich, kräftig mit einzudreschen. Den Alleswissern aus der Wahrheitsabteilung des Internets ist es inzwischen ohnehin etwas langweilig geworden, der Nation mühevoll jeden Tag aufs Neue mit ihren auf der Attila-Hildmann-Universität erworbenen Fachkenntnissen zu erklären, dass sie viel mehr Ahnung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Prognosen zu Corona haben, als Christian Drosten und alle anderen regierungsberatenden Virologen zusammen.

Selbsternannte Steuerexperten wittern sogar Steuerhinterziehung

Insofern passt es gut, dass sie sich rechtzeitig zur Causa Baerbock daran erinnern, ja auch noch eine summa cum laude abgeschlossene Ausbildung zur Steuerfachkraft sowie eine Bestellung der Steuerberaterkammer in der Schublade zu haben. Kurz bevor sie also in ein paar Tagen zum EM-Beginn auf Bundestrainer umschulen, erläutern sie noch schnell, warum Annalena Baerbock zwar vielleicht nur lausige 37.000 Euro erhalten hat und das auch noch legal, aber dennoch schnellstmöglich aus der politischen Welt entfernt gehört und eigentlich auch weggesperrt.

Einige selbsternannte Steuerexperten wittern sogar Steuerhinterziehung. Die Bandbreite der Internetexpertise und die Gewichtung von Fehltritten je nach Lagerzugehörigkeit wird noch Generationen nach uns faszinieren.

In der Melange der Hüter des Ethikgrals, die Baerbock dieser Tage als moralphilosophischen Untergang des Abendlandes ausrufen, findet sich eine bemerkenswerte Überschneidungsdichte zur mit Vorliebe "Cancel Culture!" schreienden Bagatellisierungs-Armada, wenn es um die Verharmlosung von Vergehen von Protagonisten aus einer anderen politischen Richtung geht. Da ist dann das Verbreiten von Inhalten aus antisemitischen Quellen auch mal nur halb so schlimm und außerdem auch noch aus dem Kontext gerissen.

Hausdurchsuchung bei Björn Höcke

Und auch eine richterlich angeordnete Hausdurchsuchung bei Björn Höcke erlangt märtyrerischen Legendenstatus. Jedenfalls in der verqueren Version der Selbsthilfegruppe "Fakten umdeuten für Anfänger". Ein Instrument der Strafverfolgung erhält plötzlich den Anstrich einer von ganz weit oben (Rothschilds? Gates? Obama?) angeordneten Drangsalierungsoffensive gegen einen der größten Freidenker des Landes, einen aufrechten Kämpfer gegen "den Volkstod durch Bevölkerungsaustausch" und für eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad".

Das wird man jawohl noch sagen dürfen, ohne dass die Angela-Merkel-Marionetten unserer Judikative eine juristische Verfolgungsjagd anordnet.

Deutschland landet beim ESC auf dem vorletzten Platz

Und dann gab es natürlich auch noch den Eurovision Song Contest, von Liebhabern, Musikexperten und Barbara Schöneberger gerne ESC genannt. Mit einer Hommage an längst vergessene Glamrock-Zeiten gewinnt Italien. Inklusive vermeintlichem Live-Koksen vor 200 Millionen Zuschauern. Der deutsche Beitrag des Sängers Jendrik wird mit drei Punkten Vorletzter. Lediglich England schneidet als Abmahnung für den Brexit noch schlechter ab. Drei Punkte. Ein Desaster.

Weniger Punkte hätten wir auch dann nicht bekommen, wenn ich den Song "Yes, We're Going To Ibiza" in einer Reggae-Version gesungen hätte. Bekleidet nur mit einem sehr knappen Bikini aus tropischen Pflanzen aus Weingummi und begleitet von Dunja Hayali am Cembalo, Philipp Amthor am Kontrabass und Til Schweiger an der Blockflöte.

Vielleicht mal ein Konzept für 2022. Immerhin liegt der letzte deutsche ESC-Sieg jetzt auch schon elf Jahre zurück – und das ist sogar länger als der HSV mittlerweile Zweitligist ist. Insgesamt also eine ereignisreiche Woche. Das wird spannend, ob die KW 21 da mithalten kann. Ich werde mir das anschauen!

Annalena Baerbock

Annalena Baerbock räumt Fehler ein: "Blödes Versäumnis"

Annalena Baerbock hatte der Verwaltung des Bundestags Sonderzahlungen von mehr als 25.000 Euro nachgemeldet, die sie in den vergangenen Jahren als Bundesvorsitzende von ihrer eigenen Partei bekommen hatte. Die Grünen-Chefin räumte ihren Fehler mit den Worten "blödes Versäumnis" ein. (Fotocredit: Kay Nietfeld/dpa)
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