Guido Maria Kretschmer ist eigentlich ein Sympathieträger im TV. Das könnte sich mit seiner Show "Deutschlands schönste Frau" schnell ändern. Denn die sorgt dafür, dass einem der Stardesigner von Woche zu Woche unsympathischer wird. Ein Brief als letzter Versuch der Rettung.
Verehrter Herr
Ja, tatsächlich, so einfach ist das. Wissen Sie, eigentlich sind Sie mir wirklich sympathisch. Als Sie zum ersten Mal in "Shopping Queen" auftauchten, da war das tatsächlich eine Wohltat. Ihnen gelangen gleich drei Dinge, die vorher im Fernsehen niemand hinbekommen hatte. Sie machten aus Mode etwas Unterhaltsames. Sie beleidigten Frauen so, dass die sich dabei gut fühlten. Und Sie waren der erste Prominente, der am rechten Bildrand saß, das Gesehene kommentierte und tatsächlich lustig war. Es ist nur verständlich, dass sie RTL in sein Hauptprogramm hievte. Irgendwie musste man aus diesem bisher unbekannten Talent doch Kapital schlagen können.
Also saßen Sie auf einmal in der Jury von "Das Supertalent". Da störten Sie keinen, aber neben
Das Schlimmste, was das Trash-Fernsehen hervor gebracht hat
Und jetzt suchen Sie also seit einigen Wochen "Deutschlands schönste Frau". Wahrlich keine leichte Aufgabe. Zumal am Ende natürlich nicht irgend ein Modepüppchen gewinnen soll, so wie bei der bösen bösen Heidi Klum auf dem bösen bösen Konkurrenzsender ProSieben, sondern eine echte Frau mit Ecken und Kanten. Zumindest da kann man Ihnen gratulieren, verehrter Stardesigner Guido Maria Kretschmer, das ist Ihnen gelungen. Ihre Ansammlung von Frauen ist ohne Frage das Schlimmste, was das Trash-Fernsehen in dieser Saison hervorgebracht hat.
Dabei wollten Sie doch einfach nur, dass sich die Frauen wohlfühlen. So wie immer in Ihren Shows. Theoretisch scheint das auch zu gelingen. Nehmen Sie zum Beispiel die letzte Folge. Gleich zu Beginn sagen da Ihre Kandidatinnen: "Meine Entwicklung ist, dass ich total stolz auf mich bin", "Es hat mir gezeigt, dass ich mich mehr wertschätze" und "Man wächst an seinen Aufgaben". Klingt doch toll! Dummerweise sagt eine der Damen wenig später: "Im Endeffekt sind wir aber geblieben, wie wir sind." Im Rückschluss auf Ihre Sendung heißt das: Die hätte sich RTL durchaus sparen können. Denn Ihre Mischung aus Vorher/Nachher-Show, Misswahl und "Der Bachelor" ist wirklich eine Zumutung.
"So, wir gehen jetzt erst mal ein Bier saufen"
In einem "Experiment" verkleideten Sie die Frauen als Männer. Seit "Big Brother", "Adam sucht Eva" und neuestens "Newtopia" weiß man, dass das im Privatfernsehen nichts gutes verheißt. Also unterhalten sich Ihre "schönsten Frauen Deutschlands" den Rest des Tages darüber, auf welcher Seite sie den Schniedel tragen. Und sagen Sätze wie: "So, wir gehen jetzt erst mal ein Bier saufen." Das spricht nicht gerade für uns Männer, wenn Frauen so von uns denken, sagen Sie in der Show. En contraire, Stardesigner Guido Maria Kretschmer. Es spricht alles andere als für Ihre Damen, wenn sie sich so benehmen.
Denn seien wir mal ehrlich: Keine dieser Kandidatinnen ist Deutschlands schönste Frau. Was Sie unter diesem Titel verkaufen, ist eine Frechheit. Das fängt beim Konzept an. Da sitzen also diese "ganz normalen" Frauen. Bei denen es auch um die inneren Werte geht. Und was tun sie in Ihrer Show? Sie ziehen sich aus. Sie lassen sich umstylen, wie in der letzten Folge. Und wofür das alles? Für die Teilnahme in ein paar Werbespots. Sie haben recht, das klingt tatsächlich so, als wäre Ihre Sendung ganz anders als all die anderen Model-Shows.
Hier noch eine weitere Frage für Sie: Wer sollte bestimmen, wer Deutschlands schönste Frau ist? Stimmt, die Deutschen. Wer tut es in Ihrer Show? Die Teilnehmerinnen. Das ist in etwa so, als dürfe genau eine Person das nächste Regierungsoberhaupt wählen: Angela Merkel. Doch von unserer Kanzlerin kann man zumindest nicht behaupten, sie hätte ihre Emotionen nicht unter Kontrolle. In Ihrer Show wird immerzu geheult. Warum eigentlich?
Zum Beispiel bei den Nominierungen in der letzten Ausgabe. Heute nominiert man ja alles. Menschen, Tiere, Drei-Gänge-Menus. Aber nirgendwo wird soviel geschluchzt wie bei Ihnen. Dazu dann Floskeln wie: "Jeder von denen ist etwas besonderes. Ich nominier' ..." Große Heulerei. "Jemande da zu nominiere, des mach isch nisch." Haben Sie nicht verstanden? Ich auch nicht. Aber so reden Ihre Kandidaten, verehrter Stardesigner Guido Maria Kretschmer. Danach: wird selbstverständlich geheult. Sturzbäche wie bei der großen Flut 2002. Nur von Gerhard Schröder ist, wenn man ihn tatsächlich mal braucht, weit und breit nichts zu sehen.
"Mode ist ein Geschenk", sagen Sie irgendwann im Laufe Ihrer Show. Von "Deutschlands schönste Frau" kann man das nicht behaupten. "Sag Ja zu deiner Schönheit" folgt irgendwann später, das Motto des Gewinner-Werbespots. Ich ergänze für uns alle da draußen an den Bildschirmen: Lieber Guido, sag Nein zu dieser Sendung.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.