In der neuesten Ausgabe des "ZDF Magazin Royale" kritisiert Jan Böhmermann am Freitagabend die Kampagnenflut in deutschen Parteien, Städten und Regionen. Zweifelhaft, inhaltslos und realitätsfern, so sein Urteil. Auch wenn Böhmermanns Kritik nicht in allen Punkten trifft, bleibt am Ende die Frage: Wie sollen Marketingagenturen erklären, dass Deutschland wieder rechts wählt. Allerdings nicht die Mehrheit. Aber doch erschreckend viele.
"Heute, meine Damen und Herren, erwartet Sie im 'ZDF Magazin Royale' eine kunterbunte Leistungsschau der deutschen PR- und Marketingbranche", liefert
So weit, so unklar, doch Böhmermann wird noch konkreter. Es geht ihm um das neue CDU-Logo, das deren Generalsekretär Carsten Linnemann vor kurzem vorgestellt hat und dessen Worte Böhmermann aufgreift: "Deutschland hat endlich wieder eine Zukunft, denn die CDU hat einen neuen, dynamischen Bogen, der nach oben geht und eine neue Farbe."
Nun ist es naheliegend, dass sich Böhmermann in den folgenden 30 Minuten darüber auslassen wird, ob es von der CDU wirklich clever ist, als Zeichen des Aufbruchs Deutschlands für das neue Logo Farben zu nehmen, die die Namen zweier Lieblingsorte von
"Deutschland als seelenloser Hochtechnologie-Angeber"
Aber das neue Logo ist mit ein paar schnellen Gags und dem Verweis abgearbeitet, dass das neue Logo der österreichischen ÖVP ein ähnliches Türkis hat. Böhmermann geht es nämlich eigentlich um etwas Anderes und das Logo ist lediglich der Aufhänger dafür: "Wir reden heute im 'ZDF Magazin Royale' über PR und Public Marketing für Dinge, die am Ende sind. Also Deutschland oder eben die CDU."
Im Kern geht es Böhmermann um die Frage: "Hilft eine fette, teure PR-Kampagne wirklich gegen unsere programmatische, unsere politische Orientierungslosigkeit?" Denn nicht nur die CDU habe ein Identitätsproblem, sondern ganz Deutschland und beide gingen dieses Problem gleich an: "Wir sind noch immer das Land der Dichter und Denker. Und Dichter und Denker, die arbeiten zum Glück inzwischen alle in Marketing und PR."
Und so taucht Böhmermann ab in das Land der Marketingmenschen und "PR-Fuzzies" und zeigt, mit welchen Marketingkampagnen Parteien, Städte oder Bundesländer denn so arbeiten und was ihn daran stört. Böhmermanns Fazit: "Modernes Marketing sieht Deutschland als seelenlosen Hochtechnologie-Angeber mit metropol-regionalem Zukunftsbranchenroboter, na klar! Aber wo ist denn da die weltbekannte deutsche Bodenständigkeit geblieben? Unsere legendäre, in der Welt berühmte Menschlichkeit, das Herz?"
"The Länd" für 21 Millionen Euro
Aber es gibt noch mehr, was Böhmermann stört. Zum Beispiel das Geld, das für Marketingkampagnen ausgegeben wird. So koste die Marketingkampagne in Mecklenburg-Vorpommern mit ihrem Slogan "MV tut gut" die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern "schlappe 2,3 Millionen Euro und das nur in diesem Jahr." Die Werbekampagne in Baden-Württemberg mit dem Slogan "The Länd" habe stolze 21 Millionen Euro gekostet.
In der Tat ein interessantes Preis-Leistungs-Verhältnis, deshalb liegt auch die Kritik Böhmermanns an Art und Inhalt der Kampagnen nahe. "Nice Leute, nice Landschaft, nices Essen: wie Instagram in echt", lautet etwa eine Kampagne in und für Rheinland-Pfalz, andere Kampagnen versuchen es mit viel zu vielen Punkten: "Niederrhein So gut. So weit." Böhrmanns Fazit: Man habe sich durch alle möglichen Marketingkampagnen deutscher Regionen gearbeitet, "aber was Deutschland jetzt genau sein soll – wir wissen’s immer noch nicht".
Kosten, Inhalt, Art und Häufigkeit der vielen PR-Kampagnen sind also zweifelhaft, das Ergebnis noch viel mehr, meint Böhmermann: "Deutschland ist offensichtlich lost, wenn wir das danach beurteilen, was unsere Marketing- und PR-Genies für einen Mist an Metropolregionen, Bundesländer, Städte und Parteien verkaufen", echauffiert sich Böhmermann und präzisiert: "Irgendwas mit Vögeln oder Zukunft und dynamischen Kurven, spritzigen neuen Farben, Dialekten und ‘ner Prise Innovation? Zwei Schaufeln Hochtechnologie, ein bisschen frech, aber nicht zu frech – wir wollen ja niemanden verschrecken."
Weltoffenheit trotz AfD?
Außerdem könne eine noch so schöne Werbekampagne die Realität lediglich verdecken. So könne man zwar Facharbeiterinnen und Facharbeiter locken, angesichts der Umfrageerfolge der AfD müsse die Botschaft aber eigentlich lauten: "Wir Deutschen, liebe ausländische Investorinnen und Investoren, wir wollen zwar euer Geld ganz dringend, aber können leider, leider, leider, leider auch nach all den Jahren und trotz all der Millionen Euros, die wir für unsere hochglänzenden Public-Marketing- und PR-Kampagnen ausgeben, nicht verstecken, was wir von euch Ausländern wirklich halten."
Es ist also so Einiges, was Böhmermann da am Freitagabend am Land der Marketing- und "PR-Fuzzies" nervt und vieles trifft sicher auch einen wahren Kern. Allerdings lohnt es sich, hier und da genauer hinzugucken. Wenn er etwa die Inhaltslosigkeit der Merz-CDU kritisiert, dann sollten schon ein paar Beispiele folgen. Auch in der Satire, denn sonst sind es nur Behauptungen. An Beispielen für Inhaltslosigkeit sollte es ihm nicht mangeln, schließlich war dies das Kerngeschäft der Merkel-Jahre und man hat nicht den Eindruck, dass seitdem in der CDU viel passiert ist – mal vom neuen Logo abgesehen.
Und auch, wenn Böhmermann die Punkte-Sucht bei Slogans wie "Niederrhein – So gut. So weit." oder "Erzgebirge – Gedacht. Gemacht." kritisiert, muss man zugestehen: So funktioniert Marketing nun einmal, mit kurzen Slogans. Wer will sich denn schon einen Zwei-Seiter über Niedersachsen durchlesen? Man könnte höchstens fragen: Warum sollte man überhaupt einen Slogan für eine Region brauchen?
Ja, Deutschland wählt wieder rechts – aber eben nicht die Mehrheit
"Lösen PR- und Marketing unsere politischen Probleme? Auf jeden Fall, ja klar. So gewinnen wir die Zukunft!", fasst Böhmermann seine Kern-Kritik am Ende ironisch zusammen und in der Sache hat er damit in vielen Punkten eigentlich Recht. Eigentlich. Denn eigentlich wäre da ein bisschen Differenzierung wichtig. Schließlich leben PR und Marketing immer von einer Diskrepanz zwischen Realität und Wirklichkeit, malen die Farben heller, als sie eigentlich sind.
Problematisch wird es allerdings – und hier hat Böhmermann dann wieder einen Punkt – wenn beides, also Bild und Wirklichkeit unvereinbar scheinen. Denn man kann tatsächlich niemandem ein modernen, weltoffenen Deutschlands vermitteln, wenn die Menschen im Land gleichzeitig wieder rechten Parteien hinterherlaufen. Noch schwieriger wird diese Spannung aber, und das erwähnt Böhmermann nicht, weil es ja noch genügend Deutsche – ja sogar die überwiegende Mehrheit – gibt, die nicht auf rechtes Gedankengut hereinfallen. Um all diese Widersprüche Deutschlands zu vermitteln – dafür bräuchte man in der Tat eine richtig gute PR-Agentur.
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