Ob das Deutschlandticket fast zwei Jahre nach der Einführung ein Erfolg oder Misserfolg ist, bleibt weiterhin schwer zu sagen. Unsicherheit bei den Kunden schürt wohl auch die fragliche Finanzierung über 2025 hinaus und eine wie auch immer geartete Weiterführung des Tickets unter einer neuen Bundesregierung.

Mehr News zur Innenpolitik

Millionen Nutzer des Deutschlandtickets haben keine Klarheit darüber, wie es im kommenden Jahr weitergeht. Die Finanzierung durch Bund und Länder ist nur bis Ende des Jahres gesichert. Nach der Bundestagswahl droht eine Hängepartie. Zum Januar stieg der Monatspreis um fast ein Fünftel von 49 Euro auf 58 Euro.

Kündigungswelle bei Deutschlandticket bleibt aus

Trotz der deutlichen Preiserhöhung beim Deutschlandticket für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) in Deutschland sind die meisten Nutzerinnen und Nutzer dem Abo treu geblieben. "Wir sehen definitiv keine Kündigungswelle durch die Preiserhöhung", sagte der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann. Die Kündigungsquote lag dem Verband zufolge im Januar 2025 bei 8,1 Prozent. Im Jahr 2024 lag sie monatlich bei rund sieben Prozent.

Natürlich führe ein Preisanstieg von 20 Prozent dazu, dass einige Nutzerinnen und Nutzer das Abo aufgäben, sagte Wortmann. "Aber der Jahreswechsel ist schon immer ein Zeitpunkt gewesen, an dem Kundinnen und Kunden ihre Verträge danach prüfen, wo sie gegebenenfalls etwas sparen können."

Einen großen Spielraum für weitere größere Preissteigerungen gebe es aber nicht, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. "Die Quote der Kündigungen ist jetzt ok, aber wenn das Ticket 20 Euro teurer wird, dann wird’s auch schon eng."

Dem VDV zufolge nutzen rund 13,5 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten das Angebot. Damit hat die Branche ihr Ziel, bis zum Ende 2024 auf rund 15 Millionen Abos zu kommen, um gut zehn Prozent verfehlt. Der entscheidende Grund dafür sei, dass nach wie vor viele Unternehmen das Deutschlandticket nicht als rabattierte Variante ihren Beschäftigten anböten, teilte der VDV weiter mit. Das sei angesichts der politischen und finanziellen Unsicherheiten rund um das Angebot nachvollziehbar.

Insgesamt hat sich der Nahverkehr in Deutschland nach dem Einbruch in der Corona-Pandemie erholt. Rund 9,8 Milliarden Fahrgäste verzeichneten die Verkehrsunternehmen im vergangenen Jahr. Das waren rund 300 Millionen Kundinnen und Kunden mehr als im Vorjahr. Aufgrund der ebenfalls gestiegenen Kosten für Personal, Strom oder Antriebsstoffe bei sinkenden Ticketeinnahmen bleibe die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen aber angespannt, betonten die Verbandschefs. Seit Mai 2023 ermöglicht das Ticket bundesweit Fahrten in sämtlichen Bussen und Bahnen des Nah- und Regionalverkehrs zum einheitlichen Monatspreis. Es hat die unübersichtliche Tarifstruktur im öffentlichen Verkehrssektor erheblich vereinfacht.

Finanzierung des Deutschlandtickets bleibt ungewiss

Nur noch für dieses Jahr sind Bundesmittel festgeschrieben. Der Bund gibt pro Jahr einen Zuschuss von 1,5 Milliarden Euro, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben auszugleichen – denn die meisten ÖPNV-Abos waren zuvor deutlich teurer. Die Länder geben ebenfalls insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Festgeschrieben ist das im Regionalisierungsgesetz. Für eine Fortführung des Tickets über 2025 hinaus müsste das Gesetz geändert werden. Es drohen harte Verhandlungen.

Zumal die Kosten nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) deutlich über 3 Milliarden Euro pro Jahr liegen. Eine VDV-Hochrechnung für 2024 habe ergeben, dass die Branche 3,45 Milliarden Euro an Ausgleichszahlungen benötigt habe. "Die von Bund und Ländern jährlich zur Verfügung gestellten drei Milliarden Euro werden dauerhaft nicht ausreichen, um den Verlust der Branche auszugleichen", sagte VDV-Präsident Ingo Wortmann.

"Für eine langfristige Finanzierung des Deutschlandtickets braucht es verbindlich zugesagte Mittel von Bund und Ländern in ausreichender Höhe und inklusive einer jährlichen Dynamisierung, damit das Ticket für die Fahrgäste preislich attraktiv bleiben kann."

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU), Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz, sagte: "Für die Länder war es ein Kraftakt, den Bund dazu zu bringen, seine Finanzierungszusagen für das Deutschlandticket einzuhalten. Für 2025 ist das Ticket gesichert, aber langfristig muss die neue Bundesregierung über die Zukunft des Tickets entscheiden. Aus bayerischer Sicht muss der Bund die Kosten künftig ganz übernehmen, schließlich war das Deutschlandticket – wie der Name schon sagt – ein Wunsch des Bundes."

Die Union hatte die Zukunft des Tickets bereits offen gelassen. Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sagte im Dezember mit Blick auf die Zeit nach 2025, es gebe "Spielraum für alles Weitere oder Neue". Das Ticket habe eine Vielzahl von Konstruktionsfehlern und sei nicht solide finanziert. Der Bund mische sich in eine Länderaufgabe ein, der ländliche Raum werde benachteiligt. Das Auto bleibe Verkehrsmittel Nummer eins, vor allem im ländlichen Raum.

Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sagte im November auf die Frage, wie er die Zukunft des Tickets nach 2025 sehe: "Das ist eine sehr schwierige Frage, die wir auch im Lichte der Haushaltsplanungen im nächsten Jahr beantworten müssen." Im Wahlprogramm von CDU und CSU kommt das Wort Deutschlandticket nicht vor.

Deutschlandticket: Bayern fordert alleinige Finanzierung vom Bund

Deutschlandticket: Bayern fordert alleinige Finanzierung vom Bund

Die Finanzierung des Deutschlandtickets ist nur noch bis Ende 2025 gesichert. Aus bayerischer Sicht müsse der Bund die Kosten künftig ganz übernehmen.

Grüne und SPD wollen Deutschlandticket behalten

Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sagte, das Ticket sei eine Erfolgsgeschichte. "Eine der ersten Aufgaben der neuen Bundesregierung muss es sein, die Finanzierung des Tickets langfristig abzusichern." Der Bund müsse sich an der Finanzierung dauerhaft mindestens hälftig beteiligen.

Weitere Grüne pochen auf den Fortbestand des Deutschlandtickets und werfen der Union vor, dieses infrage zu stellen. Grünen-Parteichef Felix Banaszak kritisierte am Montag in Berlin besonders Bayerns Verkehrsminister Bernreiter. Dies zeige, "dass CDU und CSU an einer bezahlbaren Mobilität kein Interesse haben", sagte dazu Banaszak.

"Das Deutschlandticket hat vielen Menschen die Möglichkeit geschaffen, vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen, weil es auch bezahlbar wurde", betonte der Grünen-Parteichef. Daher wolle seine Partei dieses nicht nur erhalten, sondern auch dafür sorgen, "dass das Deutschlandticket wieder ein 49-Euro-Ticket wird". Banaszak stellte auch klar, dass der Bund weiterhin für das Ticket "seiner Verantwortung gerecht werden" müsse. Ebenso sei es jedoch "nicht angemessen, dass sich ein Land wie Bayern vollkommen aus der Verantwortung zieht", fügte er mit Blick auf die aktuelle sowie auch frühere Äußerungen aus der CSU hinzu. Der Grünen-Vorsitzende kritisierte, es habe aus Bayern gegen "diese große Errungenschaft", die das Deutschlandticket bedeute, "auch zuvor schon viel Störfeuer" gegeben.

Das Ticket sei ein entscheidender Baustein für die Mobilitätswende, sagte Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). Die Zukunft des Tickets müsse nachhaltig gesichert werden. "Wir müssen weg von dieser wiederkehrenden Hängepartie bis kurz vor Torschluss." Auch der Bund müsse das Ticket weiter mitfinanzieren. "Wir sollten weiter bei einer hälftigen Aufteilung aller Kosten bleiben."

Eine Preiserhöhung über 2025 hinaus werde man "mit Sicherheit" diskutieren müssen, sagte Lies. Aber es sei endlich eine langfristige Lösung mit einem für die Kunden nachvollziehbaren, klaren Preismechanismus nötig. "Fakt ist: Wenn wir über Preiserhöhungen sprechen, können wir die allgemeine Preissteigerung nicht komplett ausklammern. Aber sie müssen moderat und erklärbar bleiben, denn der Erfolg des Tickets hängt auch mit dem günstigen Preis zusammen."

Krischer sagte, der Ticketpreis hänge insbesondere von den Kostenentwicklungen sowie den Nutzerzahlen ab. "Zur preislichen Stabilisierung des Ticketpreises und möglichen tariflichen Weiterentwicklung sind somit auch höhere Ticketeinnahmen durch höhere Verkaufszahlen entscheidend. Eine langfristige Perspektive für das Ticket würde helfen, noch mehr Nutzer vom Ticket zu überzeugen." BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg sagte: "Eine neue Bundesregierung muss sich klar zum Ausbau des ÖPNV und eine dauerhafte Beibehaltung eines für alle bezahlbaren Deutschlandtickets bekennen."

SPD-Bundestagsfraktionsvize Detlef Müller sprach sich für eine Weiterentwicklung des Tickets aus, etwa durch deutschlandweit gültige Mitnahmeregelungen für Kinder und Fahrräder. Außerdem müsse der Kreis der Nutzer deutlich ausgeweitet werden, um die Deckungsbeiträge aus dem Ticketverkauf zu erhöhen. "Hierzu braucht es vor allem die Verlässlichkeit des Angebotes, aber auch eine Ausweitung von Jobticket-Angeboten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Einbindung weiterer Gruppen wie beispielsweise Auszubildende, Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie Seniorinnen und Senioren." (afp/dpa/bearbeitet von the)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.