Die Spieler des FC Bayern sind bis auf eine Ausnahme nicht gerade als Schwalbenkönige bekannt. Das gilt auch für Arturo Vidal, der mit seiner Flugshow das DFB-Pokalhalbfinale gegen Werder Bremen 20 Minuten vor Spielende quasi entschieden hatte. Der DFB lässt einmal mehr Gnade vor Recht ergehen und verpasst damit erneut eine Chance zur Aufwertung von Fairplay.

Ein Kommentar
von Michael Wollny

Arturo Vidal benötigte nach seiner Einwechslung in der 67. Minute gerade einmal drei Minuten, um das Halbfinale im DFB-Pokal gegen Werder Bremen für die Bayern zu entscheiden. Nicht allerdings durch seine spielerische Klasse. Vidal spielte falsch.

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Arturo Vidal ist kein Aaron Hunt

Ausgerechnet in einer Sturm-und-Drang-Phase der Gäste aus Bremen hob der Chilene im Strafraum nach einer gewagten Grätsche von Janek Sternberg theatralisch ab, zuckte in der Luft noch einmal nach, um die Täuschung perfekt zu machen – und wurde belohnt.

Schiedsrichter Tobias Stieler zeigte auf den Punkt und Thomas Müller verwandelte zum 2:0 für den FC Bayern. Der Bremer Widerstand war gebrochen, ein Spiel, das zu kippen drohte, auf unrühmliche Weise entschieden.

Beim Blick durch die Bayern-Brille und mit halb geschlossenen Augen könnte man Arturo Vidal vielleicht noch eine Schutzreaktion unterstellen – ein Abspringen, um einer möglichen Verletzung zu entgehen.

Doch wieso hatte Vidal die Sache dann nicht umgehend klargestellt? So wie einst Miro Klose oder Marius Ebbers. Im Profi-Sport trennt sich in solchen Momenten eben vor Millionen von Augenzeugen die charakterliche Spreu vom Weizen.

Schiri Stieler: "Es tut mir leid"

Selbst der Schiedsrichter zeigte nach Schlusspfiff mehr Größe als Bayerns kleiner Krieger: "Fehlentscheidung", stellte Tobias Stieler fest. "Es tut mir leid."

Doch das muss es nicht. Stieler muss sich nicht für eine Entscheidung entschuldigen, die er ohne Zeitlupe und Wiederholung im Bruchteil einer Sekunde zu treffen hatte.

Es wäre an Arturo Vidal, sich zu entschuldigen. Seine Schwalbe war kein Versehen – und spätestens der Verzicht auf eine Richtigstellung war vorsätzlich.

Dem Bremer Aaron Hunt war 2014 nach seinem Abflug im Nürnberger Strafraum dieser Sprung über den eigenen Schatten gelungen.

Hunt hatte sein Fehlverhalten beim Schiedsrichter eingeräumt, einen Strafstoß verhindert und war dafür von der Deutschen Olympischen Gesellschaft mit der Fairplay-Plakette ausgezeichnet worden.

Arturo Vidal ist kein Arjen Robben

Für Vidal spricht allein, dass ihm nicht der Ruf eines notorischen Elfmeterschinders wie etwa Teamkollege Arjen Robben anhaftet. Dennoch sollte der DFB nun nicht Gnade vor Recht ergehen lassen, sondern ein klares Zeichen gegen die Unsportlichkeit eines Einzelnen setzen.

Denn wenn Fairplay belohnt werden kann, dann sollte der offensichtliche Verstoß dagegen auch bestraft werden. Die Möglichkeit dazu besteht.

Doch die Sperre von zwei Spielen plus 10.000 Mark Strafe für die sogenannte "Jahrhundertschwalbe" des damaligen Dortmunders Andy Möller im April 1995 gegen den KSC ist eher die Ausnahme als die Regel.

DFB verpasst erneut eine Chance

Und so hat der DFB auch im Fall von Arturo Vidal bereits entschieden, was denn nun zu tun ist: nichts. Der gezielte Betrug wird einmal mehr als sportliche Tatsachenentscheidung bagatellisiert.

Der DFB verpasst somit erneut eine Chance, um dem Papiertiger Fairplay auf dem Platz endlich etwas mehr Biss zu verleihen.

Eine Sperre von Arturo Vidal für das Pokalfinale in Berlin wäre ein unmissverständliches Signal an alle zukünftigen Schwalbenschinder gewesen: Unsportlichkeit wird entlarvt und bestraft.

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