In Portugal und Italien sind Generäle als oberste Corona-Bekämpfer eingesetzt und verzeichnen große Erfolge. Nun folgt Deutschland diesem Modell. Die Ampelregierung setzt auf die psychologische Wirkung, dass endlich Entschiedenheit und Vertrauen ins politische Handeln kommt
In Portugal ist es der Konteradmiral der Marine, in Italien ein Gebirgsjäger-General. Beide hatten den gleichen Auftrag: die generalstabsmäßige Bekämpfung der Corona-Pandemie mit einer ordnenden Hand. Die ungewöhnliche Entscheidung der Regierungen in Rom und Lissabon, die wichtigste politische Führungsarbeit der Krise an einen Militär abzutreten, erweist sich als Glücksgriff. Henrique Gouveia e Melo in Portugal und Francesco Figliuolo in Italien sind mit ihren Missionen viel erfolgreicher als mancher Gesundheitsminister andernorts.
Unter Führung der Generäle als COVID-Krieger haben beide Länder ihre Impfkampagnen vorbildlich vorangetrieben, viel erfolgreicher als etwa Deutschland oder Österreich. Ausgerechnet Südeuropäer zeigen damit - wider alle Klischees - den Deutschen, wie man mit militärischer Disziplin und klarer Organisation zum Ziel kommt.
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Krieg gegen COVID-19 mit psychologischem Autoritätsaufbau
Sowohl Portugals Marine-Admiral als auch Italiens Gebirgsjäger sind inzwischen Volkshelden geworden. Beide haben sich Sympathie- und Vertrauenswerte erarbeitet, von den zivile Politiker nur träumen können. Die hohen Impfquoten beider Länder erklären sich auch damit, dass Militärs in Krisenlagen höheres Vertrauen genießen als Politiker, sie also die Impfkampagnen glaubwürdiger vorantreiben können.
Dabei haben beide von Anfang den psychologischen Autoritätsaufbau durch militärischen Stil gezielt eingesetzt. Admiral Gouveia e Melo tritt in grüner Kampfuniform vor die Öffentlichkeit und spricht grimmig von einem "Krieg gegen Covid", den Portugal zu gewinnen habe. Figliuolo wiederum zeigt sich im Gebirgsjägerhut mit weißer Gansfeder, auf der Brust prangen operettenreif über 20 Ordensbänder. Auch Gouveia e Melo zeigt seine Ordenssammlung demonstrativ in der Öffentlichkeit. Beide setzen auf Autorität und sprechen schnarrend-kauzig-klar und mit militärischem Pathos, als sei das 19. Jahrhundert wieder da.
Früher kommandierte Gouveia e Melo Fregatten und U-Boote. Im Februar übernahm er donnerschlagartig die Leitung der Impfaktion, die bis dahin schleppend vorangekommen war, von einem Zivilisten. "Diese Uniform ist ein Symbol für die Notwendigkeit, die Ärmel hochzukrempeln und das Virus zu bekämpfen", sagt er heute. Die Zeitung "Diário de Notícias" berichtet, dass der Admiral Portugal neuer "Rockstar" sei. Er werde in Lissabon auf offener Straße umjubelt von Menschen, die rufen "Danke, Vizeadmiral, für alles, was Sie für uns getan haben", oder um ein Selfie zu machen oder um ein Autogramm zu bitten.
Christian Lindner: "An der Spitze wird ein deutscher General stehen"
Auf Konferenzen erhält er stehende Ovationen und gibt Müttern sogar Ratschläge, wie man Kinder "zu einer organisierten und verantwortungsbewussten Persönlichkeit" erziehen sollte: "Man muss sie an der Marineschule anmelden, um eine militärische Laufbahn einzuschlagen. Und sie müssen normal sein, ein gutes Gefühl für die Gemeinschaft haben, die Hoffnung haben, etwas zu tun, nicht nur für sich selbst, sondern für alle", verkündet Gouveia e Melo und bringt Portugals uralten Nationalstolz auf die große Marine zum Schwingen.
Die beiden Generäle haben die logistischen Muskeln des Militärs spielen und demonstrativ große Impfzentren - zum Teil in Sportarenen - mit militärischem Look aufbauen lassen. Auch das sollte Vertrauen schaffen. Und als die erste Selbstzufriedenheit über die Impfkampagne aufkam, konterte der Admiral das mit martialischen Sätzen wie: "Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber ich weiß nicht, ob wir den Krieg gegen das Virus gewonnen haben. Das ist ein Weltkrieg."
Der verblüffende Erfolg der beiden Generäle hat in Berlin dazu geführt, dass die neue Ampelregierung dieses Modell nun kopieren will. Der FDP-Vorsitzende
Carsten Breuer ist ein militärisches Multitalent
Für die Ampelregierung soll diese Personalie ein Befreiungsschlag werden, um Handlungsmacht, Entschiedenheit und Führungskommunikation zu demonstrieren. Der 56-jährige Generalmajor Carsten Breuer koordiniert bereits seit 2020 die Bundeswehr-Einsätze zur Pandemie-Bekämpfung. Dazu gehört die Nothilfe von mehreren Tausend Soldaten in Gesundheitsämtern, Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Unter seinem Kommando half die Bundeswehr bei Schnee- und Hochwasserkatastrophen. Er kann Krise und schnelle Reaktion. Nun soll der Generalmajor das angeschlagene Bild Deutschlands im Krisenmanagement reparieren.
Wie sein italienischer Kollege ist auch Breuer ein Spezialist für Logistik, wie Figliuolo hat auch Breuer in Afghanistan gedient, beide sind Familienväter der Babyboomer-Generation. Carsten Breuer stammt aus Iserlohn im Sauerland, er ging direkt nach dem Abitur 1984 zur Truppe und studierte an der Bundewehr-Universität in Hamburg Pädagogik. Nach seinem Generalstabslehrgang in den USA wurde er 2002 Stabschef der Panzergrenadierbrigade 41 in Torgelow. Breuer gilt als militärisches Multitalent und hat eine ungewöhnliche breite Einsatzbiografie. Er war KFOR-Kommandeur im Kosovo, Adjutant im Brüsseler Nato-Hauptquartier, im Führungsstab des Verteidigungsministeriums, er leitete ein Panzerflugabwehrbataillon, 2014 diente er in der afghanischen Hauptstadt Kabul und zwischenzeitlich war er Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 37 im sächsischen Frankenberg.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) entdeckte Breuers kommunikative Seite und machte ihn verantwortlich für das Weißbuch. Seit 2018 leitet er das Kommando Territoriale Aufgaben in Berlin, das für Einsätze der Streitkräfte im Inland zuständig ist. Nun soll er der verfahrenen deutschen Corona-Politik neues Profil geben. Breuer übernimmt den Job genau an seinem 57. Geburtstag. Von seinem italienischen Kollegen könnte er die ebenso einfache wie entschiedene Losung übernehmen: "Wir impfen jeden, der des Weges kommt!"
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