• 2023 wird in Deutschland das Bürgergeld eingeführt.
  • Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat der Sozialreform zugestimmt.
  • Sie soll das bisherige Hartz-IV-System ablösen.

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Erst hatte sich der Vermittlungsausschuss geeinigt, nun haben Bundestag und Bundesrat die Einführung des Bürgergelds beschlossen. Damit kann die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Die Sozialreform ist ein zentrales Projekt der Ampel-Koalition und soll das bisherige Hartz-IV-System ablösen. Zum 1. Januar steigen die Bezüge in der Grundsicherung um 53 Euro. So erhalten Alleinstehende künftig 502 Euro.

Wesentliche Teile der Reform treten erst zum 1. Juli in Kraft. Die Jobcenter sollen sich stärker um Arbeitslose kümmern können. Besser als bisher soll die Vermittlung in dauerhafte Arbeit anstatt in einfache Helferjobs gelingen.

Dazu sollen die Betroffenen in verstärktem Maß weiterqualifiziert werden oder eine Ausbildung oder Umschulung antreten. Gestrichen werden sollen viele sogenannte Rechtsfolgenbelehrungen, die Post vom Jobcenter bisher für viele abschreckend wirken ließ. Außerdem dürfen die Empfängerinnen und Empfänger der Grundsicherung künftig mehr hinzuverdienen – zum Beispiel mit einem Minijob.

Zustimmung im Bundesrat fällt mit großer Mehrheit aus

Den Beschlüssen war ein Vermittlungsverfahren von Bundestag und Bundesrat vorausgegangen. Die Union hatte die ursprünglichen Pläne der Ampel-Koalition abgelehnt. CDU und CSU bemängelten, dass Arbeitslose zu wenig zu eigener Mitwirkung angehalten werden sollten. Die Balance von Fördern und Fordern sah die Union nicht mehr gewahrt. Im Bundesrat fiel das Bürgergeld deshalb zunächst durch.

Die Union konnte darauf in Vermittlungsgesprächen deutliche Abstriche an den Reformplänen der Ampel-Koalition durchsetzen. So wurde insbesondere die weitgehend sanktionslose Zeit für Arbeitssuchende während der ersten sechs Monate gestrichen und das Schonvermögen für Bürgergeld-Bezieher von 60.000 auf 40.000 Euro reduziert.

Im Bundestag votierten die Ampel-Fraktionen und die Union nun für die Vorlage, AfD und Linke stimmten dagegen. In namentlicher Abstimmung votierten 557 Abgeordnete für das Gesetz, 98 waren dagegen bei zwei Enthaltungen. Die anschließende Zustimmung im Bundesrat erfolgte mit großer Mehrheit der Länder.

Dass die Ampel-Parteien trotz der vielen Abstriche den Kern der Bürgergeld-Reform gerettet sehen, liegt auch am Wegfall des sogenannten Vermittlungsvorrangs. Das Bürgergeld soll anders als Hartz IV auf langfristige Beschäftigung setzen anstatt auf die schnelle Vermittlung auch in Aushilfsjobs. Dies gilt insbesondere für die Zeit, in der eine Weiterbildung gemacht wird.

Scholz sieht Bürgergeld als Meilenstein der Sozialpolitik

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht im geplanten Bürgergeld eine sozialpolitische Zäsur. "Diese Reform ist ein Meilenstein der Sozialpolitik in Deutschland", sagte der SPD-Politiker dem Magazin "Focus". Es gehe darum, jene bei der Arbeitsplatzsuche zu unterstützen, die ihren Job verloren haben.

"Diese Reform stellt die Hilfe für ungelernte Langzeitarbeitslose in den Vordergrund", betonte Scholz. Er sei stets zuversichtlich gewesen, dass diese Reform durchgesetzt werden könne.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verwies in der Länderkammer auf den Kern des Sozialstaates, dass es immer um "Schutz und Chancen" gehe. Mit dem Bürgergeld könne dieser Grundsatz erneuert werden, sagte Heil.

Haseloff sieht "Sternstunde der Demokratie"

Im Bundesrat nannte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die erzielte Einigung eine "Sternstunde der Demokratie". Er hob das deutsche System hervor, das auf Ausgleich und Kompromissbereitschaft setze.

Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) lobte das "schnelle und über Parteigrenzen hinweg gefundene Ergebnis". Die Anrufung des Vermittlungsausschusses habe nichts mit Blockade zu tun, betonte er. Trotz mitunter weit auseinandergehender Vorstellungen sei es gelungen, "einen guten und unterschiedliche Interessen berücksichtigenden Kompromiss zu erarbeiten". Das Bürgergeld werde "für viele Menschen in Deutschland eine spürbare Verbesserung bringen".

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nannte als den für sie "allerwichtigsten Punkt" den Wegfall des Vermittlungsvorrangs. Das gebe den Betroffenen "das Recht und die Möglichkeit", sich zu qualifizieren und sogar eine Ausbildung zu machen.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte an die Adresse der CDU/CSU, die Debatte sei "leider vergiftet geführt worden". Es sei die Behauptung im Raum gestanden, dass sich mit dem Bürgergeld Arbeit nicht mehr lohne. "Das stimmt nicht", betonte Schwesig. In einem sozialen Staat müsse sich Arbeit immer lohnen, das wäre auch mit dem ursprünglichen Entwurf der Ampel-Parteien so gewesen. (dpa/AFP/ank)

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