Deutschland verschärft seinen Kurs beim Thema Migration. Dazu sollen auch die Grenzkontrollen ausgeweitet werden. Manch einem Nachbarland gefällt das wenig. In einem Brief informiert Innenminister Faeser nun darüber, warum der Schritt aus ihrer Sicht notwendig ist.
Bundesinnenministerin
Die Ressourcen von Bund und Ländern zur Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen seien "nahezu erschöpft" und stießen "an die Grenzen des Leistbaren", schrieb Faeser nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP. Eine "Überforderung des (solidarischen) Gemeinwesens" müsse verhindert werden.
"Die Schaffung zusätzlicher Unterkünfte ist nicht unbegrenzt möglich", schrieb Faeser in dem Schreiben, das auf den Montag datiert ist, als die Ministerin die Ausweitung der Grenzkontrollen angekündigt hatte. "Kein Staat der Welt kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen." Und der Migrationsdruck werde voraussichtlich "unvermindert hoch bleiben".
"Neben Gefahren durch den islamistischen Terrorismus" hätten "zuletzt Vorfälle von Messer- und Gewaltkriminalität durch Geflüchtete zu einer massiven Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls und des inneren Friedens geführt", fuhr Faeser fort.
Sie kritisierte dabei auch "die zunehmende Dysfunktionalität" des sogenannten Dublin-Systems in Europa – also die Vereinbarung, dass Flüchtlinge in dem Land ihren Asylantrag stellen müssen, wo sie als erstes europäischen Boden betreten. Die Ministerin appellierte an Brüssel, "dass wir gemeinsam weiterhin energisch und kraftvoll daran arbeiten, hier sichtbare und rasche Fortschritte zu erzielen".
Faeser will "massive Ausweitung der Zurückweisungen"
Der Messeranschlag von Solingen Ende August hatte auch die europäischen Dublin-Verfahren in den Fokus gerückt. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, hätte eigentlich schon im vergangenen Jahr nach Bulgarien überstellt werden sollen, wo er zuerst in die EU gekommen war. Er wurde aber von den Behörden nicht in seiner Unterkunft angetroffen, die danach offenbar keinen neuen Versuch unternahmen.
Faeser erhofft sich nach Angaben vom Montag von den ausgeweiteten Grenzkontrollen auch eine "massive Ausweitung der Zurückweisungen" vor der Einreise nach Deutschland. In ihrem Schreiben an die EU erwähnte die Ministerin dieses Ziel nicht, sondern verwies insbesondere auf die Bekämpfung der Schleuserkriminalität.
Bisher gab es vorübergehende stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz. Sie werden nun ab Montag bis vorerst Mitte März auf alle Landgrenzen ausgeweitet. Deutschland muss dabei die EU-Kommission informieren, diese muss aber nicht ausdrücklich zustimmen.
Nachbarn kritisieren Deutschlands Vorgehen
In den Nachbarländern wurden die ausgeweiteten Kontrollen Deutschlands teils kritisch aufgenommen. "Ein solches Vorgehen ist aus polnischer Sicht inakzeptabel", sagte Polens Regierungschef Donald Tusk am Dienstag mit Blick auf Pläne der Bundesregierung. Tusk kündigte "dringende Konsultationen" mit anderen "Nachbarn Deutschlands" an, die von den Plänen betroffen seien.
Im Vorgehen gegen irreguläre Migration seien nicht Kontrollen an den EU-Binnengrenzen nötig, sondern ein besserer Schutz der Außengrenzen, sagte Tusk. "Polen braucht eine stärkere Beteiligung anderer Länder wie etwa Deutschland an der Kontrolle und Sicherung der EU-Außengrenzen", betonte er.
Auch Österreich hatte wiederholt Widerstand angekündigt und betont, das Land werde keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen würden. Der Nachbar habe zwar das Recht, Menschen zurückzuschicken, wenn ein anderes EU-Land für den Asylantrag zuständig sei. Dafür seien aber ein formelles Verfahren und die Zustimmung des betroffenen Mitgliedsstaates nötig, hieß es aus Wien.
Bei einer Generaldebatte im Bundestag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz betont, man wollen an den verschärften Grenzkontrollen festhalten, auch wenn es mit den Nachbarn schwierig werde. "Ich finde, da müssen wir durch, das ist jetzt notwendig, dass wir diesen Streit auch aushalten", sagte der SPD-Politiker. (afp/dpa/bearbeitet von thp)
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