Die FDP startet mit dem traditionellen Dreikönigstreffen ins neue Jahr. Auch wenn die Mitglieder für einen Verbleib in der Ampel gestimmt haben: Es dürfte weiter in der Koalition rumoren – und die Aussichten für die Liberalen in 2024 sind trübe.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Hartmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Am Ende ist alles nochmal gutgegangen. Die FDP ist eine staatstragende Partei, eine – wenn auch knappe – Mehrheit hat sich beim Mitgliederentscheid für den Verbleib in der Ampel ausgesprochen. Wenn Parteichef Christian Lindner am Samstag beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen auf der Bühne im Stuttgarter Opernhaus steht, hat er zumindest eine Sorge weniger. Die Koalition steht.

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Also abhaken und nach vorne schauen?

Ganz so einfach wird es für Lindner und die FDP-Führung nicht. Dafür war das Ergebnis der Mitgliederbefragung zu dürftig. Immerhin 48 Prozent haben dafür votiert, das ungeliebte Bündnis mit SPD und Grünen aufzukündigen – wohlgemerkt ohne zu wissen, was danach kommt.

Nur 1170 Stimmen trennten Ampel-Gegner und -Befürworter

Natürlich: An der Abstimmung haben sich nur rund 26.000 der etwa 72.000 FDP-Mitglieder beteiligt, also knapp 36 Prozent. Darauf kann auch Lindner verweisen. Andererseits: Die Ampel-Befürworter konnten ebenfalls nicht für die Abstimmung mobilisieren – und lediglich 1170 Stimmen trennten sie zum Schluss von den Gegnern. Eine hauchdünne Entscheidung.

Eine Lesart: Die FDP bekennt sich zwar zur Ampel. Doch sie will, ja muss noch mehr Profil zeigen. So hat es Lindner bereits angekündigt. Und das wünscht sich auch der Parteinachwuchs: "Es ist jetzt die Zeit, um gemeinsam daran zu arbeiten, liberale Inhalte in Deutschland lautstark zu vertreten", sagte die Vorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis), Franziska Brandmann, unserer Redaktion.

Die ersten Pflöcke kann der FDP-Chef in Stuttgart einschlagen. Dreikönig ist für die Partei der Start ins politische Jahr. Und Stuttgart ein Ort der Selbstvergewisserung. Für Lindner geht es darum, einerseits das Regierungshandeln wohldosiert zu verteidigen, andererseits aber auch auf die vielen Unzufriedenen in der Partei zuzugehen – und rote Linien in der Ampel noch einmal kräftiger nachzuziehen. Nein zu Steuererhöhungen, kein Tempolimit und erst recht kein Aufweichen der Schuldenbremse.

Diskussion um Schuldenbremse reißt nicht ab

Im Haushaltsstreit mit SPD und Grünen hat sich der FDP-Chef zuletzt durchgesetzt, die Schuldenbremse soll in diesem Jahr wieder greifen. Eine Hintertür allerdings gibt es: Sollte die Ukraine in ihrem Verteidigungskampf gegen Russland doch mehr Hilfe benötigen, könnte das Regelwerk erneut ausgesetzt werden. Doch damit ist die Diskussion nicht beendet. Angesichts der angespannten Hochwasserlage in Teilen Deutschlands mehren sich die Stimmen bei SPD und Grünen, die schon jetzt am liebsten die Notlage erklären würden, um die Schuldenbremse zu umgehen. Für die FDP, die sich als Garant solider Staatsfinanzen sieht, ist das undenkbar.

Insofern kann Lindner das knappe Ergebnis beim Mitgliederentscheid noch nützlich sein. Das Rumoren in der Partei war schon vorher unüberhörbar, jetzt ist es schwarz auf weiß dokumentiert. Wünsche der Koalitionspartner lassen sich mit Blick auf die angespannte Stimmung an der Basis nun noch energischer zurückweisen. Oder wie es Parteivize Wolfgang Kubicki im "Deutschlandfunk" ankündigte: Die FDP müsse in der Koalition "durchsetzungsstärker" werden. Im Zweifel also: mehr Konfrontation in Richtung SPD und Grüne wagen.

Ob das den Liberalen hilft? Daran bestehen zumindest Zweifel. "Die Ampel wird eben nur als Ganzes wahrgenommen. Das heißt, wenn sie funktioniert, nützt es allen, und wenn nicht, dann zahlen alle Partner den Preis", sagte Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP) unserer Redaktion. Der Altliberale findet, dass es zur aktuellen Koalition ohnehin keine Alternative gebe.

Auch JuLi-Chefin Brandmann sagt: "Die FDP ist eine Regierungspartei und als solche gestaltet ihre Fraktion gemeinsam mit den Koalitionspartnern Politik." Das klingt deutlich versöhnlicher als bei manchem Parteifreund. Natürlich, schiebt Brandmann hinterher, sei es richtig, dass die FDP eine Partei mit "eigenen Ideen und Reformvorschlägen" sei und auch Dinge vertreten müsse, "die es vielleicht nicht in den Koalitionsvertrag geschafft haben". Wenn man so will: Profilbildung ja, aber mit der Ampel und nicht gegen sie.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die FDP inzwischen in allen Umfragen in Richtung fünf Prozent abgesackt ist. Gefährlich nahe an der Todeszone – und das parlamentarische Aus vor Augen – wird das Regieren nicht einfacher. Dass Umfragen keine Wahlergebnisse sind, ist zwar eine politische Binse. Sie können aber sehr wohl Stimmungen beflügeln. Oder dämpfen. Im Fall der FDP heißt das: Schwung geben die aktuellen Zahlen, um es vorsichtig auszudrücken, ganz sicher nicht. Und das in einem Jahr, das für die Liberalen ohnehin extrem schwer wird.

FDP droht bei Ost-Landtagswahlen ein Debakel

Im Juni steht die Europawahl an, bei der die FDP mit der Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann immerhin ein politisches Schwergewicht zur Spitzenkandidatin gemacht hat. Dann aber kommen die drei Ost-Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September. Hier droht ein Debakel. In Sachsen kamen alle drei Ampel-Parteien zusammen in einer Umfrage für die "Sächsische Zeitung" zuletzt auf elf Prozent – die FDP auf gerade mal ein Prozent. Auch in Thüringen und Brandenburg dürfte es mit dem Einzug in die Landtage eng werden.

Dass der Osten für die Liberalen schweres Terrain ist und Niederlagen gemeinhin eingepreist werden müssen, ist zwar bekannt. Doch sollten alle Abstimmungen dieses Jahr desaströs enden, könnte dies eine Entwicklung in Gang setzen, die für die Ampel insgesamt nichts Gutes verheißt. Die Zerfallserscheinungen in der schon jetzt zerrütteten Koalition könnten sich nochmals beschleunigen, die Ampel-Gegner bei den Liberalen wieder lauter werden. Zumal die Bundestagswahl dann nur noch ein Jahr entfernt ist und jede Partei für sich kämpft – und die FDP ums Überleben.

JuLi-Chefin fordert: Die Aktienrente muss kommen

Ampel-Dämmerung? Die wird der Parteichef in der Stuttgarter Oper am Samstag ganz sicher nicht heraufbeschwören. Was aber fehlt, ist eine positive Erzählung. Dabei gibt es durchaus Projekte, für die die FDP steht. Und die noch nicht umgesetzt sind. Etwa die Aktienrente. Dafür haben viele Menschen, gerade jüngere, die Liberalen bei der letzten Bundestagswahl gewählt. "Wenn wir das Rentensystem nicht stabilisieren, macht es keiner", sagte JuLi-Chefin Brandmann unserer Redaktion.

"Wir müssen die Rente mit 63 abschaffen und die Aktienrente einführen"

Franziska Brandmann, JuLi-Vorsitzende

"Warum die Bundesregierung sich gerade bei einem so dringlichen Thema wie der Stabilisierung des Rentensystems so viel Zeit lässt, ist allein ihr Geheimnis", so Brandmann. Ihre Erwartung: "Ich hoffe, dass Christian Lindner in Stuttgart verkünden wird, wann die Aktienrente kommt". Aus Sicht der JuLis sind die Prioritäten klar: "Wir müssen die Rente mit 63 abschaffen und die Aktienrente einführen".

Auch in der Bildungspolitik sei es Zeit für eine Bund-Länder-Reform, sagt Brandmann. Im Wahlkampf noch hat die FDP "weltbeste Bildung für jeden" versprochen. Inzwischen stellt die Partei die Bildungsministerin, doch um das Thema ist es ruhig geworden.

Und dann ist da noch China, das immer offener als Systemrivale auftrete. Es sei Zeit für eine "selbstbewusste Strategie" gegenüber dem Reich der Mitte, sagt Brandmann. Staatskonzernen wie Huawei etwa müsse der Zugriff auf europäische Mobilfunknetze verboten werden. Für die JuLis wünscht sich Brandmann "eine Partei, die vor Ideen- und Tatendrang fast platzt".

Auf Christian Lindner ruhen am Samstag viele Erwartungen.

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