Mehr als hundert EU-Abgeordnete haben sich einem Medienbericht zufolge in einem offenen Brief an die Briten gewandt. Sie rufen das Land dazu auf, auf den EU-Austritt zu verzichten. Indes warnen deutsche Wirtschaftsvertreter vor den Folgen eines ungeregelten Brexits für Deutschland.
Vor der entscheidenden Brexit-Abstimmung in London werben einem Medienbericht zufolge mehr als hundert EU-Abgeordnete in einem offenen Brief an die Briten für einen Verzicht auf den EU-Austritt des Landes.
"Wir bitten darum, im Interesse der nächsten Generation den Austritt zu überdenken", zitieren die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben) aus einem Entwurf des Schreibens, das demnach Anfang der Woche in Großbritannien veröffentlicht werden soll.
Sollte Großbritannien entscheiden, den Austrittsantrag zurückzuziehen, würden die EU-Abgeordneten das unterstützen: "Jede britische Entscheidung, in der EU zu bleiben, würde von uns sehr begrüßt und wir würden mit Ihnen zusammenarbeiten, um die Europäische Union zu reformieren und zu verbessern."
Briten sind "herzlich willkommen"
Die Abgeordneten schreiben weiter, sie hätten "den enormen Einfluss der britischen Politiker und Bürger in den vergangenen 40 Jahren sehr geschätzt. Wir würden das außergewöhnliche Know-how unserer britischen Kollegen vermissen."
Der Europaabgeordnete und Mitunterzeichner Peter Liese (CDU) sagte den Funke-Zeitungen: "Wir wollen ein Zeichen an die Bevölkerung und damit auch an das Unterhaus senden und klar machen: Wenn die Briten sich entscheiden zu bleiben, sind sie herzlich willkommen."
Einige "Kleinigkeiten" müssten in einem solchen Fall geändert werden, sagte Liese. Das sei aber zu vernachlässigen gegenüber dem "riesigen Schaden", der bei einem Brexit und besonders einem ungeregelten Austritt entstehe.
Das britische Parlament wird am Dienstag in einem entscheidenden Votum über das Brexit-Abkommen zwischen London und Brüssel abstimmen. Eine Ablehnung gilt als sehr wahrscheinlich.
Die britische Premierministerin
Dabei hält sie einen Stopp des EU-Austritts für wahrscheinlicher als einen Ausstieg ohne Deal. Das berichtete die britische Nachrichtenagentur PA am frühen Montagmorgen unter Berufung auf ein ihr vorliegendes Redemanuskript Mays.
EU bereitet sich auf Verschiebung des Brexits vor
Die EU bereitet sich indes einem Medienbericht zufolge auf eine Verschiebung des Austritts vor. Der britische "Guardian" schrieb in seiner Online-Ausgabe unter Berufung auf hohe EU-Beamte, Brüssel halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Frist eingehalten werden könne.
Grund sei der starke heimische Widerstand gegen das Brexit-Abkommen, dem sich die Premierministerin gegenüber sehe.
Man erwarte, dass London in den kommenden Wochen eine Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 der EU-Verträge beantragen werde, hieß es weiter. Eine "technische" Verlängerung bis Juli wäre ein erster Schritt, um May Extrazeit zu geben, das jetzige Abkommen zu überarbeiten und bestätigen zu lassen.
Sollte May politisch überleben und mitteilen, dass sie mehr Zeit brauche, werde ihr der Aufschub bis Juli angeboten, zitierte das Blatt einen EU-Beamten.
Der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen für die Europawahlen im Mai,
"Die Deadline 29. März 2019 ist von der britischen Regierung selbst gewählt", sagte Weber der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe). "Wenn es zu einer Frist-Verlängerung kommt, sagen wir: Nicht über die Europawahl hinaus."
Vorkehrungen für einen chaotischen Brexit
Deutsche Wirtschaftsvertreter warnten vor der Abstimmung vor einem ungeregelten Brexit. "In Deutschland hängen ungefähr 750.000 Arbeitsplätze vom Handel mit Großbritannien ab.
Ohne Deal würden zusätzlich Millionen an Zollanmeldungen und Milliarden an Zöllen fällig", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, den Funke-Zeitungen. Zudem würden Produktionsabläufe und Lieferketten unterbrochen.
Großbritannien müsse Vorkehrungen für einen chaotischen Brexit treffen, forderte Schweitzer. Die No-Deal-Vorkehrungen der EU zum Beispiel bei Flugverbindungen oder bei Lizenzen im Güterkraftverkehr seien sinnvoll.
Besorgt äußerte sich auch der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Holger Bingmann. "Scheitert der Deal, wären die Auswirkungen auf beiden Seiten, sowohl in Großbritannien als auch in Europa und da insbesondere Deutschland, massiv", sagte Bingmann den Funke-Zeitungen. "Aufgrund der knappen Zeit bis zum Stichtag wird ohnehin viel Chaos entstehen, das auch den Handel stark betrifft." (ff/afp/dpa)
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