Noch ist unklar, ob Horst Seehofer das Amt des Ministerpräsidenten wirklich an seinen Erzfeind Markus Söder abgibt. Doch die CSU steht vor einer Aufgabe, die sich ohnehin nicht allein mit einer Personalrochade lösen lässt.
Eine Lösung in "Kameradschaft und Harmonie" sollte es werden, hatte Horst Seehofer am Donnerstag angekündigt. Dass der Weg dorthin einer politischen Blutfehde geglichen hatte, weiß die Öffentlichkeit nur zu gut.
Die CSU hat die ganze Republik teilhaben lassen an ihrem Machtkampf, den nun ein Beratergremium schlichten soll: Die CSU-Größen
Dementiert hat die CSU hingegen eine Meldung des Bayerischen Rundfunks, wonach Herausforderer Markus Söder das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten übernehmen,
Doch egal, wie das Ergebnis am Ende genau aussieht – eine Personalrochade allein löst nicht die großen Aufgaben, vor der die Partei steht: Sie muss bei den Landtagswahlen im Herbst und vielleicht auch in Neuwahlen zum Bundestag den Abwärtstrend stoppen, um ihre Identität zu bewahren.
Das Wichtigste ist die Hausmacht
Das Selbstverständnis der CSU reichte immer über Bayern hinaus. Sie sah sich von Anbeginn als "bayerische Interessenvertretung" in Berlin, wie Gerhard Hirscher von der parteinahen Hanns-Seidel-Stiftung in einem Aufsatz 2012 formulierte.
Nicht nur im Bund, auch in Europa will die CSU bayerische Standpunkte einbringen – das kann sie allerdings nur dann glaubhaft tun, wenn sie als starke Partei in Bayern die Regierung anführt.
Deswegen, so Hirscher, sei es für die CSU immer von zentraler Bedeutung gewesen, zuallererst bei den Landtagswahlen überzeugende Ergebnisse einzufahren. Nur der Status als bayerische Volkspartei legitimiert ihre Sonderrolle in Berlin und Brüssel.
Seit Ende der 60er Jahre fuhren die Christsozialen regelmäßig mehr als 50 Prozent der Stimmen ein, 2008 verloren sie mit 43,3 Prozent erstmals seit 40 Jahren die absolute Mehrheit im Freistaat - ein politisches Erdbeben.
Zwar konnte Horst Seehofer nach 2013 mit 47,7 Prozent wieder allein regieren, doch das katastrophale Ergebnis bei den Bundestagswahlen im September ließ die Partei aufschrecken.
Nur 38,8 Prozent der Bayerischen Wähler machten ihr Kreuz bei der CSU - das schlechteste Ergebnis seit 1949 und ein denkbar ungünstiges Vorzeichen für die Landtagswahlen im Herbst 2018.
Seit diesem Abend des 24. September hat sich die parteiinterne Opposition auf Seehofer eingeschossen.
Die Bundespolitiker gegen die Landespolitiker
Die sitzt vor allem in der Landtagsfraktion, während der Parteivorstand mit Seehofer-Getreuen wie Alexander Dobrindt, Generalsekretär Andreas Scheuer sowie dem Ehrenvorsitzenden Theo Waigel besetzt ist.
Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung, schildert den Machtkampf in einem Interview mit der "SZ" heute als Kampf der Bundespolitiker gegen die Landespolitiker.
Seehofer habe im Landtag noch nie viele Freunde gehabt, er vermittle den Eindruck, "dass er sie nicht für die Allerhellsten hält. Einige von denen wollen sich rächen."
Die Galionsfigur der Fraktion im Landtag:
Während Seehofer in Berlin über Jamaika sondierte, ließ Söder sich publikumswirksam von der Jungen Union feiern. Die Unterstützer Seehofers ätzten, Söder sei nur ein "Kriegsgewinnler", der weder das Format für einen Parteichef noch für einen Ministerpräsidenten habe.
Das ist der Ton, der in der Partei zurzeit herrscht. Die stellvertretende Ministerpräsidentin
Bei der Sitzung gestern hat sie nach eigenem Bekunden eine Entschuldigung bekommen. Von wem, sagte sie nicht.
Zuvor gab es heftige Kritik an den internen Streitigkeiten: Umweltministerin Ulrike Scharf erklärte, der Umgang innerhalb der CSU widere sie an. "Die Stimmung ist aufgeheizt, aber das entschuldigt nicht diesen Stil, es reicht."
Die Partei steht vor einer Zerreißprobe. Sie wieder zu einen, wird eine Herkulesaufgabe. Eine schon traditionelle Frontlinie verläuft zwischen den Regionalverbänden, die man immer mitdenken muss. Aigner stammt aus Oberbayern, Söder ist Franke, von dort kommen auch die Attacken auf die stellvertretende Ministerpräsidentin.
Verjüngung mit Söder
Nur am Rande geht es im aktuellen Machtkampf darum, wie sich die Partei inhaltlich aufstellen will. Horst Seehofer, daran erinnerte der Marburger Politikwissenschaftler Georg Fülberth im "Freitag", stand früher symbolisch für die Fähigkeit der CSU, sowohl Positionen der SPD als auch der CDU zu vereinen. Er war früher Vorsitzender der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft und des Sozialverbands VdK.
Allerdings hätte die CSU wie alle Volksparteien Probleme, die neuen Gegensätze zwischen Globalisierung und Nationalismus zu kitten. Sie entschied sich im Wesentlichen für einen Rechtsruck, die Obergrenze wurde zum Markenkern der CSU – und trotzdem verlor sie massenhaft Stimmen an die AfD.
Welche Konsequenzen sie daraus zieht, das wird eine der zentralen Fragen für die Zukunft sein. Allerdings auch, wie sie ihre überalterte Wählerschaft, die sich weiterhin auf den ländlichen Raum konzentriert, verbreitern könnte. Um die jungen, urbanen Wähler zu gewinnen, kann die Verjüngung mit dem 50-jährigen Markus Söder ein Trumpf sein.
Als inhaltliche Alternative hat sich der designierte Ministerpräsident bislang nicht vorgestellt. Auch er besteht auf die Obergrenze und eine restriktive Asylpolitik, die in einer Jamaika-Koalition nur schwerlich durchzusetzen gewesen wäre.
So gesehen hat das jähe Ende der Sondierungen Seehofer noch einmal gestärkt. Er kehrte zwar mit leeren Händen nach München zurück, aber nicht geschlagen. Sein Gewicht in der Bundespolitik bleibt. Das hat ihm wohl auch die Macht gesichert, einen Putsch zu verhindern und die Entwicklung der CSU in den nächsten Monaten mitzugestalten.
Bleibt Seehofer auf dem Parteitag in Nürnberg am 16. und 17. Dezember Parteichef, kann er in aller Ruhe beobachten, wie sich Söder bei den Landtagswahlen als Spitzenkandidat schlägt.
Die Aufgabe wird hart: In einer Erhebung des Instituts Insa im Auftrag der "Bild"-Zeitung vom Montag kommt die CSU nur noch auf 37 Prozent der Wählerstimmen – das ist ein noch schlechterer Wert als am 24. September.
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