Zum ersten Mal hat der Bundestag am Mittwoch einen Antrag mithilfe der Stimmen der AfD beschlossen – SPD, Grüne und Linke kritisieren Friedrich Merz, der den Antrag für eine verschärfte Migrationspolitik eingebracht hatte. Das sagen unsere Leserinnen und Leser zu der Abstimmung im Parlament.

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Die Mehrheit war knapp, aber folgenschwer. Auch wenn der Antrag keine direkte Auswirkung auf die Politik hat, war die Abstimmung dennoch – um im Wortlaut der Regierungsparteien zu bleiben – eine Zäsur. 344 Abgeordnete stimmten am Mittwoch im Bundestag gegen den Antrag von CDU/CSU, die Migrationspolitik zu verschärfen – 348 stimmten dafür. Unter ihnen: die Abgeordneten der AfD, die damit erstmals für eine Mehrheit sorgten.

Die AfD feierte nach dem angenommenen Antrag; SPD, Grüne und Linke kritisierten Friedrich Merz: Er habe damit sein Versprechen gebrochen, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. Merz verteidigte sich: Er suche "keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlaments", sagte der Kanzlerkandidat der Union im Anschluss an die Abstimmung. Seidem reißt die Diskussion nicht ab – und am Freitag steht bereits die nächste Entscheidung an: Die Union stellt im Bundestag ihr "Zustrombegrenzungsgesetz" zur Abstimmung – das erneut mithilfe der Stimmen der AfD angenommen werden könnte.

Die Kirchen, Ex-Kanzlerin Angela Merkel, Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden – viele Stimmen aus der Zivilgesellschaft schalten sich seit Mittwoch in die Debatte ein. Auch unsere Leserschaft bewegt die Frage, ob diese Abstimmung nun "ein völlig normaler Vorgang" war, wie ein Leser schreibt – oder "völlig unnötig", wie ein anderer meint. In diesem Beitrag dokumentieren wir eine Auswahl der Zuschriften, die uns erreicht haben.

"Wohin führt uns dieser Weg? In ein Deutschland der 30er-Jahre?"

  • "Mit diesem Antrag hat die CDU sich auf einen Weg begeben, der der AfD noch mehr Stimmen bringen wird. Natürlich muss etwas geschehen, damit sich die schrecklichen Taten von kurz vor Weihnachten in Magdeburg und jetzt in Aschaffenburg nicht wiederholen. Und ja, die Bevölkerung ist durch diese Taten verschreckt und in großen Teilen verunsichert. Aber ist das Durchsetzen eines in vielen Teilen rechtswidrigen Antrags mithilfe einer – vom Verfassungsschutz festgestellten – in Teilen rechtsradikalen Partei in Deutschland der richtige Weg? Wohin führt uns dieser Weg? In ein Deutschland der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts? Wo sind die Politiker, die sich gegen den Rechtsruck in diesem Land stemmen? Wo ist das Miteinander der Parteien der Mitte bei solch wichtigen Themen wie der Asylpolitik? Der bittere Beigeschmack, den der gestrige Tag hinterlassen hat, wird bleiben." (Brigitte, 69 Jahre, Schmitten)
  • "Die AfD-Abgeordneten im Bundestag haben frohlockt. Sie sind überzeugt, jetzt habe eine neue Zeit begonnen. Der unselige Friedrich Merz als Steigbügelhalter hat das möglich gemacht. Es erinnert manches an die 1920er- und 1930er-Jahre. Ich wünsche uns und den nachfolgenden Generationen, dass die Machtträume der AfD nicht wahr werden." (Klaus, 75 Jahre, Frankfurt am Main)
  • "Friedrich Merz muss sich fragen lassen, warum er immer wieder an den Leimruten der AfD kleben bleibt. So schrecklich die vielzitierten Morde auch sind – es war völlig unnötig, quasi auf den letzten Drücker diese Aktion ins Parlament zu drücken. Hier sind sich doch alle Parteien im Grunde einig. Herr Merz hatte doch eben noch gute Chancen, in ein paar Tagen eine neue Regierung anzuführen und willige Koalitionäre zu finden. Das Aufhetzen der Bevölkerung bringt ihr noch lange keinen Wirtschaftsaufschwung, keine individuelle Sicherheit und was noch alles. Populismus juchhe!" (Jürgen, 82 Jahre, Ludwigshafen)
  • "So wankelmütig, wie Friedrich Merz sich jetzt zeigt, würde er auch als Bundeskanzler agieren. Wähler können sich also nicht auf sein Wort verlassen und wissen gar nicht, was sie unter Merz als Kanzler letztendlich bekämen. Zusätzlich ist es eine fragwürdige Moral, mit einer Partei wie der AfD gemeinsame Sache zu machen, die immer wieder öffentlich ein in Teilen sehr negatives und schädliches Menschenbild vertritt." (Solveig, 35 Jahre, Minden)

"Erschütternd, dass Merz im Wahlkampffieber sein Wort gebrochen hat"

  • "Die Position von Angela Merkel ist absolut nachvollziehbar, sie ist edel und gut. Aber sehr viele Menschen in Deutschland wollen wirkliche Effekte, echte Veränderungen in der Asylpolitik, und das erstens schon länger und zweitens keineswegs nur solche aus der AfD-Ecke. Echte, authentische Verzweiflung treibt viele Wähler*innen zur AfD! Das sehen weder Angela Merkel, noch die Grünen, noch die SPD klar genug." (Barbara, 67 Jahre, Schaffhausen)
  • "Den Worten Angela Merkels ist nichts hinzuzufügen. Es ist erschütternd, dass Friedrich Merz im Wahlkampffieber sein Wort gebrochen und der AfD solch einen billigen Triumph ermöglicht hat. Für mich taugt er nicht zum Bundeskanzler. Angesichts der Tragödien von Magdeburg und Aschaffenburg ist gemeinsames Handeln aller demokratischen Kräfte gefragt, nicht markige Worte, die Populisten in die Hände spielen." (Andreas, 78 Jahre, Laupheim)
  • "Merz hätte seine Anträge ganz geordnet in vier Wochen innerhalb seiner neuen Regierung ohne die AfD durchbringen können. Ohne Not hat er sich anders entschieden. Wer sagt uns, dass er nicht auch bei der Koalitionsbildung auf die jetzt jubelnde AfD setzt, wenn die anderen demokratischen Parteien bei einigen Themen andere Vorstellungen haben als er selbst? Eine Regierung mit der rechtsextremen und antidemokratischen AfD zu riskieren, bedeutet, das Fundament unseres Rechtsstaates, unseres Wohlstands und unserer freiheitlichen Lebensweise zu riskieren." (Thomas, 40 Jahre, Brandenburg)
  • "Ich bin fassungslos und empört über das Verhalten der CDU." (Rolf, Mannheim)
  • "Mit diesem engstirnigen und undurchdachten Vorstoß hat Friedrich Merz die Demokratie und ihre festverwurzelten Werte im Grundsatz verraten. So zu tun, als könne er ja schließlich nicht beeinflussen, wessen Zustimmung er letztendlich erhält, ist der blanke Hohn. Hat er doch der AfD ein mustergültiges Spitzenblatt an die Hand gegeben. Dieser Mann wird niemanden mehr überzeugen können, ein bedachter, gemäßigter und trotzdem durchsetzungsstarker Kanzler sein zu wollen und zu können. Den vielleicht einmal gut gewesenen Ruf hat er mit dieser Aktion verspielt. Zu allem Überfluss wird die Zustimmung zur CDU weiter sinken und somit der Abstand zur AfD kleiner und kleiner werden. Die Aussicht auf einen rechtsgerichteten Kanzler für die nächsten Jahre und vielleicht darüber hinaus? Gott steh uns bei." (Carsten, 47 Jahre, Mönchengladbach)

"Man darf nicht ein Fünftel der wählenden Bevölkerung ignorieren"

  • "Friedrich Merz hat alles richtig gemacht. SPD und Grüne waren in der Vergangenheit nicht bereit, echte Änderungen vorzunehmen. Wenn man in Talkshows Vertreter von SPD und Grünen zuhört, wird einem angst und bange. Ich bin kein Fan der AfD, aber man darf auch nicht ein Fünftel der wählenden Bevölkerung ignorieren. Olaf Scholz ist der schlechteste Bundeskanzler, den die BRD hatte. Schlimm ist es, dass eine demokratische Partei durch das Verhalten der Grünen und SPD zu solchen Maßnahmen, um noch Schlimmeres zu verhindern, gezwungen wird. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Angela Merkel eine große Mitverantwortung dafür trägt, was derzeit in Europa passiert (unkontrollierte Einwanderung, Abhängigkeit von Russland)." (Reinhard, 70 Jahre)
  • "Solange die CDU nicht mit der AfD regieren will, können die Linken immer an einer Regierung beteiligt sein und damit zum einen alles verhindern, was ihnen nicht gefällt – etwa die Abschaffung von Mindestlohn und Frauenquote, was für die Linken eine absolute Horror-Vorstellung ist –, andererseits können sie natürlich auch weitere linke Wünsche durchsetzen. Deshalb werden sie alles tun, um eine solche Regierung zu verhindern. Das bedeutet aber auch, dass man die nächste Regierung genauso vergessen kann wie die letzte." (Diethart)
  • "Dass die Union einen Antrag zur Migrationspolitik im Bundestag verabschiedet hat, ist ein riesiger Schritt nach vorne – endlich. Wie das Meinungsforschungsinstitut Insa gestern veröffentlichte, haben zwei Drittel der Republik sehnsüchtig darauf gewartet. Ob der Antrag im Bundestag mithilfe der Stimmen der AfD verabschiedet werden konnte oder nicht, spielt dabei keine Rolle, denn alle Bundestagsabgeordneten sind demokratisch gewählt, jede Stimme ist eine Stimme, die den Wähler repräsentiert. Das Theater, das SPD und Grüne darum machen, ist mir absolut unverständlich und zeigt, wie weltfremd und abgehoben die Politik der Ampelparteien nach wie vor ist. Anstatt mitzutragen, dass endlich ein Schritt nach vorne gemacht wird, verweigern sich Grüne und SPD nicht nur, sondern versuchen auch noch, eigenen Vorteil für den Wahlkampf daraus zu ziehen. Geheime Abstimmungen im Bundestag würden dieses Problem lösen und helfen, sich vom Kindergartenniveau zu verabschieden." (Simone)
  • "Welches Drama? Die rechtmäßig im Bundestag vertretenen Parteien haben abgestimmt. Das ist ein völlig normaler Vorgang." (Jürgen)
  • "Es wird hoffentlich genauso weitergehen wie seit 1998, als die SPD mit der linksextremistischen und vom Verfassungsschutz beobachteten PDS – jetzt umbenannt in Die Linke – erstmals koalierte und dies zum Zwecke der Machterhaltung seither praktisch Usus ist. Es sollte bei Koalitionen um Inhalte und den Willen der Wähler gehen, ungeachtet, ob es sich dabei um rechte oder linke Parteien handelt. Auf Kommunalebene finden so bereits Zusammenarbeiten zwischen den Parteien statt – dies sollte auch in den Ländern und im Bund möglich sein." (Walter, Mössingen)

"SPD, Grüne und FDP hatten fast vier Jahre Zeit"

  • "Friedrich Merz hat sehr klar und unmissverständlich seinen Standpunkt dargelegt. Das ist in heutigen Zeiten wohl eher ungewöhnlich. Er hat mit offenem Visier den Antrag gestellt. Ich hätte mir von den Grünen und der SPD Zustimmung gewünscht, denn die Realität in Deutschland ist mittlerweile fast unerträglich. Das spiegelt die starke Unzufriedenheit in unserer Gesellschaft wider. Es ist allerhöchste Zeit, zu handeln. Das betrifft längst nicht nur die Migrationsfrage. Es betrifft ebenso dringend das Steuerrecht, die Wirtschaft, die extremen Energiekosten und das Problem unserer Demografie. Ich denke, die Meinungsumfragen zeigen, was das Volk, der Souverän möchte. Der Souverän wünscht sich eine Koalition von CDU und AfD. Nur so wird sich real etwas in die positive Richtung ändern." (Thomas, Langelsheim)
  • "Ich wundere mich über Friedrich Merz, eine Anfrage an den Bundestag zu stellen, die ja angeblich vorher von der AfD vorgeschlagen war! Warum soll ich dann ihn wählen? Dann kann ich doch gleich die Urheber wählen!" (Erich, 82 Jahre, Borken)
  • "Worauf warten wir noch? Wollen wir weiterhin den Wunsch der Wähler ignorieren, indem wir die AfD ausbremsen? Es gibt Bundesländer, in denen die AfD stärkste oder zweitstärkste Partei ist. Wollen wir abwarten, bis sie die absolute Mehrheit hat und allein regieren kann? Oder ist es sinnvoller, mit der AfD eine Koalition einzugehen, damit man sie mal testen und lenken kann? Mit einem solchen Verhalten der bisherigen Machtparteien ist schon einmal eine nicht mehr zu bremsende Macht entstanden." (Kurt, 68 Jahre, Nürnberg)
  • "SPD, Grüne und auch die FDP hatten fast vier Jahre Zeit, vernünftige Gesetze zu einer besseren Asylpolitik zu beschließen. Leider kam außer den üblichen wertlosen Hülsen nichts rüber! Angela Merkel sollte es wirklich vermeiden, Friedrich Merz anzugreifen. Sie selbst ist doch diejenige, die zur heutigen Misere beigetragen hat. Den Rest hat eine völlig falsche Politik aus Brüssel beigesteuert. Ich bin kein Wähler der AfD, bin aber der Meinung, dass in unserer Demokratie jede Partei mit einbezogen werden sollte, wenn es um solch ein wichtiges Thema geht." (Mario, 72 Jahre, Meersburg/Bodensee)
  • "Wären die SPD und die Grünen nicht so borniert gewesen und hätten dem Antrag der CDU zugestimmt, wäre es politisch zu einer anderen Interpretation der Sachlage gekommen. So haben sich die demokratischen Parteien der Mitte selbst ins Abseits geschossen und den Weg für weitere, erfolgreiche Abstimmungen vonseiten der CDU und AfD geebnet. Dumm gelaufen!" (Uwe, 66 Jahre, Berlin)
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