In den Konflikt zwischen Nordkorea und den USA kommt Bewegung. Nordkoreas Präsident Kim Jong Un traf sich in Peking mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping. Die USA verbuchen das Treffen als Erfolg ihrer Politik der Stärke. Zurecht? Ein Experte klärt auf.

Ein Interview

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Nach Monaten gegenseitiger Drohungen zwischen Washington und Pjöngjang zeichnet sich im Nordkorea-Konflikt Entspannung ab.

Bei seinem Besuch in Peking hat der nordkoreanische Präsident Kim Jong Un den Willen zur Denuklearisierung bekräftigt. In den kommenden Wochen sind weitere Treffen mit seinem südkoreanischen Amtskollegen Moon Jae In und US-Präsident Donald Trump geplant.

In Washington wird die Deeskalation der eigenen Politik der Stärke zugeschrieben. Der Politikwissenschaftler Christian Hacke erklärt, ob diese Behauptung zutrifft und wie die Rolle Chinas zu bewerten ist.

Herr Hacke, Trumps Sprecherin sagte zum Deeskalationskurs von Kim Jong Un, das sei ein weiterer Beweis dafür, dass der maximale Druck aus den USA eine "angemessene Atmosphäre" für einen Dialog geschaffen habe. Trifft das zu?

Christian Hacke: Das ist zu bezweifeln. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass der Druck aus den USA entscheidend war. Kim hat seine Chance eher darin gesehen, dass er auf Augenhöhe mit den Amerikanern verhandeln kann. Ausschlaggebend war Trumps Bereitschaft, Kim zu treffen, nicht die konfrontative Haltung. Trump hat eine Neigung zu autoritären Herrschern, das weiß Kim. Den Wunsch nach einem Treffen hatte Trump ja ganz zu Anfang seiner Präsidentschaft schon einmal signalisiert – lange vor den ganzen Drohungen.

Wie ordnen Sie die Aussage von Trumps Sprecherin dann ein?

Das ist eine Mischung aus Selbstüberschätzung, Naivität und Unprofessionalität. Trump stolpert offensichtlich so unvorbereitet und enthusiastisch in diese Gespräche, dass man sich fragen muss, was er eigentlich als Ziel verfolgen will und ob die Denuklearisierung in seinem Sinne zustande kommt. Ich bezweifle das. Kim wird eher Gras fressen, als auf sein Nukleararsenal zu verzichten.

Trotzdem ist nach Jahren der Stagnation wieder Bewegung in den Nordkorea-Konflikt gekommen. Hat das gar nichts mit den Amerikanern zu tun?

Was heißt Bewegung? Bewegung nach vorne oder Bewegung zurück? Bewegung von einer unbefriedigenden Situation in einen Schein-Optimismus, der sich nachher nicht realisieren lässt? Wenn das alles nicht funktionieren sollte, dann ist der Backlash umso größer. Diese Verhandlungen werden kein Selbstläufer, das muss jedem klar sein.

Wer ist der Gewinner der Deeskalation?

Eindeutig Kim. Ich halte in der jetzigen Situation Kim für einen raffinierten und ausgekochten Führer. Das Ganze ist eine enorme Inszenierung und schon jetzt ein enormer Erfolg von seiner Politik der Nuklearisierung und seiner Politik der Stärke. Das zeigt, dass er die Atomwaffen politisch genau richtig eingesetzt hat – zur Sicherung des Regimes und weil sich in Südostasien jetzt alles um ihn dreht.

Wie viel der Entspannung geht auf China zurück?

China spielt als traditioneller Verbündeter Nordkoreas eine absolute Schlüsselrolle. Die Chinesen müssen einen delikaten Balanceakt vollziehen: auf Kim einwirken und in der Diplomatie ausgleichend auf die USA eingehen. Deswegen haben sie nach dem Gipfel auch umgehend Washington informiert, dass Kim sich freut Trump zu sehen.

Trump hatte China immer wieder zu mehr Einsatz ermahnt bei der Lösung der Krise. Ist Peking dadurch tatsächlich aktiver geworden?

Nein. Die Chinesen müssen sich nicht von den Amerikanern in irgendeine Richtung drängen lassen. Sie handeln sehr selbstbewusst, sehr überlegt und ausgleichend, mit einer enormen Umsicht. Sie brauchen keine Tipps aus Washington.

Zur Person: Christin Hacke (Jg. 1943) war als Professor an der Universität der Bundeswehr Hamburg und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn tätig. Der Politikwissenschaftler befasst sich u.a. mit amerikanischer Geschichte und Außenpolitik sowie den transatlantischen Beziehungen.
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