Maybrit Illner diskutierte am Donnerstag mit ihren Studiogästen über den Unionsantrag, der mit Stimmen der AfD beschlossen wurde. War das bereits eine Zusammenarbeit mit der AfD? Zwischen CDU-Politiker Linnemann und Vizekanzler Habeck (Grüne) zeigte die Sendung tiefe Gräben.

Eine Kritik
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Am Mittwoch (29. Januar) hat die Union bei einem Entschließungsantrag über einen Fünf-Punkte-Plan zur Verschärfung der Migrationspolitik mithilfe der AfD-Stimmen eine knappe Mehrheit erhalten. Am Freitag (31. Januar) könnte sich bei der Abstimmung über einen Gesetzesantrag dasselbe wiederholen.

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Das ist das Thema bei "Illner"

Bei Illner ging es am Donnerstagabend um den Entschließungsantrag der Union, für den sie mithilfe der AfD eine Mehrheit bekommen hatte und die Frage: "Entscheidet der Asylstreit die Wahl?" Dabei sprach Illner mit der Runde sowohl über inhaltliche Fragen als auch die Frage: Lassen sich die Unionspläne von einem "faktischen Einreisestopp" überhaupt umsetzen?

Und es ging um das Signal, das die Abstimmung aussendet. Oder anders gesagt: Ist das jetzt das Ende der Brandmauer?

Das sind die Gäste

  • Robert Habeck (Grüne): Der Vizekanzler pochte darauf, dass es sich bei der gemeinsamen Abstimmung um eine Zusammenarbeit gehandelt hatte: "Es entsteht eine indirekte Zusammenarbeit, wenn man weiß, wie die Mehrheiten entstehen. Wenn Sie das nicht anerkennen – dass dadurch Machtverhältnisse und Bindungen entstehen, dann haben Sie ehrlicherweise den Beruf verfehlt", sagte er in Richtung Linnemann.
  • Carsten Linnemann (CDU): "Wir stimmen nicht gemeinsam mit AfD. Mir ist völlig egal, was die machen. Die Haltung von uns zu denen ist klar. Ich stimme für meine Überzeugung, dafür bin ich gewählt worden, als freier Abgeordneter", so der Generalsekretär. Wenn man das Problem Migration nicht einmal im Ansatz löse, werde es irgendwann keine Mitte im Parlament mehr geben.
  • Giovanni di Lorenzo: "Ich gehöre zu den vielen Menschen, die gestern bestürzt waren", so der Journalist und Chefredakteur der "Zeit". Die CDU sei ein Risiko eingegangen, das höher nicht hätte sein können. "Ich bin überhaupt nicht davon überzeugt, dass es am Ende vom Nutzen der demokratischen Mitte sein wird." Der Kollateralschaden sei "immens".
  • Sarah Tacke: Die ZDF-Rechtsexpertin sagte zur Union: "Was Sie diese Woche gemacht haben, ist eine Show, für die Sie einen sehr großen Preis zahlen." Schließlich handele es sich nur um einen Entschließungsantrag und das Gesetz werde den Bundesrat kaum passieren. An der Migrationspolitik werde sich dadurch nichts ändern. "Was Sie gestern getan haben, ist die AfD zu normalisieren", kritisierte Tacke.

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Habeck forderte von Linnemann ein Zugeständnis. Linnemann argumentiere "strategisch naiv und geschichtsvergessen", kritisierte Habeck. "Ich habe nur eine Frage. Schließen Sie aus, dass sich Friedrich Merz mit den Stimmen der AfD zum Bundeskanzler wählen lässt?", wollte er wissen.

"Wenn Sie sagen: Das Richtige wird nicht falsch, wenn die Falschen zustimmen, dann gilt das ja auch für die Kanzlerwahl. Das ist jetzt der Zeitpunkt, wo Sie sagen müssen: Das wird in keinem Fall passieren", so Habeck.

"Ja, Friedrich Merz wird, wenn er Bundeskanzler wird, eine stabile Regierung nutzen wollen", versprach Linnemann.

Das ist das Rede-Duell des Abends

"Ich bin auf Herrn Merz zugegangen und habe gesagt: ´Finden wir einen Weg daraus´", so Habeck. "Finden wir eine Möglichkeit, dass es nicht zur Abstimmung kommt. Ich hätte es gerne nicht gesagt, aber bitte!"

Freier Abgeordneter heiße nicht, dass man nicht ein denkender Abgeordneter sei. "Sie erstellen eine Erpressungssituation", warf er Linnemann vor. Mit dem "Wir gucken nicht nach rechts und links" habe die Union einen Denkfehler aufgebaut.

Linnemann verteidigte sich: "Die AfD hatte gut 10 Prozent bei der Bundestagswahl 2021. Sie ist heute verdoppelt. Ich wage die kecke These, die Hauptverantwortung trägt diese Ampel."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Illner gelang eine gute Mischung aus erwartbaren Fragen ("Ist Merz noch vertrauenswürdig?" und "Ist das schon die berühmte Zusammenarbeit?") und Fragen, die neue Blickwinkel brachten ("Hat sich der Tabubruch gelohnt?", "Haben Sie erwogen, das morgen zu verhindern?").

Gelohnt hätte sich derweil noch ein etwas stärkerer Blick auf die Frage: "Welche Auswirkungen werden die Vorgänge auf die Bundestagswahl haben?"

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Zwischen Habeck und Linnemann spielte sich das Erwartbare ab: Habeck warf dem CDU-Mann vor, die demokratische Mitte zu zerstören, Linnemann versuchte sich mit inhaltlichen Argumenten in Bezug auf das Gesetz zu wehren und erinnerte, das Gesetz sei vor dem Bruch der Ampel beschlussfähig gewesen. Hier sprachen die beiden Politiker oft aneinander vorbei.

Zwei wichtige Fragen werden die Parteien in naher Zukunft beantworten müssen: Für die Ampel-Parteien ist das die Frage nach der Verdopplung der AfD. Die Union wird derweil erklären müssen, warum sie den vorab verabredeten Kompromiss mit den Ampel-Parteien, eine solche Situation gerade nicht herbeizuführen, aufgekündigt hat.

Einen weiteren Aspekt machte Di Lorenzo auf: Das gängige Narrativ dürfe nicht lauten, Dinge würden am Europäischen Gerichtshof scheitern. Das führe dazu, dass Leute Europa am Ende doch nicht so gut und effizient fänden. "Das ist ein Punkt, der viele Leute verstört in diesem Land", sagte er zu dem Argument.

Verwendete Quellen:

  • ZDF Sendung: "Maybrit Illner" vom 30.01.2025
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