- Putin stoppt die Gaslieferungen und die Preise steigen um 30 Prozent. Die Bundesregierung versucht mit einem Entlastungspaket in Höhe von 65 Milliarden Euro abzufedern.
- Was noch vor wenigen Wochen unantastbar schien, ist nun im Gespräch: Sanktionen beenden, Kapitulation, Nordstream 2 öffnen.
- Die hochkarätig besetzte Runde fällte recht eindeutige Urteile.
Nach dem Lieferstopp von Gas durch die Ostseepipeline Nordstream 1 sind die Gaspreise in Europa weiter stark gestiegen. Gleichzeitig hat die Bundesregierung ein drittes Entlastungspaket auf den Weg gebracht. Mit 65 Milliarden Euro soll den Bürgerinnen und Bürger unter die Arme gegriffen werden.
Das ist das Thema bei "Hart aber fair"
Es scheint wie ein Wettrennen zwischen Preisen auf Klettertour und weiteren Entlastungsmaßnahmen: Beispielrechnungen zeigen immer wieder, dass viele Deutsche in finanzielle Schieflage gelangen könnten, wenn nach dem Winter vierstellige Nachzahlungen drohen.
Die Zahl derjenigen, die die Sanktionen gegen Russland nicht mehr mittragen wollen, wächst. Thema bei
Das sind die Gäste
Ralf Stegner (SPD): Der SPD-Politiker betonte, die Freiheit der Ukraine sei Deutschland viel wert. "Aber gewonnen wird sie nicht mit immer mehr Waffen aus dem Westen, sondern am Ende nur durch Verhandlungen und Diplomatie", meinte Stegner und fragte mit Blick auf die aktuellen Krisenerscheinungen: "Wenn ein Land wie Deutschland das nicht schafft, wer soll das dann schaffen?".- Andrij Melnyk: "Die massive militärische Unterstützung auch aus Deutschland ist die einzige Chance für uns, Putin in die Schranken zu weisen. Und das ist auch im Interesse Deutschlands und seines Wohlstands", sagte der Diplomat und ehemaliger ukrainischer Botschafter in Deutschland. In der Ukraine verstehe man die Sorgen der Menschen hierzulange. Melnyk sah aber auch: "Putin will gar nicht reden. Er sieht im Moment gar keinen Anlass, zu verhandeln".
- Sabine Fischer: Die Russland-Expertin der SWP sagte: "Die Ukraine steht militärisch und wirtschaftlich sehr unter Druck. Wenn es die deutsche Bundesregierung ernst meint, dann muss sie Kiew jetzt sehr entschlossen mit Waffen unterstützen". Der Westen habe präzedenzlose Sanktionen gegen Russland verhängt und diese Sanktionen würden auch wirken. "Das Problem ist, sie wirken über Zeit", erinnerte Fischer. Nordstream 2 in Betrieb zu nehmen, hielt sie für eine schlechte Idee. "Es würde sich nichts zum Besseren wenden. Ganz abgesehen davon, was für katastrophale Signale das in alle Richtungen senden würde", meinte sie.
- Alexander Graf Lambsdorff (FDP): "Wir müssen die Ukraine weiter unterstützen, damit der Krieg möglichst schnell zu Ende geht. Der Krieg macht alle ärmer", so der FDP-Politiker. Das Entlastungspaket der Bundesregierung sei eine starke Hilfe für viele Menschen in Deutschland. Den Lieferstopp von Gas kommentierte er: "Das ist eine Ausrede, jeder weiß es. Wir wussten, das würde kommen". Man versuche an allen Fronten, den Gaspreis unter Kontrolle zu bekommen, aber es sei nicht leicht.
- Anna Lehmann: Die Journalistin der "taz" sagte: "Das neue Entlastungspaket hört sich in der Tat nach viel an, entlastet aber zu sehr nach dem Prinzip Gießkanne - auch alle Besserverdiener." Solidarität mit der Ukraine koste, aber die Kosten müssten gerechter verteilt werden. Gleichzeitig warnte Lehmann: "Die Stimmung ist im Osten bereits gekippt." Viele Menschen seien nicht mehr bereit, die Sanktionen gegen Russland mitzutragen.
Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber fair"
"Wir haben einen schwierigen Winter vor uns und damit spielt die russische Seite jetzt mit aller Brutalität", konstatierte Russland-Expertin Sabine Fischer. Es gehe darum, die Einheit der EU zu untergraben und die europäischen Gesellschaften unter Druck zu setzen.
Sie räumte allerdings auf mit dem Mythos, Russland habe ewig Zeit: "Russland hat noch diesen Winter. Danach wird diese Gaswaffe immer stumpfer", war sich Fischer sicher. Das sei Russland klar. "Jetzt kann man diese Waffe noch einsetzen", so Fischer. Das sei ein Teil der Erklärung dafür, dass der Lieferstopp genau jetzt erfolgte. "Es ist nicht richtig, dass Russland unbegrenzt Zeit hat", betonte Fischer.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Es ging um den offenen Brief der Kreishandwerkerschaft Halle-Saalekreis, in dem sich Handwerker mit der Forderung an Bundeskanzler Scholz gewandt hatten, die Russland-Sanktionen zu beenden. Plasberg fragte Melnyk nach seiner Einschätzung. Der war bis dato auffällig zurückhaltend gewesen. Zunächst erinnerte er, Deutschland habe der Ukraine nur mit 0,02 Prozent seines Bruttoinlandproduktes geholfen.
"Die Balten, die Polen, die helfen zehnmal mehr als die Deutschen in diesem Vergleich", so Melnyk. Er war sich sicher, selbst wenn Deutschland seine Politik ändere: "Wir schaffen das auch alleine. Das ist auch ein Krieg, der Sie betrifft. Er kann auch nach Polen, nach Deutschland kommen", so Melnyk. An SPD-Mann Stegner gewandt sagte er: "Sie sollten selbst nach Moskau fliegen, um einen Gesprächsfaden mit Putin zu suchen".
Stegner reagierte angesäuert: "Die Lage ist zu ernst, um das zu karikieren", sagte er. Wenn diplomatische Bemühungen unternommen würden, sei das gut so. "Es wird hier immer nur über das Thema Waffen geredet", ärgerte er sich. Auch Journalistin Lehmann schaltete sich ein: "Wenn Sie sagen, in Bezug auf die Handwerker: 'Die haben das nicht richtig verstanden, oder andere Länder leisten viel mehr, nun habt euch mal nicht so', dann erreichen Sie nicht das, was sie erreichen wollen: Nämlich Solidarität von den Menschen."
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
Plasberg hatte das Studio am Montagabend nicht gut im Griff. Er stellte bedeutsame und kritische Fragen, doch bei Diskussionen unter den Gästen entglitt ihm zu häufig das Zepter. Durcheinandergerede war oftmals die Folge.
Interessant waren vor allem seine Fragen: "Ist Russland heimlich dabei, den Wirtschaftskrieg zu gewinnen?", "Wird es noch einmal so eine Aussöhnung wie unter Gorbatschow geben?" und "Was haben Sie für die Ukraine geleistet als Botschafter in Berlin?" in Richtung Ex-Botschafter Melnyk. Teilweise entfernte sich die Debatte zu weit von Realpolitik und verhedderte sich in der Frage, wie die diplomatische und militärische Ebene miteinander verwoben sind. Hier fehlte die Übersetzung: Was bedeutet das in der Folge für unsere Politik?
Das ist das Ergebnis bei "Hart aber fair"
Man merkte sofort, dass Andrij Melnyk nicht mehr in seiner alten Rolle als Botschafter der Ukraine in Deutschland auftritt: Für seine Verhältnisse war er äußerst verhalten und sorgte nur an einer Stelle für einen harscheren Ton.
Am Montagabend wurde bei Plasberg viel aneinander vorbeigeredet. Sätze wie "Ich möchte nicht falsch verstanden werden", "Das muss ich noch einmal erklären", oder "Das habe ich so nicht gesagt" fielen in der Debatte mehrfach. Mitnehmen konnte man dennoch: Es brodelt in Deutschland gewaltig und die Solidarität scheint nicht mehr so einheitlich, wie noch zu Beginn des Krieges.
Verwendete Quelle:
ARD: "Hart aber Fair" vom 05.09.2022
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.