Der Bruch der Ampel löst auch kurz vor der neuen Bundestagswahl noch heftige Debatten aus. Während Markus Lanz in seiner ZDF-Sendung die Glaubwürdigkeits-Frage stellte, kritisierte CDU-Mann Claus Ruhe Madsen im Gespräch mit Christian Dürr, dass es die Ampel viel zu lange miteinander ausgehalten habe.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Kurz vor der Bundestagswahl muss die FDP zittern. Aktuelle Umfragen deuten auf ein desaströses Wahlergebnis hin. Bei "Markus Lanz" zeigte sich FDP-Fraktionschef Christian Dürr jedoch überraschend optimistisch, was die Zukunft seiner Partei angeht. CDU-Politiker Claus Ruhe Madsen machte ihm derweil heftige Vorwürfe, während Ökonom Marcel Fratzscher die Wirtschaftspläne der FDP infrage stellte.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die FDP steckt seit dem Bruch der Ampelkoalition in einer tiefen Krise. Besonders das "D-Day"-Papier wurde zum kommunikativen Desaster für die Freien Demokraten. Das Ergebnis: Die Partei von Kanzlerkandidat Christian Lindner liegt in aktuellen Umfragen kurz vor der Bundestagswahl bei knapp über drei Prozent. Markus Lanz debattierte aktuell über die Zukunftspläne der FDP, eine fundamentale Richtungsänderung bei der Wirtschaft anzustoßen. Zeitgleich blickte er noch einmal auf das Scheitern der Ampel und wollte wissen, ob die Partei auf einen Rauswurf aus dem Bundestag vorbereitet sei.

Das sind die Gäste

  • Christian Dürr, FDP-Fraktionschef: "Optimismus braucht das Land"
  • Claus Ruhe Madsen, CDU-Politiker: "Faktisch ist Amerika längst in Grönland - und zwar seit dem Zweiten Weltkrieg"
  • Melanie Amann, Journalistin: "Faszinierend, dass es in der FDP keine Führungsdebatte gibt"
  • Marcel Fratzscher, Ökonom: "Was wirklich auffällt, ist, alle Parteien versprechen den Leuten gerade das Blaue vom Himmel"
Markus Lanz, Christian Dürr, Claus Ruhe Madsen, Melanie Amann, Marcel Fratzscher
Bei Markus Lanz (l.) waren am Donnerstagabend (v.l.n.r.) Christian Dürr, Claus Ruhe Madsen, Melanie Amann und Marcel Fratzscher zu Gast. © ZDF / Markus Hertrich

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Zu Beginn der Sendung stichelte Markus Lanz gegen den FDP-Fraktionschef Christian Dürr: "Welche persönlichen Vorbereitungen haben Sie eigentlich getroffen, wenn Sie aus dem Bundestag fliegen?" Eine Frage, auf die Dürr trocken konterte: "Wir haben nicht nur vor, in den Bundestag wieder einzuziehen, sondern das Land braucht Erneuerungen und da muss es eine liberale Partei geben." Lanz ließ jedoch nicht locker und hakte weiter nach: "Sie haben keinen Plan B?" Dürr antwortete genervt: "Es geht doch nicht um einen Plan B!" Laut des FDP-Politikers gehe es aktuell vor allem darum, "dass dieses Land reformfähig wird".

Der ZDF-Moderator ließ sich davon nicht überzeugen und fragte in Bezug auf die schlechten Umfragewerte der FDP: "Was machen Sie, wenn es schiefgeht?" Christian Dürr reagierte schnippisch: "Herr Lanz, ich denke jetzt an den Wahltag und an die Zeit danach!" Eine Steilvorlage für den ZDF-Moderator, der lachend klarstellte: "Darüber denke ich auch nach - die Zeit danach!" Lanz fügte mit ernster Miene hinzu, wie es sein könne, dass die Freien Demokraten kurz vor der Bundestagswahl bei knapp drei Prozent liegen. Dürr gab daraufhin zu: "Das Ziel ist natürlich, stärker zu sein, denn in Deutschland braucht es Mehrheiten, um diese Reformfähigkeit zu haben. Und wir stellen fest, dass viele Menschen (...) in den letzten Jahren von bürgerlichen Parteien abgerückt sind, weil sie enttäuscht waren."

Die Enttäuschung müsse sich nun in Optimismus verwandeln, so Dürr. Langfristig müsse "es sich auszahlen, wenn Politiker geradlinig sind, wenn sie zu Überzeugungen stehen, weil sie sagen: 'So kann ich das Land nach vorne bringen'." Eine Aussage, die den ZDF-Moderator überraschte: "Haben Sie gerade geradlinig gesagt?" Als Lanz auf den "D-Day"-Skandal zu sprechen kam, konterte Dürr wütend: "Herr Lanz, wir können gerne über den Abend des Koalitionsausschusses (...) reden - auch, was Herr Scholz dort gesagt hat!"

Der Moderator ließ sich davon nicht beirren, denn: "Es geht um politische Glaubwürdigkeit!", mahnte er. "Wenn plötzlich der fatale Eindruck entsteht - da tun Leute so, als würden sie konstruktiv in einer Regierung mitarbeiten, um es dann am Ende so aussehen zu lassen, als hätten es die anderen in die Grütze geritten."

Ein Vorwurf, den Dürr nicht akzeptieren wollte: "Nein! Wenn drei Koalitionspartner es nicht mehr miteinander hinbekommen, dann ist keiner frei von Schuld." Trotzdem stichelte Dürr gegen Olaf Scholz und sagte, er habe "nicht den Mut" gehabt, "Reformen in diesem Land durchzusetzen als Kanzler". Zeitgleich habe Christian Lindner "ein Konzept vorgestellt, (...) wie man Deutschland so entlastet, dass wir wirtschaftlich wieder nach vorne kommen". Eine Behauptung, der Melanie Amann nicht zustimmen konnte: "Sie haben einen Forderungskatalog vorgelegt! Wenn der nicht erfüllt wird, sind wir raus. Das ist (...) kein Kompromissvorschlag." Der FDP-Mann schüttelte entschieden mit dem Kopf: "Frau Amann, nein! Das war falsch, weil das an dem Abend anders gelaufen ist."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Bei "Markus Lanz" offenbarte CDU-Politiker Claus Ruhe Madsen kopfschüttelnd, dass er es überraschend finde, wie lange es die Ampel miteinander ausgehalten habe. In Bezug auf Dürrs ständige Sticheleien gegen Olaf Scholz merkte Ruhe Madsen an: "Das klingt fast, als wären Sie Opposition gewesen. Sie sind Teil einer Regierung gewesen!" Der scheinbare Widerspruch sei laut des CDU-Mannes auch "der Grund, warum (...) diese Zementierung unterhalb von fünf Prozent" zu beobachten sei, "weil es unglaubwürdig ist, wenn man so lange in einer Regierung ist, dass man dann, wenn es scheitert, sagt: 'Das wäre übrigens unser Vorschlag gewesen'."

Christian Dürr ruderte überraschend zurück und nannte einige Positivbeispiele und Errungenschaften der Ampelkoalition. Dennoch stellte er klar: "Ich habe jetzt nicht vor, die Ampelkoalition über den grünen Klee zu loben." Melanie Amann reagierte irritiert und verglich die Argumentation von Dürr mit einem "Drahtseilakt": "Dieser Widerspruch fällt den Leuten auf." Laut Amann seien die ideologischen Unterschiede zwischen SPD, Grünen und FDP schon von Anfang an bekannt gewesen. Claus Ruhe Madsen nickte zustimmend und erklärte, dass ein Bruch der Koalition deshalb schon früher hätte stattfinden müssen: "Das kann man Ihnen echt schwer verzeihen, dass das so lange braucht!" Doch nicht nur mit vergangenen Entscheidungen, sondern auch mit ihrem neuen Wahlprogramm sorgte die FDP bei "Markus Lanz" für Furore.

Ökonom Marcel Fratzscher stellte klar: "Hier werden Versprechen gemacht, die nie erfüllt werden können." Was die FDP laut Fratzscher verspreche, sei "ungefähr das Zehnfache, was der Bund eigentlich an Neuschulden unter der Schuldenbremse überhaupt machen kann. Das Zehnfache - also völlig illusorisch!" Fratzscher wetterte weiter: "Die Steuerentlastungen sind primär für die Spitzenverdiener. Die Menschen in der Mitte der Gesellschaft (...) bekommen wenig bis nichts." Laut des Ökonoms gebe es jedoch nicht nur eine Umverteilung von Arm zu Reich, sondern auch "von Jung zu Alt".

Ein Vorwurf, den Christian Dürr nicht unkommentiert lassen wollte: "Herr Fratzscher, jetzt sind Sie parallel der Realität langsam!" Claus Ruhe Madsen verteidigte die Pläne der FDP mit den Worten: "Politik ist (...) auch eine Frage des Verhandelns." Marcel Fratzscher konterte streng: "Aber jeder Plan muss ja schlüssig sein!" Die Kritik konnte der FDP-Fraktionschef nicht akzeptieren und schoss gegen den Ökonomen: "Ich verstehe, dass Herr Fratzscher - ein linker Ökonom - eine andere Ansicht hat." Fratzscher stichelte prompt zurück: "Ich bin ein unabhängiger Ökonom! (...) Das sind Zahlen und Fakten." Laut Fratzscher gebe es "in Deutschland ein riesiges Investitionsproblem" und "ein riesiges Defizit und wenn der Staat so weitermacht, dann werden die privaten Investitionen nicht kommen." Dürr hielt dagegen und sagte, die These sei längst widerlegt worden, dass durch das Brechen der Schuldenbremse "mehr in Straßen und Schienen investiert wird".

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz legte sich am Donnerstagabend vor allem mit dem FDP-Fraktionschef Christian Dürr an, der das eigene Verschulden seiner Partei, was die schlechten Umfragewerte angeht, nicht zugeben wollte. Lanz wiederholte deshalb mehrmals mahnend: "Es geht um Glaubwürdigkeit!"

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Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Immer wieder wollte Markus Lanz auf die Grundsatzfrage hinaus: "Was ist mit der Glaubwürdigkeit der FDP passiert?" Dazu lieferte unter anderem Melanie Amann die Antwort, dass sich die FDP mit ihren widersprüchlichen Aussagen und Aktionen selbst ein Ei gelegt habe und "jetzt wie einzementiert unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde" zu finden sei. CDU-Politiker Claus Ruhe Madsen echauffierte sich derweil darüber, dass zu sehr über die "nicht erfolgreiche Ampel" und zu wenig "nach vorne" diskutiert werde. Ruhe Madsen machte seinem Ärger Luft, indem er klarstellte: "Über Jahrzehnte sprechen wir über Bürokratieabbau und es wird immer mehr!" Der Politiker wetterte weiter: "Wir müssen aufhören, über Bürokratieabbau zu diskutieren - wir müssen Bürokratie modernisieren." Eine Meinung, die am Ende alle teilen konnten.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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