Premiere in der ARD: Caren Miosga, die nun statt Anne Will sonntags im Ersten talkt, moderierte ihre erste Studiorunde. Dabei bringt das Format ziemlich viel Neues mit. Wie Miosga sich in der ersten Sendung geschlagen hat, welchen Fehler die demokratischen Parteien beim Bekämpfen der AfD machen und auf welche Frage der Moderatorin eine Antwort versagt blieb.

Eine Kritik
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Auftakt zum Jahresbeginn: Am Sonntagabend moderierte Caren Miosga ihre erste Sendung des gleichnamigen Talkformats. Die 54-Jährige übernimmt von Vorgängerin Anne Will, die den Sendeplatz um 21:45 Uhr abgegeben hat. Schon nach den ersten Sekunden auf Sendung war klar: Alles ziemlich neu. Frischen Wind brachte nicht nur die blau-grüne Farbgebung, sondern vor allem der Ablauf der Sendung: ein langes Einzelgespräch mit einem Politiker zum Start. Nach der Hälfte der Sendungszeit kamen zwei weitere Studiogäste dazu.

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Das ist das Thema bei "Caren Miosga"

Über ihren ersten Talkgast war viel spekuliert worden: Caren Miosga startete ihr Sendeformat mit CDU-Chef Friedrich Merz. Überraschend deshalb, weil er bei "Anne Will" in den letzten Jahren gar nicht mehr zu Gast war. Thematisch ging's um die AfD in Deutschland, die Abgrenzung zu Rechtsextremismus und die Fragen: "Wie gehen Merz' Rezepte gegen die Extremisten? Wie sieht er eine konservative Politik und sich selbst auf dem Sessel des Kanzlers?"

Das sind die Gäste

  • Friedrich Merz (CDU): "Das ist eine Herausforderung für alle in der Mitte unserer Gesellschaft – auch für uns, auch für mich. Und wir müssen alles dafür tun, damit das nicht noch weiter erstarkt", sagte Merz über die derzeitigen Zustimmungswerte zur AfD. Die Bilder vom Wochenende seien ermutigend, die Parteien würden aber mehr Mitglieder und Menschen, die sich engagieren, benötigen. "Da liegt auch ein Teil der Schwäche unserer Demokratie", so Merz. Später sagte er: "Ich bin noch nie so besorgt in ein Jahr gegangen wie in das Jahr 2024, weil einfach so viele Dinge nicht gut laufen."
  • Anne Hähnig: Die "Zeit"-Journalistin sagte über die AfD: "Man kann die Partei nicht schwächen, indem man einfach ihre Haltung übernimmt. Das ist oft genug versucht worden." Beispielsweise habe Kanzler Olaf Scholz Abschiebungen im großen Stil gefordert. Den AfD-Wählerinnen und Wählern würden solche Vorschläge zwar gefallen, aber: "Sie glauben nicht daran, dass die Parteien die Macht haben, die Ideen umzusetzen. Sie halten den Nationalstaat für schwach", erklärte Hähnig. Die CDU müsse vor allem eine Antwort auf die nationalstaatlichen Abschottungstendenzen finden.
  • Armin Nassehi: Der Soziologe prognostizierte mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen: "Man muss womöglich Regierungen mit Partnern bilden, die normalerweise politische Konkurrenten sind. Das ist eine Ausnahmesituation für die Demokratie." Es verstärke das Gefühl, dass die Demokratie eigentlich nicht funktioniert und die sogenannten etablierten Parteien ohnehin nicht zu unterscheiden sind. Das sei eine Spirale, warnte Nassehi.

Das ist der Moment des Abends bei "Caren Miosga"

Es ging um die Wortwahl in Bezug auf die AfD und ihre Wählerschaft. Miosga erinnerte Merz daran, dass Ministerpräsident Hendrik Wüst von einer "Nazi-Partei" spreche. Merz wollte differenzieren: "Natürlich gibt es da Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten. Aber deshalb sind die Wählerinnen und Wähler dieser Partei nicht alles Nazis. Wenn wir die zurückgewinnen wollen für die demokratischen Parteien unseres Landes, dann dürfen wir sie nicht beschimpfen", sagte er und bekräftigte wenige Sätze später: "Diese Nazi-Keule bringt uns nicht weiter, wenn wir das Problem lösen wollen."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Thema war die Abgrenzung zur AfD. Merz verteidigte, Anträge auf kommunaler Ebene gemeinsam mit der AfD zu beschließen: "Das ist pragmatische Kommunalpolitik, da geht es um Zebrastreifen, um Ampeln, um Krankenhäuser. Da erwartet die Bevölkerung zurecht, dass man nicht gegeneinander arbeitet, sondern Wege findet, wie die Probleme gelöst werden."

Hähnig reagierte darauf: "Die Wahrheit ist aus meiner Sicht, dass ihre Partei, was die Brandmauer betrifft, ziemlich schwammig unterwegs ist." Sie erinnerte Merz daran, dass er 2021 gesagt hatte: "Wenn jemand die Hand hebe, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann stehe am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an."

Ein Jahr später habe die CDU-Kreistagsfraktion in Bautzen ihre Hand gehoben, als die AfD einen Antrag gestellt hatte, in dem es um Leistungen für Flüchtlinge ging. "Ich will jetzt gar nicht sagen, dass das eine Katastrophe war – aber natürlich stand danach kein Parteiausschlussverfahren an", so Hähnig.

Merz fragte bissig zurück: "Wenn wir Anträge im Kommunalparlament stellen und die AfD stimmt zu – sollen wir die Anträge zurückziehen? Wenn das die SPD macht, wenn das die Grünen machen – würden Sie dann mit Frau Lang genauso sprechen?"

So hat sich Caren Miosga geschlagen

In drei Worten: Ein gelungener Auftritt! Miosgas Fragen waren erfrischend: "Ist es für Sie ein Dilemma, dass Sie die AfD bekämpfen, aber deren potenzielle Wählerinnen und Wähler gewinnen wollen?", fragte sie zum Beispiel Merz. Gleichzeitig war die Moderatorin darauf bedacht, alle ihre Zuschauer mitzunehmen: "Können Sie das in drei Worten sagen, was konservativ für Sie bedeutet?", hakte sie beispielsweise nach.

An den entscheidenden Stellen bewies sie Biss und Wachsamkeit: "Dass Sie damit jetzt kommen, hilft uns in der derzeitigen Transformationsphase überhaupt nicht", sagte sie zu Merz' Vorschlag, Kernfusion zu nutzen. Selbstbewusst fragte sie außerdem nach dem Verhältnis von Merz und Merkel und fragte Merz spitz: "Warum kommen Sie bei Frauen nicht so gut an?" Einzig die Antwort auf eine Frage blieb Miosga versagt: Wird Merz Kanzlerkandidat? "Wir entscheiden das im Spätsommer 2024", sagte der nur mehrfach.

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Das ist das Ergebnis bei "Caren Miosga"

Caren Miosga ist der Start in ihr neues Format gelungen. Positiv fiel in der Sendung vor allem eins auf: Es ging um ein handfestes Thema, bei dem die Diskussionsteilnehmer stringent blieben. Ob sich die kleine Anzahl an Studiogästen in Zukunft als förderlich für Debatte und Schlagabtausch erweist, wird abzuwarten bleiben. Inhaltlich ließ sich aus dem Abend mitnehmen: Der Kurs "AfD nachahmen oder AfD 2.0" wird nicht funktionieren – die Wähler wollen das Original.

Viel besser begegnet man der Partei mit kompetenter, durchsetzungsstarker und zugewandter Politik. Klingt einfach, ist aber eine Mammutaufgabe – denn die starke Position der AfD hat die demokratischen Parteien längst in einen Strudel gebracht, in dem es mehr ums Reagieren als ums Gestalten geht.

Verwendete Quelle

  • ARD: Sendung "Caren Miosga" vom 21.01.2024

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