In der Vergangenheit sorgte Sahra Wagenknecht immer wieder für Empörung, als sie sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aussprach. Auch am Mittwoch löste die BSW-Vorsitzende bei "Markus Lanz" Fassungslosigkeit aus, als sie der Bundesregierung indirekt Kriegstreiberei vorwarf.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Es ist eine Frage, die die deutsche Politik nun schon seit mehr als zwei Jahren beschäftigt: Wie weit sollte die deutsche Unterstützung der Ukraine gehen? Sahra Wagenknecht macht immer wieder deutlich, dass sie Waffenlieferungen für falsch hält.

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Bei "Markus Lanz" legte sie sich am Mittwochabend nicht nur mit dem ZDF-Moderator an, als sie die militärische Unterstützung der Ukraine mit Kriegstreiberei gleichsetzte.

Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Nach dem Vorstands-Rücktritt von Ricarda Lang und Omid Nouripour stehen die Grünen vor neuen Herausforderungen. Vizekanzler Robert Habeck erklärte jedoch bereits in einem ZDF-Interview, dass das Beben in seiner Partei eine Chance für einen Neuanfang bietet.

Markus Lanz analysierte daher am Mittwoch nicht nur den Abgang des Parteivorstandes, sondern blickte auch auf den Höhenflug der erst im Januar gegründeten Partei Bündnis Sahra Wagenknecht.

Das waren die Gäste

  • Sahra Wagenknecht, BSW-Vorsitzende: "Wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen."
  • Sabine Adler, Journalistin: "Man braucht heute nicht mehr viel, um politisch erfolgreich zu sein."
  • Michael Kellner, Grünen-Politiker: "Es gibt bei mir eine große Dankbarkeit für diese Entscheidung."
  • Stefan Bratzel, Autoexperte: "Wir sollten uns von noch vorhandenen Milliarden-Gewinnen nicht täuschen lassen."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

In seiner Sendung sprach Markus Lanz über das "politische Beben bei den Grünen". Nach dem Rücktritt von Ricarda Lang und Omid Nouripour war Grünen-Politiker Michael Kellner aus Berlin zugeschaltet und erzählte, dass der Rücktritt seiner Parteivorsitzenden auch für ihn "eine große Überraschung" war.

Dennoch ergänzte er, dass ihn die Entscheidung von Lang und Nouripour "ehrlicherweise auch mit tiefer Dankbarkeit" erfüllt, "weil es natürlich ein Zeichen auch von Verantwortung, von Stärke ist, hier Konsequenzen aus den Wahlergebnissen zu ziehen". Kellner wiederholte daraufhin mit ernster Miene: "Es gibt bei mir eine große Dankbarkeit für diese Entscheidung."

Eine Steilvorlage für Lanz, der feststellte: "Sie haben jetzt zweimal das Wort Dankbarkeit benutzt. Wie verzweifelt muss man sein, dass man zweimal dankbar ist, dass die eigene Parteispitze sich einfach selber abschafft und auflöst?" Ein Vorwurf, den Kellner entschieden von sich wies: "Herr Lanz, da ist nichts mit Verzweiflung." Laut des Grünen-Politikers gehe es vor allem darum, dass Lang und Nouripour jetzt "Würde und Respekt verdient" haben, denn: "Sie haben in schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen (...) und das ist eine Stärke, ehrlicherweise."

Auch Sahra Wagenknecht musste offen zugeben: "Ich bin ja nun wirklich kein Freund der Grünen, aber ich muss sagen, dafür gebührt ihnen Respekt - gerade weil es heute im politischen Geschäft fast gar nicht mehr üblich ist, dass Politiker wirklich, wenn sie Pleiten mit verursachen, auch Verantwortung übernehmen." Journalistin Sabine Adler ergänzte dazu energisch: "Das, was die ausgehalten haben jetzt in den vergangenen Monaten - das war nicht mehr Kritik, das war einfach nur noch Hetze, Häme, Hass. Und ich finde, da ist ein Klima in die Republik gekommen - für dieses Klima muss man sich eigentlich schämen"

Grund genug für Lanz, Sahra Wagenknecht zu fragen, ob sie ihre Kritik an den Grünen als "überzogen" empfinde. Die BSW-Chefin wiegelte ab: Natürlich hätten viele Menschen "eine immense Wut" auf die Grünen, weil sie für viele Entscheidungen verantwortlich wären, "die das Leben der Menschen verschlechtert haben". Lanz reagierte unbeeindruckt und erinnerte an eine ehemalige Aussage Wagenknechts: "Die Grünen sind die Haupttreiber dieser totalitären Entwicklung."

Sahra Wagenknecht, Markus Lanz, Sabine Adler, Stefan Bratzel, Michael Kellner
Am Mittwochabend sprach Markus Lanz (2.v.l.) mit der BSW-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht (l.), Journalistin Sabine Adler (Mitte), Autoexperte Stefan Bratzel (2.v.r.) und Grünen-Politiker Michael Kellner. © ZDF / Cornelia Lehmann

"Ernsthaft jetzt?!", stichelte Lanz. Sahra Wagenknecht verteidigte ihre Aussage jedoch vehement und sagte: "Ich sehe eine Gefahr - und das betrifft nicht nur die Grünen - dass wir das Meinungsspektrum immer mehr verengen und dass es auch immer mehr Druck gibt auf Menschen." Die Politikerin wetterte weiter: "Ich finde es auch nicht okay, so zu tun, als würden die armen Grünen von allen böse attackiert werden." Ein Argument, auf das Kellner wütend konterte: "Totalitär bezeichnen wir eigentlich Regimes wie Stalin oder Hitler. Und dieser Vergleich ist sowas von ehrabschneidend und ist einfach eine Vergiftung des politischen Diskurses!"

Das war das Rede-Duell des Abends

Noch hitziger ging die Debatte weiter, als es um den Krieg in der Ukraine ging. Sahra Wagenknecht sprach sich dabei mehrmals gegen das "Wettrüsten" und die Stationierung von Mittelstreckenraketen aus und erklärte: "Zunächst mal muss man da die Waffen schweigen lassen, wo die Front jetzt verläuft und dann muss man verhandeln, was passiert in den Gebieten, wo die Russen heute stehen." Lanz hakte skeptisch nach: "Sie wollen dort Referenden abhalten?" Wagenknecht nickte: "Ich fände das eine kluge Idee!"

Eine Aussage, bei der Sabine Adler nur mit dem Kopf schütteln konnte: "Unter Waffengewalt?" Wagenknecht dementierte energisch und führte dann aus: "Es müssen erstmal die Waffen schweigen, dann sollten UN-Beobachter hinkommen. Es muss Frieden einkehren." Erst dann könne man ernsthafte Referenden machen. Eine andere Lösung gebe es laut der Politikerin nicht, denn: "Wenn wir den Krieg verlängern, ist das nicht moralisch."

Sabine Adler sah dies jedoch anders und stellte fest: "Das ist die Legitimierung von Landraub, den Sie vorschlagen!" Wagenknecht reagierte unbeeindruckt: "Wir haben auf dieser Welt ganz viel Landraub", erklärte sie. "Die Vereinigten Staaten besetzen bis heute die Ölfelder Syriens." Adler konterte empört: "Das ist Whataboutism!" Markus Lanz lenkte daraufhin die Debatte auf die Wahlplakate von Wagenknecht, auf denen sie sich gegen Kriegstreiberei stark machte. "Ist die deutsche Bundesregierung - sind das Kriegstreiber?", wollte Lanz wissen.

Markus Lanz, Sahra Wagenknecht
BSW-Politikerin Sahra Wagenknecht stellte im Gespräch mit Markus Lanz klar, dass sie an einer Regierungsbildung in Thüringen interessiert ist. © ZDF / Cornelia Lehmann

Wagenknecht antwortete schwammig: "Aktuell ist die Ampel ein Faktor, der die Kriegsgefahr in Deutschland erhöht." Lanz ließ jedoch nicht locker und fragte erneut: "Sind die Kriegstreiber?" Wagenknecht konterte genervt: "Wenn ich die Kriegsgefahr im eigenen Land erhöhe, dann ist das etwas, was sehr gefährlich ist." Mit Kriegstreibern meine sie konkret Leute, "die darauf setzen, alles mit militärischen Mitteln zu lösen". Sabine Adler reagierte wütend: "Kriegstreiberei ist ein Begriff, der fällt Ihnen nur im Zusammenhang mit dem Westen ein, aber nicht im Zusammenhang mit Russland!"

Diesen Vorwurf wollte Wagenknecht nicht auf sich sitzen lassen und stellte klar: "Ich habe gesagt, dieser Krieg ist ein Verbrechen! Und Politiker, die Kriege beginnen, sind Verbrecher. Und das ist ja wohl eine deutliche Ansage!" Die BSW-Politikerin ergänzte, dass sie sich "nicht in eine Ecke stellen" lassen will und dementierte, "dass ich diesen Krieg in irgendeiner Weise rechtfertige, gutheiße oder irgendetwas. Ich möchte diesen Krieg beenden und ich bin fest überzeugt, mit Waffenlieferungen werden wir diesen Krieg nicht beenden".

Lanz schien davon wenig beeindruckt zu sein und sprach am Ende ein Machtwort. Er wolle nicht, "dass diese Leute in der deutschen Debatte als Kriegstreiber verunglimpft werden. Das möchte ich einfach nicht. Ich finde das nicht in Ordnung!" Auch Sabine Adler fügte hinzu: "Sie beschimpfen die Falschen, das ist das Problem!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz knöpfte sich am Mittwoch vor allem Sahra Wagenknecht vor und befragte sie nicht nur ausführlich zu ihrem politischen Wahlerfolg, sondern auch zu ihrer Haltung gegenüber Russland. Die BSW-Vorsitzende ließ sich von Lanz jedoch nicht beunruhigen und stichelte: "Was ist Ihr Konzept, diesen Krieg zu beenden?" Darauf entgegnete Lanz genervt: "Ich bin nicht der Mann, der das beantworten muss."

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf das Beben bei den Grünen machte Michael Kellner bei "Markus Lanz" deutlich, dass es für seine Partei "eine große Chance" darstellt und "einen Neustart" ermöglicht. "Da wird Robert Habeck an der Spitze sozusagen Verantwortung haben", sagte Kellner.

Als Lanz ihn jedoch nach einer Kursänderung fragte, reagierte der Politiker plötzlich schwammig: "Die Partei hat doch einen gemeinsamen Kurs beschlossen, den sie gemeinsam mitgetragen hat", sagte Kellner. "Wir haben viele Reformen als Bundesregierung gemacht, die gerade erst verabschiedet wurden. Die jetzt ihre Wirkung entfalten."

Der ZDF-Moderator konterte überrascht: "Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche. Aber wenn Sie sagen, 'Wir haben das alles gemeinsam beschlossen und alles Friede, Freude, Eierkuchen', dann muss man nicht am heutigen Tag mit einem riesigen Knall die Parteispitze rauswerfen, (...) um den gleichen Kurs weiterzufahren!" Darauf entgegnete Kellner lediglich: "Aber Herr Lanz, es war kein Rauswurf. Es war eine respektable Entscheidung!"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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Teaserbild: © ZDF/Cornelia Lehmann