Die Außenexperten Ralph Stegner (SPD) und Norbert Rötttgen (CDU) stritten heftig über die Rolle Deutschlands bei Waffenlieferungen an die Ukraine. Ein Journalist prophezeite, dass die Räumung von Lützerath zum "Hartz IV der Grünen" werden könnte. Und eine Iran-Kennerin berichtete von Folter und Vergewaltigungen in Gefängnissen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Das war das Thema bei "Maischberger"

Ist Boris Pistorius der richtige Mann auf dem Posten des Verteidigungsministers? Wie gut führt Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) im Ukraine-Krieg? Und wie ist eigentlich die Lage für die Frauen im Iran? Das waren nur drei der Themen, die Sandra Maischberger in ihrer zweiten Sendung der Woche mit ihren Gästen besprach.

Das waren die Gäste

Norbert Röttgen: Der CDU-Außenpolitiker tritt dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius erstmal offen gegenüber und wünscht ihm Erfolg, weil die Lage historisch gesehen "dramatisch" sei, so Röttgen. Scharfe Kritik übte er an Olaf Scholz, er sprach in der Frage der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine von einer "Isolierung Deutschlands" und "tiefer Enttäuschung" in ganz Mittel- und Osteuropa sowie den baltischen Staaten durch die Position des Kanzlers, der viel zu zauderhaft agiere und sich von anderen Staaten treiben lasse.

Ralf Stegner: Für den SPD-Außenpolitiker kann von Isolation kann "überhaupt keine Rede sein". Dass Deutschland bisher keine schweren Waffen geliefert habe, stimme auch nicht. Er nannte als Beispiele den Schützenpanzer Gepard, Brückenlegepanzer und Mehrfachraketenwerfer. "Das sind doch Märchen, die sie hier erzählen", sagte er zu Röttgen. Scholz stimme sich international ab und habe mit seinem Kurs viel Rückhalt in der Bevölkerung. Außerdem rede die Union "immer nur über Waffen". Stegner will, dass auch eine Verhandlungslösung nicht aus dem Blick gerät.
Seinen Parteikollegen Boris Pistorius hält er – natürlich – für den Richtigen auf seinem neuen Posten. Der Grund: Durchsetzungsstärke, Führungserfahrung, Empathie für die Soldatinnen und Soldaten.

Andrij Melnyk: Der ukrainische Vize-Außenminister und frühere Botschafter in Deutschland setzt große Hoffnung auf Pistorius. Konkret: dass er die "Zeitenwende, die schon vor elf Monaten verkündet wurde, tatsächlich umsetzen kann". Melnyk hofft auf eine Panzerallianz zwischen europäischen und transatlantischen Mächten und neue Waffensysteme wie Kampfjets. Die Art und Weise, wie er seit Kriegsbeginn in Deutschland bei diesen und jenen Behörden um mehr Waffenlieferungen warb und teilweise hingehalten wurde, nannte Melnyk "Hütchenspiel" beziehungsweise "Katz- und Maus-Spiel". Am Ende gab es Applaus für den umstrittenen Ex-Botschafter.

Hubertus Meyer-Burckhardt: Der Moderator und TV-Produzent findet es wichtig, dass der Verteidigungsminister auch eine Vergangenheit in der Bundeswehr hat. Und die hat Pistorius. Dass das Kabinett nun nicht mehr gleichermaßen mit Frauen und Männern besetzt ist, hält er für verschmerzbar. "Die Parität ist in dieser schwierigen Lage hinten anzustellen."

Olaf Scholz ist für Meyer-Burckhardt kein Zauderer, sondern ein nachdenklicher Bundeskanzler. Und Deutschland sei mit nachdenklichen Bundeskanzlern "nicht so schlecht gefahren".

Sarah Bosetti: Die Satirikerin und Autorin bewerte die Paritätsfrage anders. Scholz hätte "vorausschauender denken können", wenn es ihm damit ernst ist, sagte sie. "Warum hat er keine Lösung dafür?" Er hätte schon beim Amtsantritt einen Plan B für jedes Ressort haben müssen, kritisierte sie. Für das vorsichtige Agieren des Kanzlers in Sachen Waffenlieferungen zeigte Bosetti dagegen Verständnis.

Christoph Schwennicke: Der Journalist findet die "Krokodilstränen" des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, der sich über das Ende der Parität in der Regierung beklagt hatte, "rührend". Man solle sich nur mal das Geschlechterverhältnis im bayerischen Kabinett anschauen, so Schwennicke. Auch der Journalist traut Pistorius den Job als Verteidigungsminister zu, "von seinem Persönlichkeitsprofil her".
Und die Frage nach weiteren Waffenlieferungen? Irgendwann vielleicht sogar Kampfjets? Schwennicke hat Bedenken. Er fürchtet, dass die zwei großen No-Gos im Krieg (Ausweitung der Kriegszone über die Ukraine hinweg und die atomare Option) irgendwann keine No-Gos mehr sind. "Dieser Gedanke muss seine Berechtigung haben".

Natalie Amiri: Die ARD-Korrespondentin berichtete am Ende der Sendung vom aktuellen Stand des Volksaufstands im Iran. Der Staat tue "alles erdenklich Brutale, um die Menschen zum Schweigen zu bringen". In den Gefängnissen sitzen inzwischen mehr als 20.000 Protestler, dort werde gefoltert und vergewaltigt. "Das Regime möchte die Menschen brechen", sagte Amiri. Aber der Großteil der Menschen wolle dieses Regime stürzen.

Für sie sei es sehr überraschend, dass Menschen weiter massenhaft auf die Straße gehen, obwohl sie ihr Leben riskieren. Drei Viertel der Frauen in Teheran laufen ohne Kopftuch herum, wisse sie von ihren Quellen. "Sie wollen so leben wie wir hier." Von Deutschland erwartet sie mehr Widerstand gegen Teheran, aber sie zweifelt am politischen Willen. "Bisher hat die Außenpolitik immer auf Lobbyisten der islamischen Republik gehört."

Worum ging es noch bei "Maischberger"?

Ganz kurz sprach das Experten-Trio bei "Maischberger" über die Räumung von Lützerath für den Braunkohleabbau. "Das könnte das Hartz IV der Grünen werden", prophezeite Christoph Schwennicke. Für die Grünen und Robert Habeck sei das Vorgehen gegen die Klimaaktivisten ein "Eiertanz" und könnte der Partei dauerhaft schaden. So wie die Arbeitsmarktreform Mitte der Nullerjahre der SPD.

Bosetti nannte die Klimaproteste "nicht radikal". Radikal ist für sie, dass die Mächtigen der Welt "unsere Lebensbedingungen zerstören".

Und Hubertus Meyer-Burckhardt hält Vergleiche mit der RAF für "absurd". Das seien "groteske Parallelen". Er hätte sich gewünscht, dass RWE freiwillig auf das Abbaggern verzichtet. Schwennecke warf ein: "Von irgendwas muss der Strom kommen". Für ihn beginnt Radikalität mit Gewaltanwendung.

Das war der Moment des Abends

Hubertus Meyer-Burckhardt sorgte mit einer Feststellung für Verwunderung bei Sandra Maischberger. Boris Pistorius habe als erstes Regierungsmitglied gesagt: "Wir sind im Krieg". Die Gastgeberin schaute ihn mit großen Augen an. "Das hat meine Sympathie, weil es der Wahrheit entspricht." Nun kam eine Kunstpause. "Wir sind im Krieg."
Aber stimmt dieses Zitat überhaupt? Tatsächlich hatte Pistorius nach seinem Amtsantritt gesagt, die Bundesrepublik sei "indirekt" an diesem Krieg beteiligt. Das stellte Maischberger später klar – wohl nach einem Hinweis aus der Redaktion.

Norbert Röttgen hatte sich schon vorher gewundert, war aber auch nicht ganz auf der Höhe, was Pistorius genau gesagt hatte. "Wir sind im Krieg" fand er jedenfalls einen fatalen Satz. "Das darf er nicht sagen." Hat er ja auch nicht.

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Das war das Rededuell des Abends

Das Streitgespräch zwischen Ralph Stegner und Norbert Röttgen kochte über, als Stegner die Bedrohung durch russische Atomwaffen thematisierte. Nach dem Motto: Wie wird Putin regieren, wenn sich der Westen mit der Lieferung schwerer Waffen gegenseitig überbietet?

Röttgen kommentierte das trocken: "Das ist das russische Narrativ". Stegner wehrte sich lautstark dagegen, doch Röttgen blieb dabei. In seinen Augen gibt es schlichtweg keine "nukleare Option" in diesem Krieg. "Aber ich weiß das auch alles nicht, man muss die Risiken abwägen". Genau das hatte Stegner ja versucht. Punktsieg für den SPD-Mann.

Das ist das Fazit

Die Prognosen im Ukraine-Krieg bei Sandra Maischberger machten keine große Hoffnung, dass 2023 ein gutes Jahr für das osteuropäische Land werden könnte. Stegner forderte "so viel Militär wie nötig, aber so viel Diplomatie wie möglich". Zweifel, ob mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin ein stabiler Friede zu machen ist, hatte aber jeder bzw. jede in der Runde "Putin hat keine Chance mehr auf ein Zurück", sagte Norbert Röttgen. Was für ihn nur eine Schlussfolgerung zulässt: eine weitere Eskalation in der Ukraine.

Hinter den Argumenten stand wieder die große strategische Frage: Verkürzen mehr Waffen den Krieg, indem sie Russland aus der Ukraine zurückdrängen oder verlängern sie ihn, weil Russland seine Kriegsführung weiter intensiviert und sich ein langer, blutiger Stellungskrieg etabliert? Sarah Bosetti wunderte sich, dass sich immer alle so sicher sind, was die richtige Lösung ist "in so einer verfahrenen Situation". Ihre etwas kokette Frage: Darf man das – unsicher sein – in einer Talkshow? Maischbergers klare Antwort: ja.

Hubertus Meyer-Burckhardt fasste die Diskussion um die Lieferung weiterer schwerer Waffen am Ende einer unterhaltsamen Sendung schließlich treffend zusammen: "Wir sind alle einig: Wir beneiden den Kanzler nicht um diese Frage." Noch diese Woche wird Scholz sich zu dem Thema äußern.

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