Das Nein von Olaf Scholz zur Taurus-Lieferung an die Ukraine hat für viel Unmut gesorgt. Bei "Markus Lanz" verteidigte Ralf Stegner die Entscheidung des Kanzlers und kritisierte die Forderung nach mehr Waffenlieferungen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Anfang der Woche verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz, dass Deutschland keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine senden werde. Bei "Markus Lanz" machte SPD-Politiker Ralf Stegner deutlich, warum er voll hinter Scholz stehe. Dabei geriet er mit Bürgerrechtlerin Irina Scherbakowa und Militärexperte Christian Mölling aneinander.

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Das war das Thema bei "Markus Lanz"

Olaf Scholz hat sich vor wenigen Tagen sein Nein zu einer Lieferung von "Taurus"-Marschflugkörpern an die Ukraine begründet. In seinen Augen sei die Gefahr zu groß, durch das Bereitstellen der komplexen Technologie direkt in den Krieg verwickelt zu werden. Am Mittwoch legte Scholz in einer Videobotschaft nach und verkündete als Reaktion auf eine Aussage des französischen Staatschefs Emmanuel Macron: "Als deutscher Bundeskanzler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden." Markus Lanz blickte auf die prekäre Lage in der Ukraine und beleuchtete die brutale Vorgehensweise der russischen Regierung gegen Kritiker wie Alexej Nawalny.

Das waren die Gäste

  • Ralf Stegner, SPD-Politiker: "Kein Mensch, der bei Sinnen ist, findet irgendwas gut von dem, was der Putin macht."
  • Irina Scherbakowa, Bürgerrechtlerin: "Es gibt in Russland eine lange Tradition der Unfreiheit, eine lange Tradition der Angst."
  • Marcus Bensmann, Journalist: "Den demokratischen Putin hat es nie gegeben."
  • Christian Mölling, Militärexperte: "Wir haben es versäumt, die Verantwortung, die wir gegenüber der Ukraine übernommen haben, zu unterfüttern."

Das war der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Mit Blick auf den Tod von Alexej Nawalny wollte Markus Lanz wissen, warum der Oppositionelle trotz des Giftanschlags auf seine Person im Januar 2021 nach Russland zurückkehren wollte. Investigativreporter Marcus Bensmann, der Nawalny Ende 2020 in Freiburg getroffen hatte, erklärte dazu: "Er hat das nicht gemacht, weil er ein Märtyrer ist, (...) sondern er hat gesagt: Über meine Kraft und innere Stärke werde ich im Grunde genommen dieses System besiegen." Nawalny habe laut Bensmann befürchtet, als Politiker im Exil nicht genug Glaubwürdigkeit zu haben, um etwas im Land zu bewirken. "Er hat damit mit dem Leben bezahlt", konzedierte der Reporter nachdenklich.

Bürgerrechtlerin Irina Scherbakowa, die nach Kriegsbeginn ihre alte Heimat Moskau verlassen hat, machte ihrerseits deutlich, wie gefährlich die Situation für Kritiker im Land ist: "Die wichtigen Figuren aus der Opposition sind fast alle verhaftet." Laut Scherbakowa seien in Russland neue, absurde Gesetze ins Leben gerufen worden, um Oppositionelle "zu drakonischen Strafen zu verurteilen". Die Bürgerrechtlerin weiter: "Jetzt sind alle Schranken weg. Es war nie ein Rechtsstaat, aber momentan ist das natürlich die absolut aggressivste Form einer Diktatur. "Laut Scherbakowa sei vor allem die Angst "ein sehr, sehr wichtiger Mechanismus" in der russischen Gesellschaft. Gerade deshalb sei Nawalnys Hauptbotschaft, "Ihr sollt keine Angst haben", ein Dorn im Auge für Putin gewesen. Nawalny sei daher ganz bewusst in das abgelegene Straflager Polarwolf versetzt worden. "Das war wirklich Mord auf Raten", sagte Irina Scherbakowa.

"Wie muss man sich so ein Straflager vorstellen?", wollte Lanz wissen. Die Bürgerrechtlerin erklärte, dass Nawalny einer jahrelangen Schikane und konstanten Bestrafungen ausgeliefert gewesen sei: "Er war 300 Tage (...) immer in den Strafbaracken." Lanz hakte nach: "Das heißt Isolationshaft?" Scherbakowa nickte und ergänzte: "Das sind ganz enge Zellen. (...) Es ist einfach ein Loch. Du hast nur einen Hocker zum Sitzen und du kannst dich nicht hinlegen. (...) Du hungerst dort." Die russische Bürgerrechtlerin bezeichnete das Vorgehen als Folter. Scherbakowa glaube daher nicht an einen natürlichen Tod Nawalnys, denn "er war der gefährlichste Gegner für Putin".

Das war das Rede-Duell des Abends

Auch die "Taurus"-Absage von Bundeskanzler Scholz griff Markus Lanz in seiner Sendung auf. SPD-Politiker Ralf Stegner wiegelte jedoch prompt ab: "Diese Taurus-Debatte ist doch eine fetischhafte Debatte!" Stegner ergänzte: "Mir kam das in den letzten Tagen vor wie im Fieberwahn. Da wird geredet über Atomwaffen in Europa, da wird geredet über Bodentruppen in der Ukraine!" Laut des Politikers werde so getan, als ob "die Beteiligung von uns am Krieg kurz vor der Tür" stehe. Er habe den Eindruck, "dass die Leute geradezu erwarten, dass der Krieg sich ausdehnt."

Lanz reagierte fassungslos: "Herr Stegner, bitte!" Auch Irina Scherbakowa hielt dagegen: "Russische Truppen sind jetzt in Wirklichkeit in der Offensive. (...) Die Ukraine blutet aus." Militärexperte Christian Mölling warnte derweil, dass "die Taurus-Debatte (...) von den viel größeren Dingen, die schon hätten passieren müssen", um die Ukraine zu sichern, ablenke. Daraufhin platzte Ralf Stegner der Kragen: "Wir haben die Mittel verdoppelt für die Ukraine! Wir sind mit Abstand der zweitgrößte Unterstützer, wir sind der größte in Europa!"

Mölling konterte: "Wir haben in der gesamten Bandbreite nicht das geliefert, was die Ukraine tatsächlich braucht. Wir haben zurzeit einen Schönheitswettbewerb, der sich jetzt auch gerade zwischen Macron und Scholz zuträgt – wer hat was, wann und wie viel geliefert?"

Auch Markus Lanz stichelte in Richtung Stegner, dass die Frage immer lauter werde, wie lange es noch dauert, bis Russland zwei Drittel der Ukraine kontrolliere. "Ich rede doch nichts davon klein!", entgegnete Stegner aufgebracht. Gleichzeitig verteidigte er Olaf Scholz und erklärte, dass er mit seiner Taurus-Absage versuche, "Schaden vom deutschen Volk abzuwenden" und zu verhindern, dass Deutschland zur Kriegspartei werde.

Christian Mölling dementierte dies vehement: "Die Idee, dass Deutschland alleine und unabgestimmt Kriegspartei werden würde, ist aus vielen Gründen einfach eine Nebelkerze!" Laut des Experten sei versäumt worden, "die Verantwortung, die wir gegenüber der Ukraine übernommen haben, (...) zu unterfüttern".

Dem stimmte "Correctiv"-Reporter Marcus Bensmann zu und forderte, dass wir "auf Kriegswirtschaft umstellen". Ein Vorschlag, der Ralf Stegner fast sprachlos machte. Der Sozialdemokrat erklärte, dass man über diplomatische Lösungen reden müsse, anstatt nur auf das Militär zu setzen. "Das Einzige, über das Sie offen diskutieren können, sind Waffen", ärgerte sich der SPD-Politiker. Darauf konterte Bensmann trocken: "Putin ist ein Typ, der verhandelt nicht aus der Position der Stärke. Der verhandelt nur, wenn er die militärische Grenze sieht."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz gelang es, mehrere Themenstränge miteinander zu verknüpfen und jeden Gast zu Wort kommen zu lassen. Dennoch versuchte er vor allem, Ralf Stegner aus der Reserve zu locken. Dieser blieb jedoch standhaft und verteidigte Olaf Scholz, indem er sagte, dass es richtig sei, in Fragen rund um die Waffenlieferungen an die Ukraine "wortkarg" zu bleiben: "Eine Strategie, über die man öffentlich redet, ist keine."

Das war das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" wurde erneut deutlich, wie gefährlich der russische Angriffskrieg für den gesamten Westen ist. Reporter Marcus Bensmann warnte in dem Zusammenhang: "Wenn die Ukraine fällt und die USA sich aus der transatlantischen Bindung verabschieden (...), wird Europa unter russische Dominanz fallen." Die Hilfe an die Ukraine müsse daher nicht nur "aus einem rein empathischen Gefühl" passieren, "sondern wir müssen verstehen: Hier wird das Schicksal Europas, unserer Freiheit und Demokratie, entschieden." Lanz reagierte besorgt: "Das ist ein sehr beunruhigender Gedanke, wenn man den mal zu Ende denkt."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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