Nach den Anschlägen von Brüssel warnen die Sicherheitsbehörden eindringlich vor der Terrorgefahr hierzulande. Wie konkret diese ist und was sich dagegen machen lässt, will ZDF-Journalistin Maybrit Illner mit ihren Gästen diskutieren. Die Ergebnisse sind sehr konkret.

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Was ist das Thema?

"Paris, Ankara, Brüssel – der Terror geht weiter. Schwer ist es da, kühlen Kopf zu bewahren", meint ZDF-Journalistin Maybrit Illner und führt ins Thema ein. Sie verweist auf die Attentate in Brüssel, erklärt, dass auch dort die Attentäter mordeten, wo sie geboren wurden, "in ihrer Heimatstadt". Auch Deutschland habe solche Feinde im eigenen Land, meint Illner und fragt: "Was tun gegen diesen Terror?"

Wer sind die Gäste?

Düzen Tekkal, deutsche Fernsehjournalistin. Sie war als Autorin verantwortlich für den Film "Deutschland ist bedroht. Warum wir unsere Werte verteidigen müssen". Tekkal bereiste den Irak und kam 2014 zurück. "Mein Deutschland war in den zwei Jahren seither nicht mehr so sicher", sagt sie und meint eine höhere Terrorgefahr durch die hohen Flüchtlingszahlen ausgemacht zu haben.

"Wir müssen gucken, wen wir uns ins Land holen. Ich würde mir auch eine andere Wahrheit wünschen", sagt sie. "Aber: Bei aller Willkommenskultur reden wir von Terrorismus. 750 Deutsche haben sich auf den Weg in den Irak gemacht und morden jetzt, das sind unsere missratenen Söhne."

Sie fordert "die vielen Millionen Muslime, die hier leben" auf, sich von den radikalen Islamisten zu distanzieren. Tekkal, die viel recherchierte, malt allgemein ein düsteres Bild. "Ich glaube, dass es hier No-Go-Areas gibt, Clans, die bestimmte Viertel beherrschen", sagt sie und spricht sich für ein Integrationsgesetz aus.

Wolfgang Bosbach, CDU, langjähriger Vorsitzender im Innenausschuss des Bundestages. Er fordert eine gemeinsame europäische Lösung und eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. "Das wird ein langer, zäher Kampf", meint er und verlangt nach einem besseren Datenaustausch zwischen den Staaten. "Es war ein Fehler der Behörden, zu behaupten, dass unter den Flüchtlingen keine Terroristen seien", sagt auch er. "Einer der Attentäter von Paris war zwischenzeitlich in Ulm."

Bodo Ramelow, Die Linke, Ministerpräsident Thüringen. Er ist der Optimist in der Runde. "Wir haben alle Flüchtlinge mittlerweile erfasst. Und ich hoffe, dass das weiter der Fall sein wird", sagt der Landespolitiker und glaubt nicht, dass in Deutschland Banlieues, Randgesellschaften, wie in Paris entstehen werden. Gemäß seiner politischen Ausrichtung geht es ihm darum, den Sozialstaat zu stärken, "damit keiner abgehängt wird". Soziale Ungleichheit sei schließlich der Nährboden für Terrorismus.

Dominic Musa Schmitz, konvertierte mit 17 zum Islam, verbrachte sechs Jahre im harten Kern der deutschen Salafistenszene. Er schildert, warum die Salafistenszene für ihn einst so attraktiv war. "Die Salafisten haben auf alle Probleme einfache Antworten parat", erzählt er. "Als 17-Jährigen ist man empfänglich dafür."

Schmitz ist weiter Moslem, kritisiert, dass Terror immer mit dem Islam in Verbindung gebracht wird. Es gebe auch christliche Terroristen, meint er und nennt das Beispiel Anders Breivik aus Norwegen. Illner fragt ihn, warum er sich schließlich gegen die radikale Salafistenszene entschied. "In dem Moment, als ich realisiert habe, dass ich keine Identität mehr hatte, sondern diese Ideologie alles bestimmt hat", erklärt er. "Ich wollte selber entscheiden, wen ich liebe und nicht mehr die Welt in schwarz und weiß teilen."

Franz Meurer, Pfarrer in den Kölner Stadtteilen Höhenberg und Vingst. Er kommt von der Basis – und erklärt, wie es gehen kann. "Wir machen das, was Terrorismus verhindert", sagt er und nennt Beispiele für Integration in seiner Gemeinde, in der fast 70 Prozent der Bürger Muslime sind. Unter anderem hätten Jesiden ihren eigenen Religionsraum gestellt bekommen – und einen eigenen Friedhof. "Bei einer Vielfalt an Kulturen und Religionen brauchen wir ein Wir", sagt er, "das die Gefahr auffängt."

Peter Neumann, Terrorismus-Experte vom Londoner King's College. Der Experte warnt und beschwichtigt zugleich. "Wir reden von einer vierstelligen Zahl an Extremisten, die nach Syrien gingen", sagt er und erklärt, dass die Gefahr viel größer sei als noch zu Zeiten Al-Qaidas. "Es wurden aktiv Deutsche rekrutiert", schildert er, als ihn Illner auf die Terrorgefahr hierzulande anspricht.

Neumann bemängelt Fehler der Ermittler, dass die meisten Namen der Gefährder bei den Geheimdiensten und nicht bei der Polizei seien, die aber wiederum Europol bediene. "Ich war in Molenbeek und in Neukölln, Neukölln ist nicht Molenbeek", erklärt er auf die Verhältnisse in Belgien angesprochen. "Da hat sich eine Szene ausgebildet, die es so in Deutschland nicht gibt. Da haben sich Dschihadisten eingenistet, ohne dass es die Behörden mitbekommen haben." Im Gegensatz zu den belgischen Behörden seien die deutschen aber viel professioneller, erklärt er.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Bosbach gegen Ramelow. Es geht darum, wann Flüchtlinge als asylbedürftig anerkannt werden und wann nicht. Der CDU-Politiker stellt den Kollegen von der Linken indirekt als ahnungslos dar. Ramelow entgegnet: "Mir müssen Sie das nicht erklären." Der Thüringer Regierungschef attackiert wiederum Bosbach, sagt, dass die Bundesverwaltung nicht in der Lage sei, "die Verfahren zu bearbeiten". Gemeinsam driften sie immer mehr vom Thema ab. Bosbach: "Wir wollen prüfen, wann Schutzbedürftigkeit besteht." Ramelow: "Dann werden Kinder in der Schule von der Polizei abgeholt. So schaffen wir Milieus."

Was war der Moment des Abends?

Neumann gibt eine vermeintlich ganz simple Antwort darauf, wie man der Terrorgefahr hierzulande begegnen kann. "Prävention ist im Prinzip nicht schwierig. Es geht darum, die Leute anzusprechen", sagt er, "sich mit ihnen zu beschäftigen." Bleibt zu hoffen, dass es wirklich so einfach ist.

Wie hat sich Illner geschlagen?

Durchwachsen. Sie sucht zu wenig nach konkreten Antworten, die für den Zuseher greifbar sind. Meurer und auch Neumann führen solche aus. Doch Illner hakt nicht mehr nach. Stattdessen wird wieder viel über die Flüchtlingskrise gesprochen, obwohl diese nicht das eigentliche Thema ist. Zum Schluss kann sie Bosbach und Ramelow gar nicht mehr einbremsen.

Was ist das Ergebnis?

Dass es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die Terrorgefahr zu bannen. Es geht um die Beschäftigung mit ausgegrenzten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, von der Neumann sprach. Damit diese sich gar nicht erst radikalisieren lassen. Nur so, und nicht erst durch schwerbewaffnete Sicherheitsbehörden, lässt sich der drohende Terror hierzulande nachhaltig bekämpfen.

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