Die vierte Corona-Welle trifft Deutschland so schwer wie keine zuvor. In dieser Zeit sortiert sich die neue Ampel-Regierung und beschließt ein neues Infektionsschutzgesetz. Reichen die Maßnahmen, um die Welle zu brechen? Eine Journalistin zeigt sich über Robert Habecks Erklärung für das zaudernde Handeln der Politik schockiert.
Eigentlich wollte sich die neue Regierung lieber mit dem klimapolitischen Umbau und der Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft befassen. Doch die Pandemie überlagert alle anderen Themen und wird für die Ampel-Koalition zur ersten Belastungsprobe. Die Union muss sich derweil erst in die Rolle der Opposition einfinden. Das Virus aber kennt keine Interimsphasen.
Das ist das Thema bei "Illner"
Bisher 100.000 Corona-Tote in Deutschland insgesamt und fast 76.000 Neuinfektionen an nur einem Tag stürzen die neue Ampel-Regierung aus SPD, FDP und Grünen schon bei Start in den Krisenmodus. Doch während die alte Regierung nicht gut aufhört, hat die neue Startschwierigkeiten.
Welche Partei gibt in diesen Zeiten den Ton an? Wie stabil bleibt die Dreier-Koalition unter Belastungen wie Klimawandel, Inflation und Pandemie? Darüber diskutierte Moderatorin Maybritt Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen.
Das sind die Gäste
"Die vierte Welle ist bedrohlicher als alle Wellen davor, aber sie kann gebrochen werden", sagte
"Wenn es nicht klappt, müssen wir mit dem großen Vorschlaghammer draufhauen und wieder alles dicht machen", warnte er. Es habe der neuen Regierung bislang an der Wissensgrundlage, über die die Bundesregierung verfüge, für Entscheidungen gefehlt. "Diese Krise ist aber nicht unter einer Ampel-Regierung gescheitert", betonte Habeck.
Mit dem Finger auf die Bundesländer zeigte der FDP-Generalsekretär und designierte Verkehrsminister
"Die Maßnahmen, die wir zurückgenommen haben, werden wir nicht in Gänze wieder einführen", versicherte er. Eine Impfpflicht müsse verfassungsrechtlich sorgfältig geprüft werden, klar sei aber: "Sie wird nicht das Problem des Dezembers 2021 lösen."
Kritik an den Plänen der neuen Bundesregierung übte Journalistin Henrike Roßbach vom Parlamentsbüro der "Süddeutschen Zeitung". "Ich fürchte, die Instrumente werden nicht reichen", warnte sie. Dem Virus sei egal, ob die Regierung sich in einer Interimsphase befände.
"Zehn Tage 'Wir gucken mal' ist keine gute Idee", so Roßbach. Der neue Krisenstab müsse nun endlich für ein reibungsloseres Zusammenarbeiten von Bund und Ländern sorgen.
"Das Ausland schaut kopfschüttelnd auf uns", sagte Journalistin Christiane Hoffmann aus dem Hauptstadtbüro des "Spiegels". Entscheidungen in der jetzigen Zeit würden zeigen, wie stabil die neue Regierung sei.
"Appelle hat es genug gegeben, wir werden an einer Impfpflicht nicht vorbeikommen", sagte Hoffmann. Ihre Kritik an
"Die neue Regierung scheitert schon, bevor sie im Amt ist", meinte CDU-Politiker Norbert Röttgen. Zwar habe auch die gegenwärtige Regierung Versäumnisse zu verantworten, die jetzige habe sich aber vergaloppiert.
"In dieser Katastrophe können wir nicht im Modus von Regierung und Opposition verhandeln. Wir haben überparteiliche Verantwortung", appellierte er. Als Zeichen einer solchen Überparteilichkeit sollten die ehemalige Kanzlerin Merkel und der neue Kanzler Scholz eine Ansprache an die Nation halten.
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Das ist der Moment des Abends bei "Illner"
Robert Habeck hat sich in die Bredouille gebracht: Er will erklären, warum die Politik immer zu spät entscheidet, sich dabei aber selbst nicht den Schuh des Scheiterns anziehen. Eine "Wissensgrundlage", wie der Bundesregierungs-Apparat sie habe, fehle der Ampel-Koalition, druckst er umständlich herum.
"Wenn Gesundheitsminister Spahn sagt: 'Jetzt alle boostern'‘, können wir ja nicht voraussehen, dass gar nicht genug Impfstoff da ist", rechtfertigte er sich.
Der Mensch sei ein träges Wesen, dieser "menschlicher Mangel" erkläre, warum die Maßnahmen immer zu spät umgesetzt würden. Journalistin Christiane Hoffmann zeigte sich von dieser Argumentation schockiert: "Es geht doch nicht um innere Trägheit!"
Politische Führung bedeute, Bürger vom richtigen Handeln zu überzeugen. "Experten haben sich den Mund fusselig geredet. Jetzt im Nachhinein zu sagen, wir wussten es nicht – das schockiert mich auch als Bürgerin", sagte sie. Habeck sei gewählter Politiker. "Sie sind gewählt dafür, dass Sie nicht träge sind", erinnerte sie ihn.
Das ist das Rede-Duell des Abends
Es ist einer der typischen Momente, in denen der Appell an überparteiliche Verantwortung schon wieder vergessen scheint: "Es gab bei der Bundesregierung eine gravierende Fehleinschätzung der pandemischen Lage", holte Volker Wissing (FDP) zum Angriff aus.
Es ist Journalistin Henrike Roßbach, die Röttgen in diesem Moment daran erinnert: "3G am Arbeitsplatz, eine Impfpflicht für bestimmte Bereiche – das hätte schon im Sommer kommen müssen. Vor wenigen Wochen noch durfte der Arbeitgeber nicht einmal den Impfstatus erfragen".
Auch, als Röttgen (CDU) kurz darauf Habeck angreift und sagt: "Das RKI publiziert doch täglich Daten, Sie können nicht so tun, als wären sie im Tal der Ahnungslosen", erwidert dieser nur schnippisch: "Liest die denn keiner in der Bundesregierung?"
So hat sich Maybritt Illner geschlagen
Erst kurz vor Schluss kommt Moderatorin Maybritt Illner zu den Fragen, die sie der Runde eigentlich stellen wollte: Was nämlich ist eigentlich mit den Themen klimapolitischer Umbau, Inflation und dem Ukraine-Konflikt?
Vorher: Zu viel Durcheinandergerede, zu viele Blicke in die Vergangenheit und zu viele Fragen über Fehler der anderen. Der Frage, welche Partei aktuell den Ton angibt, geht die Moderatorin am Donnerstagabend nicht wirklich nach. Nur, als es um einrichtungsbezogene Impfpflichten geht, gelingt es Illner den FDP-Generalsekretär Volker Wissing in die Ecke zu treiben.
Das ist das Ergebnis bei "Illner"
Zwar appellieren die Parteivertreter immer wieder, nicht gegenseitig mit dem Finger aufeinander zu zeigen, tun es dann aber die gesamte Sendung über dennoch. Statt überparteilicher Verantwortung gibt’s Streit über die Frage: Wer ist schuld an der aktuellen Pandemielage? Dabei wandert der schwarze Peter immer wieder zwischen ehemaliger und designierter Regierung hin und her.
Auch beim Dauerthema Impfpflicht kommt die Debatte nicht voran. Der Konsens, eine Diskussion sei notwendig, die Impfpflicht müsse aber verfassungsrechtlich geprüft werden, ist nichts Neues. Wichtiger Hinweis der Talkshow-Teilnehmer aber: Die Impfpflicht wird den Corona-Winter 2021 nicht retten.
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