Der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar wirbt in der ZDF-Talkrunde "Maybrit Illner" für die Impfung gegen das Corona-Virus, befürchtet bei der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht aber eine Trotzreaktion. Die Journalistin Eva Quadbeck kritisiert Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für das Hin und Her beim gleichen Thema, Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek nimmt Bundeskanzler Olaf Scholz in die Pflicht.

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Omikron ist längst in Deutschland angekommen, die Neuinfektionen erreichen derzeit fast täglich neue Rekordwerte. Doch wie soll man umgehen mit der oft zitierten "Omikron-Wand", die uns voraussichtlich extrem viele Infektionen, aber auch mildere Verläufe bescheren wird? "Welle oder Wende – ändert Omikron die Corona-Politik?", lautete deshalb die Ausgangsfrage, über die die Talkrunde am Donnerstagabend bei "Maybrit Illner" im ZDF diskutierte.

Mit folgenden Gästen diskutierte Maybrit Illner:

  • Manuela Schwesig: Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern war aus Schwerin zugeschaltet. "Wir bereiten uns auf das Schlimmste vor und hoffen auf das Beste", sagte die SPD-Politikerin zu Beginn der Sendung.
  • Klaus Holetschek: Der bayerische Gesundheitsminister war ebenfalls per Video aus München ins Studio zugeschaltet. Der CSU-Politiker ist ein Befürworter der allgemeinen Impfpflicht. Gleichzeitig musste er erklären, warum Bayern bei den Coronamaßnahmen ausschert und kein 2G plus in der Gastronomie eingeführt hat.
  • Melanie Brinkmann: Die Virologin ist seit Ende des vergangenen Jahres stellvertretende Vorsitzende des neu eingesetzten Corona-Expertenrats der Bundesregierung. Brinkmann ärgerte sich darüber, dass die Zahlen und Statistiken auch nach zwei Jahren Pandemie noch oft verzögert eintreffen und warnte davor, Omikron zu unterschätzen. "Den Vergleich mit der Grippe mag ich immer noch nicht. Covid-19 ist eine schwere Erkrankung. Es ist ein Virus, das sehr schwer krankmachen kann", sagte sie.
  • Ranga Yogeshwar: Der Wissenschaftsjournalist warb für die Impfung. "Wären alle geboostert, bräuchten wir über Omikron nicht reden", sagte der Physiker. Gleichzeitig zeigte er sich einer Impfpflicht gegenüber kritisch.
  • Eva Quadbeck: Die stellvertretende Chefredakteurin und Leiterin des Hauptstadtbüro des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) war neben Brinkmann als einzige vor Ort im Studio. Die Journalistin glaubt nicht, dass eine allgemeine Impfpflicht kommen wird, weil die Politik bei dem Thema zu zögerlich ist. "Wenn man eine solche politische Kehrtwende macht, dann muss man schnell um 180 Grad drehen", sagte sie: "Je länger man jetzt diskutiert, umso unwahrscheinlicher wird es."
  • Anne Arend: Die ZDF-Korrespondentin für Südwesteuropa wurde aus Paris zugeschaltet und erklärte anschaulich, warum die Impfquote in Spanien sehr viel höher ist als in Deutschland. "Spanien wurde in der ersten Welle sehr viel heftiger getroffen", erzählte Arend, die Bilder von sterbenden Menschen in überfüllten Krankenhäusern und der lange und harte Lockdown hätten dazu geführt, dass die Impfung praktisch herbeigesehnt wurde. Außerdem genieße das spanische Gesundheitssystem ein sehr hohes Vertrauen bei der Bevölkerung.

"Maybrit Illner": Die Impfpflicht war das große Thema

Muss nun eine Impfpflicht kommen oder nicht? Darüber diskutierte die Talkrunde am Donnerstag über weite Strecken der Sendezeit. Dabei gab keine Zweifel daran, dass Deutschland eine sehr hohe Impfquote brauche, die Meinungen, wie diese erreicht werden könnte, waren aber sehr unterschiedlich. "Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter der Impfung. Aber ich bin in gewisser Weise ein Skeptiker der Impfpflicht", sagte Yogeshwar mit Blick auf die Spaltung der Gesellschaft: "Durch eine Pflicht erzeugen wir so etwas wie eine Trotzreaktion."

Der Wissenschaftsjournalist nannte Tom Sawyer als mögliches Beispiel, wie man Impfgegner vielleicht doch noch zum Impfen bringen könne. Mark Twains Romanheld überzeugte seine Freunde davon, dass es eine Ehre sei, einen Zaun zu streichen. Schließlich erledigten diese mit großer Freude seine Arbeit. Wie mit solchen Tricks allerdings überzeugte Impfgegner konkret erreicht werden könnten, erklärte Yogeshwar nicht.

Auch die Journalistin Quadbeck glaubt nicht mehr, dass eine allgemeine Impfpflicht durchsetzbar ist. Vor allem weil die Politik zu lange zögerte und zu oft ihre Meinung änderte. "Da haben sich alle Parteien nicht mit Ruhm bekleckert", sagte sie und kritisierte auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. "Beim Thema Impfpflicht kann ich ihn überhaupt nicht mehr nachvollziehen", sagte Quadbeck: "Da hat er eine Wende gemacht. Er hat erst gesagt, er legt einen Gesetzentwurf vor. Und nun will er keinen Gesetzentwurf vorlegen. Da kommen die Leute nicht mehr mit."

Manuela Schwesig fühlte sich daraufhin verpflichtet, ihren SPD-Genossen zu verteidigen und nannte ihn einen "super Gesundheitsminister." Auch Holetschek nutzte das Thema für Parteipolitik und machte Druck auf die Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz. "Das Thema muss Chefsache sein. Da muss der Kanzler jetzt liefern", forderte der CSU-Politiker.

Die Klarstellung des Abends bei Maybrit Illner:

Die Virologin Melanie Brinkmann betonte immer wieder die Wichtigkeit der Impfung. "Dieses Narrativ, dass die Infektion etwas Natürliches und Tolles und besser als die Impfung ist, welches da draußen in manchen Bubbles kursiert, ist grundlegend falsch", erklärte die Viren-Expertin: "Die Natur ist grausam. Und viele haben anscheinend vergessen, dass wir durch Impfungen sehr viele Menschen gerettet haben. Im 18. Jahrhundert ist jeder zehnte Brite an den Pocken gestorben. Und das haben wir durch die Impfung in den Griff bekommen." Der kurze Weg aus der Pandemie und aus den Maßnahmen führe nur über eine hohe Impfquote, daran ließ Brinkmann keinen Zweifel.

Der Schreckmoment des Abends bei Maybrit Illner:

Für den sorgte ebenfalls Melanie Brinkmann. Dass die mangelhafte Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem und die damit verbundene schleppende Erfassung der Statistiken und Zahlen ein großes Problem in dieser Pandemie ist, darüber waren sich alle einig. "Wenn ich in zwei Jahren hier wieder sitze und dann in der nächsten Pandemie immer noch darüber reden soll, dann weiß ich auch nicht, was ich noch sagen soll", ärgerte sich die Virologin. Die nächste Pandemie? Alleine der Gedanke an diese Möglichkeit dürfte bei dem einen oder anderen Zuschauer am Donnerstagabend für eine erhöhte Herzfrequenz im Fernsehsessel gesorgt haben.

Fazit:

"Maybrit Illner" war am Donnerstagabend eine ziemlich zahme Talkrunde, in der mit Melanie Brinkmann und Ranga Yogeshwar die Wissenschaft sehr viel Redezeit bekam. Auch über die Impfpflicht wurde sehr sachlich diskutiert, Talkmasterin Illner hatte deshalb keine Mühe, die Sendung zu leiten. Wirklich neue Erkenntnisse oder Aufreger gab es aber auch nicht.

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