Deutschland in der Rezession: Bei Maybrit Illner suchten Koalitionäre und Experten nach dem Rezept aus der Krise.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Den größten Optimismus versprühte ein in Dänemark geborener CDU-Landesminister aus dem hohen Norden, der den Deutschen ihre Miesepetrigkeit unter die Nase rieb.

Mehr aktuelle News

Das war das Thema

Unter dem Titel "Wende oder Ende: Gefährdet die Ampel den Wohlstand?" diskutierte Maybrit Illner mit ihren fünf Gästen über den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das Land befindet sich in einer wirtschaftlichen Rezession und die Meinungen, wie die riesigen Probleme gelöst werden sollen, gehen innerhalb der Ampelpartner weit auseinander. Derzeit überbieten sich SPD, Grüne und SPD mit Gipfeln und Vorschlägen. Aber alle guten Ideen drohen im vorgezogenen Wahlkampf zu verpuffen – oder an der Uneinigkeit in der Regierung zu scheitern.

Das waren die Gäste

  • Saskia Esken: Die SPD-Parteivorsitzende nannte ein Treffen der FDP-Fraktion mit Wirtschaftsverbänden am selben Tag eines Industriegipfels im Kanzleramt "ein bisschen seltsam" und "interessant". Vor allem die "große Inszenierung" irritierte sie. "Ich weiß nicht, was das soll, aber so ist es nun mal." Esken lobte die Wachstumsinitiative der Regierung, von deren 49 Punkten die Hälfte aber noch nicht mal im Bundestag angekommen ist. Als sie sich über die "Sturheit der FDP" beim Festhalten an der Schuldenbremse aufregte, schüttelte FDP-Fraktionschef Dürr mit dem Kopf
  • Christian Dürr: Der Bundestagsfraktionschef der Liberalen sieht Deutschland vor einer Richtungsentscheidung: "Gehen wir eher einen staatlichen Weg, wo es eher um Regeln geht und möglicherweise um Subventionen und Konjunkturprogramme, oder gehen wir einen marktwirtschaftlichen Weg, der ausdrücklich auf Deregulierung setzt, der bürokratisch entlastet, der auf steuerliche Entlastung setzt, der die Kräfte der Marktwirtschaft wieder weckt?" Dürr betonte, dass Deutschland in erster Linie kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem habe. Auch plädierte er leidenschaftlich für mehr Bürokratieabbau.
  • Claus Ruhe Madsen: Der CDU-Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein forderte mehr Zusammenarbeit, um Deutschland voranzubringen. Er sprach von einem "Deutschland-Plan", bei dem ein "Team Deutschland" gemeinsam für das Wohl des Landes arbeiten soll. Als Vorbild nannte er den Geist von Minderheitsregierungen, die in seinem Heimatland Dänemark üblich sind. Dort bringen alle ihre besten Ideen ein.
  • Christiane Benner: Die Erste Vorsitzende der IG Metall bezeichnete den geplanten massiven Stellenabbau bei VW in Deutschland als "Schock" und "Weckruf für ganz viele". Die Arbeitnehmer würden von einer Regierung erwarten, dass sie die Probleme löse. "Da ist derzeit einfach ein anderes Gefühl", sagte Benner. "Die Verunsicherung ist groß." Sie kritisierte die hohen Energiekosten und die Bürokratie und betonte: "Wir könnten so viel".
  • Jörg Dittrich: Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) forderte die Ampel auf, einen Plan zur Lösung der Wirtschaftskrise auf den Tisch zu legen. Eine Regierung habe nicht nur eine Verantwortung, sondern auch eine Verpflichtung. Deshalb sei es seine "klare Erwartung", dass von der Ampel ein "einheitliches, abgestimmtes Konzept" komme. Dittrich beklagte ein stilles Sterben im Handwerk. Allein in diesem Jahr würden 80.000 Arbeitsplätze abgebaut. Ein großes Problem sieht er in der Bürokratie aus Brüssel.
Maybrit illner
Die Gäste (v.l.): Christiane Benner, Claus Ruhe Madsen, Maybrit Illner, Christian Dürr, Saskia Esken und Jörg Dittrich. © ZDF/Jule Roehr

Das war der Moment des Abends

Claus Ruhe Madsen ist in zwei Welten zu Hause. Der gebürtige Kopenhagener liest am morgen die dänischen Nachrichten. "Da steht was von Wohlstand, Wachstum, Aufschwung. Man denkt: oh super." Dann wechselt er zu den deutschen News. "Das sind ganz andere Nachrichten. Und dann denkt man: Ich hab's verstanden", erzählte Madsen etwas überspitzt. "Wir werden alle sterben. Hauptsache, es geht schnell." Der Deutsch-Däne findet es immens wichtig, dass Deutschland wieder "mehr Zuversicht" bekommt. Denn daran mangelt es in seinen Augen massiv.

Das war das Rededuell des Abends

Christian Dürr betete das wirtschaftspolitische Einmaleins der FDP herunter: So will er sich in der Ampel "gemeinsam auf ein marktwirtschaftliches Reformkonzept verständigen, was in diesem Land wieder für Wachstum sorgt". Wie exakt ein Kompromiss mit den Partnern aussehen könnte, ließ er offen. Er scheint einfach zu hoffen, dass plötzlich alle die reine Lehre der FDP gut finden.

Das brachte CDU-Mann Madsen auf die Palme. "Aber wer soll ihnen das denn ernsthaft abnehmen? Es ist jede Woche ein Brainstorming entweder von einem Ministerium oder einem Minister oder vielleicht von der Bundesregierung. Oder sie sitzen zu dritt zusammen. Drei Tage später weiß keiner was davon. Oder einer war nicht da, oder es wird so behauptet. Die Garantie besteht eigentlich darin, dass es nicht umgesetzt wird." Madsen forderte mehr Ehrlichkeit. Die kleinlaute Antwort Dürrs ging dann in der nächsten Frage unter.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Die Gastgeberin gab sich alle Mühe, aus FDP-Fraktionschef Dürr ein paar ehrliche Worte zum Ampel-Zoff zwischen Liberalen-Chef Christian Lindner und dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck herauszukitzeln. "Sie führen sich in der Öffentlichkeit gegenseitig vor, sie sprechen sich die Kompetenz ab", stellte Illner fest. Aber Dürr ließ sie auflaufen: "Frau Illner, ich will auf die inhaltlichen Punkte zurück."

Später bot Illner Saskia Esken die Stirn, die über die schwierigen Rahmenbedingungen der Regierung referierte (Ukraine-Krieg, Corona), was ihr zu wenig lösungsorientiert war. "Die Leute machen sich ja in die Zukunft sorgen, Frau Esken", sagte Illner zur SPD-Chefin. Großes Manko der Diskussion blieb, dass nie wirklich deutlich wurde, wie ein wirtschaftspolitischer Kompromiss innerhalb der Regierung aussehen könnte.

Das ist das Fazit

85 Prozent der Menschen denken laut einer Umfrage, dass die Regierung keine durchdachten Konzepte zur Lösung von Krisen hat. Ein Eindruck, den auch diese Sendung nicht korrigieren konnte. Kaum jemand schaute skeptischer als FDP-Mann Dürr, wenn die Sozialdemokratin Esken über ihre Ideen zur Lösung der Wirtschaftskrise sprach. Das Ende der Schuldenbremse ist für die FDP ein No-Go. Einig waren sich die Koalitionäre immerhin beim Bürokratieabbau und darin, dass Deutschland mehr Investitionen benötigt.

Handwerkspräsident Dittrich sagte sarkastisch, die einzige Chance der Ampelregierung sei es, das Gegenteil der schlechten Umfragen zu ihrer Kompetenz zu beweisen. Er befürchtet in Wahrheit, dass der Wahlkampf so langsam eingeläutet wird. Drastischer beschrieb die Regierungskrise Claus Ruhe Madsen. "Deutschland hat es nicht verdient", sagte der CDU-Minister, "in Sippenhaft zu sein." Deutschland, so konnte man den gut gelaunten Madsen verstehen, müsse eine Sache tun, um wieder auf die Beine zu kommen: etwas mehr Dänemark wagen.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.