Die Lage an der Front hat sich zuletzt für die Ukrainer verschlechtert und noch immer ist kein Ende des Krieges in Sicht. Kann man sich mit Putin an einen Verhandlungstisch setzen? Die Runde bei Illner fand dabei am Donnerstagabend eine eindeutige Antwort. Außerdem benannte Linkspolitikerin Mohamed Ali einen Kurs, der aus ihrer Sicht gescheitert ist und Klingbeil sprach an einer Stelle von einem Punkt, "der der deutschen Öffentlichkeit wahnsinnig Angst macht".

Eine Kritik
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Es sei an der Zeit, darüber nachzudenken, wie man den Krieg beenden kann – sagte Rolf Mützenich von der SPD. Koalitionspartner und Union reagierten empört auf die Rede des Abgeordneten im Bundestag. Sie sehen die SPD im Rückwärtsgang. Bringen nur mehr Waffen einen echten Frieden?

Das ist das Thema bei "Illner"

Unter dem Titel "'Krieg einfrieren' – vor Putin kapitulieren?" diskutierte Maybrit Illner mit ihren Gästen über Szenarien für ein Kriegsende in der Ukraine. Was wäre beispielsweise, wenn die Ukraine nicht mehr militärisch siegen kann – muss man sich dann mit Putin an den Verhandlungstisch setzen? Ebenso ging es um Einigkeit in der westlichen Welt und der Ampel-Regierung sowie um die Rolle der USA und die Gefahr einer atomaren Eskalation.

Das sind die Gäste

  • Lars Klingbeil (SPD): "Das ist jetzt gerade das Dringendste: Dass die Ukraine Luftabwehr bekommt, dass sie Artilleriemunition bekommt, wo wir als Europäer viel besser werden müssen", so der Parteivorsitzende. Er glaube aktuell nicht, dass man sich mit Putin an einen Tisch setzen kann. Das entscheide aber die Ukraine. "Wir wollen, dass die militärische Unterstützung weitergeht und trotzdem darf man auch über Frieden reden, das ist kein Widerspruch", so Klingbeil.
  • Amira Mohamed Ali (BSW): "Das Argument, man muss die Ukraine durch Waffenlieferungen erstmal in die Lage versetzen, dass sie eine bessere Verhandlungsposition hat, wird schon sehr lange geäußert. Aber die Realität ist eine andere. Die Lage für die Ukraine hat sich verschlechtert ", sagte die Linkspolitikerin. Dieser Kurs sei gescheitert.
  • Leonid Wolkow: Der Nawalny-Vertraute sagte: "Ich bin in Russland auf der Terroristenliste eingetragen." Der Kreml betrachte es als legitimes Ziel, ihn umzubringen. Er habe einen starken Glauben daran, ein freies und demokratisches Russland zu sehen. "Den Begriff Einfrieren finde ich sinnlos. Man kann etwas nicht einseitig einfrieren und Putin ist für keinen Waffenstillstand", so Wolkow. Man könne mit Putin nicht verhandeln, denn er halte sein Wort nicht.
  • Sabine Adler: "Es ist eine Demonstration nach außen: Wir nennen hier etwas Wahl, so wie ihr etwas Wahl nennt, aber wir meinen mit dieser Wahl etwas vollkommen anderes", so die ehemalige Moskau-Korrespondentin über Putins Wiederwahl. Mützenich habe mit seiner Rede und dem Satz zum "Einfrieren" einen Teil der Partei bedienen wollen, den die SPD noch nicht hinter sich habe. Die SPD arbeite mit einer gewollten Zweideutigkeit.
  • Paul Ronzheimer: Der stellvertretende Bild-Chefredakteur berichtete, was ihm ukrainische Soldaten über die Lage an der Front mitgeteilt hatten: "Die Russen können sie zehnmal angreifen, sie können nur einmal antworten. Es ist für sie absolut katastrophal." Es mangele in der Ukraine an Munition und Mobilisierung. "Ich habe mit mehreren Politikern in Kiew gesprochen. Die sind erschüttert und fassungslos über das, was Rolf Mützenich da im Bundestag gesagt hat."

Das ist der Moment des Abends bei "Illner"

Kluge Analyse und interessanter Einblick. Ronzheimer berichtete: "Anders als wir hat es Russland geschafft, mit Partnern wie Nordkorea oder dem Iran alles zu umgehen und Material aufzubauen und dort hinzuschaffen." Er fahre etwa alle drei bis vier Wochen an die Front. Jedes Mal, wenn er dort sei, erlebe er, dass die Lage schlechter geworden sei. "Die Ukrainer an der Front sagen: Wie kann es sein, dass ihr in Europa und den USA es nicht schafft, uns so viel zu geben, dass wir uns verteidigen können?"

Die Soldaten würden keine Bodentruppen aus dem Westen wollen. Aber sie bräuchten Munition und würden sich fragen: "Wie kann es sein, dass diese westliche Welt, die so modern ist, das nicht schafft?"

Das ist das Rede-Duell des Abends

Ronzheimer sagte: "Für uns alle ist es sehr viel gefährlicher, Angst zu haben vor Wladimir Putin, Angst vor dieser taktischen Atomwaffendiskussion zu haben, Angst überhaupt zu haben. Denn das bedeutet am Ende, dass wir ihm entgegenkommen und in diese Fallen reingehen."

Illner leitete zu Klingbeil über: "Interessant, wenn das tatsächlich bestätigt ist oder zu bestätigen ist, dass Olaf Scholz mitgeholfen hat, eine atomare Auseinandersetzung auch mit dieser Reise nach China zu verhindern. Darauf hob Rolf Mützenich in dieser Rede ja auch ab. Warum wird es dann nicht viel vehementer von der Koalition verkauft?"

Klingbeil: "Vielleicht sollte man nicht alles erzählen, was im Hintergrund läuft. Vielleicht ist das genau der Punkt, der der deutschen Öffentlichkeit wahnsinnig Angst macht und vielleicht dazu führt, dass Unterstützung, die wir gerade haben, verloren geht." Wenn man in Szenarien denke, so sagte er in Richtung Ronzheimer, heiße das nicht, dass man Angst davor habe. Man wäge ab, handele konsequent, aber habe keine Angst vor Putin.

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Es mangelte der Sendung nicht an guten Fragen ("Warum kann eine Koalition Regierung bleiben, die so substanziell unterschiedlicher Auffassung ist?", "Was ist das Ziel, das es jetzt in der Ukraine zu erreichen gilt?", "Welche Sicherheitsgarantien kann es geben?"). Was aber fehlte, waren Rede-Duelle. Es gab kaum einen argumentativen Schlagabtausch – und dann unterband Illner auch noch Anfänge davon zwischen Klingbeil und Mohamed Ali.

Das ist das Ergebnis bei "Illner"

Die Runde war sich einig: Derzeit scheint für die Ukraine ein schlechter Zeitpunkt zum Verhandeln. Journalistin Adler sprach dabei einen wichtigen Punkt an: Sie erinnerte, die Ukraine habe bereits kurz nach Kriegsausbuch einen Friedensvorschlag gemacht, der die Neutralität der Ukraine beinhaltet hatte und ein Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft. Die Ukraine habe diese Verhandlungen nicht abgebrochen, es sei Russland gewesen. "Das ist eine Lüge, die sich hartnäckig hält", so Adler. Weiteres Ergebnis: In Sachen Munitionslieferungen laufen wir in eine zeitliche Lücke hinein.

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