Wie umgehen mit Huawei? Bei "Anne Will" diskutieren Peter Altmaier und Co., wie vertrauenswürdig ein chinesischer Tech-Konzern sein kann. Dabei kommen eine Reihe unangenehmer Wahrheiten auf den Tisch. Zum Beispiel das Versagen der Europäer, ein digitales Gegengewicht zu den USA und China zu bilden. Oder die daueraktuelle Frage, ob man mit Diktaturen Handelsbeziehungen haben darf.

Eine Kritik
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Die mögliche Beteiligung des chinesischen Telekommunikationsgiganten Huawei am Ausbau des deutschen 5G-Netzes ist nicht nur eine Frage der Sicherheit, sie hinterfragt auch die generellen Beziehungen Deutschlands zu China.

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Wie geht man mit einer Weltmacht um, die man zwar kritisiert, mit der man aber auch enge Wirtschaftsbeziehungen unterhält? "Wirtschaftsmacht und Überwachungsstaat – kann man China vertrauen?", fragt deshalb Anne Will am Sonntagabend.

Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will:

  • Peter Altmaier (CDU), Bundesminister für Wirtschaft und Energie
  • Linda Teuteberg (FDP), Generalsekretärin
  • Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI)
  • Margarete Bause (Grüne), Sprecherin für Menschenrechtspolitik
  • Kristin Shi-Kupfer, Politikwissenschaftlerin
  • Georg Mascolo, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung"

Darüber diskutierte die Runde bei "Anne Will":

Ist Huawei vertrauenswürdig?

Auf diese Frage gab es viel Herumgeeiere. Peter Altmaier wollte keine Einzelunternehmen ausschließen, eine Einschätzung sei Sache der Sicherheitsbehörden: "Es muss nachprüfbar sichergestellt sein, dass der chinesische Staat keinen Einfluss nimmt und es muss jedes einzelne Bauteil zertifiziert werden, dass es nicht in irgendeiner Weise manipuliert worden ist."

Linda Teuteberg will eine Befassung des Bundestags und die Einbindung eines politischen Kriteriums in ein entsprechendes Gesetz, so dass sich die Frage nach einem einzelnen Unternehmen gar nicht stellt, sondern nur die Frage nach Einflussnahme durch einen Staat.

Am Ende einer solchen Prüfung sieht Teuteberg aber trotzdem schlechte Karten für Huawei: "Wir brauchen kein Sondergesetz für Huawei. Aber es ist absehbar, dass ein Unternehmen, das so den Einflussnahmen des chinesischen Staates unterliegt, die strengen Sicherheitskriterien nicht erfüllen kann."

Georg Mascolo sieht hier Fehler bereits in der Vergangenheit, als sich zum Beispiel die Bundesregierung für ihr eigenes Netz gegen chinesische Bauteile entschieden habe: "Es gehört zu den Versäumnissen, dass wir diese Diskussion nicht viel früher geführt haben."

USA oder China?

Zerreibt sich Deutschland zwischen China und den USA, wollte Anne Will in Bezug auf den Druck aus den USA wissen, wegen Sicherheitsbedenken nicht mit Huawei zusammenzuarbeiten.

Hier ist sich die Runde weitgehend einig, dass sich Europa auf seine Stärken in der Vergangenheit besinnen und nach eigenen Lösungen suchen muss: "Anstatt auf unsere Stärken in Europa zu setzen, begeben wir uns immer mehr in die Abhängigkeit von China. Das halte ich für ein riesiges Problem", meint hierzu Margarete Bause.

Auch Peter Altmaier sieht hier europäischen Nachholbedarf in puncto europäischer Souveränität. In klassischen Industriekategorien sei man führend, in der Digitalisierung aber nicht. Insbesondere bei großen Rechenzentren gebe es keine europäische Lösung. Dass man daran seit einem Jahr arbeite, führte Altmaier noch als Beweis für die Tätigkeit der Bundesregierung auf, offenbarte damit aber eher, wie sehr man hier in der Vergangenheit geschlafen hat.

Wirtschaft gegen Menschenrechte

Am Ende lief die Diskussion von der Sicherheitsdebatte hin zur generellen Frage, ob man Handelsbeziehungen zu Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden, überhaupt haben dürfe. Auch hier war sich die Runde einig, dass der Ansatz "Wandel durch Handel" in der Vergangenheit nicht funktioniert habe.

"Wir stehen in einem Systemwettbewerb (…). China steht für die Versuchung, gesellschaftlichen Totalitarismus mit ein bisschen wirtschaftlicher Freiheit zu verbinden", urteilt Linda Teuteberg und Margarete Bause stellt fest: "China ist nicht nur wirtschaftlich ein starker Rivale, sondern China versucht gleichzeitig, mit seiner Stärke auch sehr aggressiv unser demokratisches System in Frage zu stellen."

Auch wenn Wandel durch Handel nicht funktioniert habe, sieht Dieter Kempf in einem Handelsverzicht auch keine Alternative: "Man kann nicht generell die Regel aufstellen, nur alle, die eine Demokratie unseren Zuschnitts haben, dürfen künftig noch unsere Partner sein – dann wird es in der Welt ein bisschen dünn werden."

Für Kristin Shi-Kupfer gibt es in der Praxis keine Trennung zwischen Menschenrechten und Unternehmertum, denn "die Schnittstelle zwischen Menschenrechten und wirtschaftlichem Unternehmertum (…) ist der Rechtsstaat. Wir sehen aber in China, dass die chinesische Regierung zunehmend diesen Rechtsstaat willkürlich politisch manipuliert." So würde beispielsweise ein deutsches Unternehmen wegen eines Instagram-Posts unter Druck gesetzt.

Der Klartext des Abends:

Als es um die Behandlung der Uiguren geht, die in China in Lagern untergebracht sind und umerzogen werden sollen, findet Georg Mascolo deutliche Worte: "Dieses Unterdrückungssystem ist in ganz wesentlichen Teilen technisch gesteuert (…) Chinas technologischer Fortschritt hat eine Menge damit zu tun, dass China im Grunde die Diktatur neu erfunden hat und hat sie digitalisiert."

Frühere Diktaturen hätten auf Unterdrückung der individuellen Kommunikation gesetzt, China mache das Gegenteil: "China hat das System im Grunde einmal umgedreht und gesagt: Kommuniziert so viel es denn irgend geht. Je mehr wir über euch wissen umso besser seid ihr letztlich zu kontrollieren."

Das Rede-Duell des Abends:

Das eine große Rede-Duell gab es an diesem Abend nicht, auch wenn es CDU-Mann Altmaier gleich mit zwei Oppositionspolitikerinnen zu tun bekam. Doch weder Linda Teuteberg noch Margarete Bause hatten sich bisher einen Namen als harte Zweikämpferinnen und Krawallmacherinnen in Talkshows gemacht. Und so gab es zwar Kritik an der Politik der aktuellen Regierung, doch die hielt sich weitgehend auf einer sachlichen Ebene ohne das sonst so übliche Parteien-Gezänk. Eine ungewohnte Erfahrung.

So schlug sich Anne Will:

Unauffällig. Zum einen gab es nicht wirklich Grund zum Eingreifen, denn die Diskussion hatte nur ganz selten einen spürbaren Pulsschlag. Zum anderen merkte Will offenbar schnell, dass sich weder Altmaier noch Kempf bei der Kernfrage nach der Vertrauenswürdigkeit von Huawei festlegen wollten – allen Nachfragen zum Trotz.

Das Fazit:

Es war eine weitgehend sachliche, aber damit auch etwas emotionslos geführte Debatte, die relativ zügig auf die Frage hinauslief, mit welchen Staaten man Handel treiben darf und mit welchen nicht.

Und genau diese Frage wurde in der Vergangenheit bereits ausgiebig diskutiert, sei es bei Waffenlieferungen an die Türkei oder nach Saudi-Arabien, beim Handel mit Russland nach der Annexion der Krim oder während des Ukraine-Kriegs – oder eben im jüngsten Fall mit China und Huawei. Eine daueraktuelle Frage, die sicher nicht zum letzten Mal diskutiert wurde.

Miriam Meckel, Anne Will, Deutscher Filmpreis, Köln, Coloneum, 2008

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