Ein Dauerzwist zwischen CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und der Grünen-Chefin Ricarda Lang bestimmt die Talkshow von Maybrit Illner. Während sie ihm Verzögerung beim Ausbau der Erneuerbaren und der Wärmewende vorwarf, empörte sich Kretschmer über "Planwirtschaft", das Ende der Atomkraft und die Unmöglichkeit, so viele Wärmepumpen einzubauen - dabei besitzt der 47-Jährige selbst eine.
Ab 2024 will der grüne Bundeswirtschaftsminister Habeck das Verbot von Öl- und Gasheizungen zur Vorschrift bei Neubauten machen. Für alte Heizungen gilt dem Gesetzesentwurf zufolge eine Übergangsfrist bis 2045. In der Opposition, aber auch in der FDP und bei den SPD-Ministerpräsidenten, regt sich Widerstand. Müssten sofort alle Wohneinheiten auf Wärmepumpen oder andere grüne Alternativen umgebaut werden, wären rund 30 Millionen Anlagen betroffen.
Immense finanzielle Probleme für Mieter und Eigenheimbesitzer ließen sich kaum vermeiden, außer der Staat würde mit Milliardensummen unterstützen. Ist das in der Kürze der Zeit überhaupt zu schaffen? Und woher sollen eigentlich die Handwerker kommen? Das Thema bei
Das waren die Gäste
Lang stellte klar, dass niemand beim Heizungsumbau auf den alleinigen Kosten sitzen bleiben soll und die Maßnahme "sozial flankiert sein" wird. "Für Menschen mit niedrigen Einkommen soll eine Wärmepumpe nicht teurer sein als eine Gasheizung."
Kretschmer ist nach dem Aus des russischen Gases außerdem dafür, die Energiewende neu aufzusetzen. Sonst könnte, so seine Befürchtung, die Deindustrialisierung Deutschlands die Folge sein. Konkret: Er will die Atomkraft weiter nutzen und sprach sich dafür aus, die beschädigten Leitungen von Nord Stream I für die Zeit nach dem Krieg zu retten.
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Veronika Grimm: Die Ökonomin und Wirtschaftsweise warnte, ein Verbot von Öl- und Gasheizungen ab 2024 würde Deutschland "an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen". Es sei gar nicht so schnell zu schaffen, so viele Heizungen einzubauen, die Stromnetze müssten dafür massiv ausgebaut werden und es würde die Bürger finanziell überlasten. Ihr Vorschlag: "Man aktiviert den CO2-Handel und gibt das Geld pro Kopf an die Menschen zurück." Das bedeutet, wer weniger Kohlendioxid verbraucht, beispielsweise viele arme Menschen, würde davon finanziell profitieren.
Gerald Traufetter: Der Chefkorrespondent im Hauptstadtbüro des "Spiegel" war so etwas wie die beruhigende Stimme der Sendung. Während vor allem Kretschmer mit miesepetrigem Gesicht gegen die grünen Pläne polterte, ermahnte Traufetter dazu, die Ideen nicht schon im Vorfeld zu zerreden. Denn: Es sei wichtig, "dass die Energiewende in diesem Land vorankommt". Er warnte davor, die Wärmepumpe schlecht zu machen, "als sei sie des Teufels".
Hermann-Josef Tenhagen: Der Chefredakteur des Verbraucherratgebers "Finanztip" brachte Licht in die Debatte um die Wärmepumpe. Schon heute gibt es vom Staat 40 Prozent Zuschuss für Wärmepumpen, weitere Zuschüsse dürften zukünftig fließen. "Dann können Sie das machen", sagte der Experte. Das größere Problem sei die Frage nach den Handwerkern und ob es überhaupt genug Wärmepumpen gibt. Wenn die Wärmewende so schnell wie möglich vorankommen soll, helfe es nicht, die Maßnahmen immer weiter nach hinten zu verschieben, sagte Tenhagen Richtung Kretschmer.
Das war der Moment des Abends
Michael Kretschmer hat selbst eine neue Wärmepumpe in seinem Haus installieren lassen. Der sächsische Ministerpräsident ist von der Technologie überzeugt und konnte daher aus erster Hand berichten, worauf es ankommt. "Ich kenne mich damit aus." Es blieb sein Geheimnis, warum er sich trotzdem nur auf die möglichen Probleme beim Einbau der Technologie konzentrierte - wie die hohen Kosten, den Handwerkermangel und den vermeintlichen Zwang ab 2024 - anstatt für den Einbau zu werben.
So blieb der Eindruck, dass der Ministerpräsident das Thema lieber für parteipolitische Spielchen nutzt, anstatt seine Wählerinnen und Wähler zu ermutigen, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten. Er hätte ja beides machen können: auf Probleme hinweisen und die Anlagen aus ökologischen Gründen empfehlen. Doch Kretschmer entschied sich für eine reine Anti-Haltung.
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Das war das Rededuell des Abends
Kaum vorstellbar, dass eine schwarz-grüne Koalition mal als charmante Lösung im Bund galt. Der Zwist zwischen Kretschmer und Ricarda Lang zog sich durch die komplette Sendung und offenbarte fundamentale inhaltliche Unterschiede.
Kretschmer beschwerte sich, dass durch das Aus für russisches Gas und das baldige Ende der Atomkraft mehr Braunkohle verfeuert wird und Flüssiggas genau so viel CO2 ausstößt wie Braunkohle. "Das ist doch kein Klimaschutz. Das ist Verarschung der jungen Generation."
Lang wiederum warf der Union vor, beim Ausbau der Erneuerbaren lange geschlafen zu haben und Deutschland von russischem Gas abhängig gemacht zu haben. Zudem passiere beim Windausbau in Sachsen bis heute "verdammt wenig".
Einige Minuten später arbeitete sich Kretschmer wieder am Thema Öl- und Gasheizungen ab: "Das ist Planwirtschaft", schimpfte er. "Was hier versucht wird, muss scheitern" und gehe an den Realitäten der Menschen vorbei. Leute aus der Wirtschaft und Handwerker würden es genau so sehen, betonte er.
Nun hatte Lang genug, ihre Stimme wurde lauter. Er führe mit dem Vergleich der Planwirtschaft - ein polemischer Hinweis auf die sozialistische Planwirtschaft in der DDR - eine "unernste Debatte" und werfe mit "Kulturkampfdebatten" um sich.
So hat sich Maybrit Illner geschlagen
Die Moderatorin besaß ein gutes Gespür dafür, wann die Streithähne Kretschmer und Lang getrennt werden mussten und wann sie ihnen die lange Leine überreichte. Ganz am Anfang der Sendung, noch bevor alle Gäste ihre Eingangsstatements abgegeben hatten, gab es schon den ersten Zwist zwischen dem Duo - doch Illner ließ sie schlauerweise gewähren. So war gleich Feuer drin.
Starker Moment in der Mitte der Sendung: Sie konterte Kretschmers Kritik souverän, wonach sie die deutschen Handwerker schlecht gemacht hätte. Die seien mit dem Einbau der Wärmepumpen gar nicht überfordert, so Kretschmer. "Ich würde es nicht behaupten, wenn ich es nicht wüsste", sagte die Moderatorin. Illner hatte ihre Redaktion recherchieren lassen, dass es bei der Ausbildung zum Heizungsinstallateur nur sechs Stunden um Wärmepumpen geht.
Das ist das Fazit
Öl- und Gasheizung: Kommt nun ein grundsätzliches Verbot oder betrifft die gesetzliche Neuregelung zunächst nur Neubauten (wie es aktuell zu sein scheint)? Mit dieser Frage steht und fällt am Ende die ganze Debatte. Sonst wäre ein Großteil der in der Sendung vorgebrachten Erregung nicht mehr als heiße Luft gewesen.
Ricarda Lang zeigte sich optimistisch, dass die Koalition auch diese Mini-Krise übersteht und eine Lösung findet. Sie habe viele schwierige Situationen gemeistert. "Wir werden es auch dieses Mal schaffen."
Spiegel-Journalist Gerald Traufetter plädierte für ein pragmatisch-optimistisches Vorgehen und empfahl den Skeptikern Kretschmer und Grimm: "Nicht immer die ganzen Probleme aufzuzählen" und "Nicht die Leute desillusionieren". Selbst Dauerkritiker Michael Kretschmer gab im Verlauf der Sendung mal kurz zu, dass die Wärmepumpe an sich eine gute Sache sei. Er plädierte aber für "einen langsameren Pfad", um sie zum Standard zu machen. Gut möglich, dass der langsame Pfad angesichts des rasant fortschreitendes Klimawandels nicht ausreicht und "Klima retten auf die harte Tour", so der Titel der Sendung, der richtige Weg ist.
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