Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine versuchen Deutschland und die EU, Russland mit Sanktionen unter Druck zu setzen. Nun wird wieder darüber diskutiert, den Import russischer Agrargüter zu verbieten. Welche Auswirkungen hätte eine solche Maßnahme?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Freckmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Deutschland kauft in Russland trotz aller Sanktionen noch immer Agrargüter. Immer wieder wurde in der Vergangenheit gefordert, den Import bestimmter Lebensmittel aus Russland nach Deutschland weiter zu beschränken oder gar ganz auszusetzen.

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Zuletzt forderten Ende April CDU und CSU ein solches Vorgehen. "Wir sind in Deutschland und Europa nicht auf russisches Getreide angewiesen", sagte der agrarpolitische Sprecher der Fraktion, Albert Stegemann (CDU), der Deutschen Presse-Agentur dpa.

In dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist zu lesen, dass ein "vollumfängliches Importverbot auf alle Agrargüter und Lebensmittel aus Russland und Belarus" gefordert wird. Die Bundesregierung solle sich dafür auf EU-Ebene einsetzen.

Falls dies nicht umgesetzt werden könne, solle notfalls nur deutschlandweit ein solches Importverbot beschlossen werden. Die Einnahmen aus dem Verkauf von russischem Getreide würden dazu genutzt, Produkte für den Krieg herzustellen und andere Akteure in Abhängigkeiten zu halten.

Deutschland importiert nur geringe Mengen aus Russland

"Für den Fall eines erfolgreichen Importverbotes halte ich die Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit für Deutschland für gering", sagt Richard Fuchs vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Atmosphärische Umweltforschung des Karlsruher Instituts für Technologie unserer Redaktion. Aktuell importiere Deutschland rund 550.000 Tonnen Agrargüter aus Russland, sagt Fuchs. Dies seien hauptsächlich Ölsaaten wie Raps, Sonnenblume oder Soja.

Daneben importiert Deutschland diese Güter aber auch noch aus anderen Ländern. Und es produziert sie auch selbst. Aus deutscher Landwirtschaft allein stammten zuletzt etwa 4,5 Millionen Tonnen Ölsaaten pro Jahr, erklärt Fuchs.

Die in Deutschland selbstproduzierten Getreidemengen sind noch wesentlich größer. 42 Millionen Tonnen Getreide haben Landwirte im vergangenen Jahr in Deutschland geerntet, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Damit seien Deutschland und Europa Nettoexporteure auf dem Getreideweltmarkt, wie ein Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums erklärt. Es werde somit in der Summe mehr Getreide exportiert als importiert. Aus Russland sei im letzten Jahr nur eine verschwindend geringe Menge von 255 Tonnen Getreide nach Deutschland importiert worden.

Nach Ansicht von Fuchs bestehe die Möglichkeit, dass die Mengen, die durch ein mögliches Importverbot wegfallen würden, von Bauern aus Deutschland oder anderen Handelspartnern kompensiert werden könnten. Höher als der Import aus Russland seien ohnehin die Mengen an Lebensmitteln, die aus der Ukraine importiert würden, sagt Fuchs. So importiere Deutschland gegenwärtig etwa 700.000 Tonnen Ölsaaten und 510.000 Tonnen Getreide.

In der Summe ergäben sich dabei Importe in einer Menge von 1,3 Millionen Tonnen. Die EU kaufe rund die Hälfte aller Agrarexporte der Ukraine auf, sagt Fuchs. Deutschland steht mit seinen Importen aber längst nicht an der Spitze. Insbesondere Polen, Spanien und Rumänien würden jeweils das Vierfache der Menge importieren, die Deutschland aus der Ukraine einkauft.

EU-Kommission will eher Zölle als Importverbote

Innerhalb Europas ist man sich aber uneins über den Umgang mit importierten russischen Agrargütern. Im März hatte Kommissionspräsidentin von der Leyen bekannt gegeben, dass ihre Kommission einen Vorschlag erarbeite, in dem höhere Zölle geplant seien.

Importverbote wollte die EU-Kommission nach Informationen des "Spiegels" jedoch nicht umsetzen. Auch sollen diese geplanten erhöhten Zölle nicht auf Getreidelieferungen angewendet werden, die lediglich durch die EU hindurchgeführt werden, aber für Nicht-EU-Staaten bestimmt seien.

Während die EU noch über eine Lösung diskutiert, ist Lettland schon einen Schritt weiter gegangen. Das Land im Baltikum hat im Februar als einzelnes Land einen landesweiten Importstopp für russische Agrarprodukte verhängt, wie "Agrarheute" berichtete.

Ob ein solches Vorgehen als Vorbild dienen kann? Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen warnt im Gespräch mit unserer Redaktion ausdrücklich vor einem "deutschen Alleingang". Man könne als Handelsverband die Absichten der Unionsparteien und ihres Vorschlages verstehen.

Doch für Russland spielten die Agrarexporte nach Deutschland nur eine sehr geringe Rolle, gleichzeitig würde Russland seine Exporte in die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft ohnehin gerade ausweiten.

Vielmehr solle Deutschland sich innerhalb der EU in die laufenden Verhandlungen für ein neues Sanktionspaket einbringen. Außerdem unterstützt der Verband die Überlegungen der EU, Getreide, dass die EU nur passiert, von den Zöllen auszunehmen. Dies sei unter humanitären Gesichtspunkten sinnvoll, so Jandura.

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Richard Fuchs vom Karlsruher Institut für Technologie ist der Ansicht, dass ein EU-weites Vorgehen etwas bewirken könnte. Wenn die EU es schaffen würde, ein generelles Agrarimportverbot gegenüber Russland zu verhängen, sagt er, könne dies für Russland schon spürbar sein.

Gleichzeitig sieht Fuchs aber auch die politischen Schwierigkeiten in dieser Debatte. Denn bei einem Importverbot bestehe immer die Gefahr, Ängste wegen möglicher negativer Einflüsse auf die Versorgungssicherheit zu wecken.

Daher, mutmaßt Fuchs, seien die Erfolgsaussichten für eine Einführung eines Importverbotes wohl eher geringer als für Verschärfungen bei Zöllen. Doch Zölle, so Fuchs, "halte ich für ein schlechteres Instrument, da sie nur einen schwächeren Effekt gegenüber der Sanktion eines Importverbotes hätten".


Über die Gesprächspartner

  • Dr. Richard Fuchs ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung am Campus Alpin des Karlsruher Instituts für Technologie in Garmisch-Partenkirchen.
  • Dr. Dirk Jandura ist Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen.

Verwendete Quellen

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