Italiens Innenminister Salvini hat mit seinem Widerstand gegen private Seenotretter eine weitere Niederlage erlitten. Trotz seines Verbots lief das Rettungsschiff «Alex» mit 41 Migranten in den Hafen von Lampedusa ein. Nun will er die Menschen nicht an Land lassen.

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Das Rettungsschiff «Alex» der italienischen Hilfsorganisation Mediterranea ist am Samstag trotz eines vom italienischen Innenminister Matteo Salvini verhängten Verbots in den Hafen von Lampedusa eingelaufen. Auf Bildern des Nachrichtensenders SkyTG24 war zu sehen, wie der Motorsegler mit 41 Geretteten an einer Pier des Hafens der italienischen Mittelmeerinsel festmachte. Damit folgte die «Alex» dem Beispiel des deutschen Rettungsschiffes «Sea-Watch 3», das vor einer Woche trotz Verbots unter dem Kommando der Kapitänin Carola Rackete mit 40 Migranten nach Lampedusa gefahren war.

Salvini verurteilte das Einlaufen der «Alex» in den Hafen und kündigte an, dass niemand von Bord dürfe. «Ich werde nicht erlauben, dass Menschen an Land gehen, die nichts auf die italienischen Gesetzte geben und die (Menschen-) Schmugglern helfen», stand in einer Mitteilung Salvinis vom Samstagabend.

Intervention per Brief

Das Rettungsschiff «Alan Kurdi» der deutschen Hilfsorganisation Sea-Eye aus Regensburg wartete unterdessen am Samstag vor Lampedusa außerhalb der italienischen Hoheitsgewässer auf eine Erlaubnis, 65 gerettete Migranten an Land bringen zu dürfen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) forderte Salvini in einem Brief auf, die Dauerkrise der Rettungsschiffe im Mittelmeer zu beenden.

Salvini verbat sich diesen Vorschlag. «Die Bundesregierung bittet mich, italienische Häfen für die Schiffe zu öffnen? Absolut nicht», erklärte er. «Wir fordern die Merkel-Regierung auf, den Schiffen die deutsche Flagge zu entziehen, die Menschenhändlern und Schmugglern helfen, und ihre Bürger, die die italienischen Gesetze missachten, zurückzuholen», fügte der rechtspopulistische Politiker hinzu. Salvini war mit dem Versprechen angetreten, die illegale Einwanderung nach Italien zu stoppen. Er konzentriert sich dabei vor allem auf medienwirksame Aktionen gegen private Rettungsschiffe, obwohl die vergleichsweise wenige Migranten nach Italien bringen.

Seehofers eindringlicher Appell

Seehofer hatte Salvini gemahnt, das Schicksal der Menschen auf See nicht zu ignorieren. «Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden», schrieb Seehofer. Daher seien für die aktuellen Seenotrettungsfälle rasche europäische Lösungen in gemeinsamer Verantwortung nötig. «Ich appelliere daher eindringlich an Sie, dass Sie Ihre Haltung, die italienischen Häfen nicht öffnen zu wollen, überdenken», fügte Seehofer hinzu.

Mediterranea hatte vor dem Einlaufen in den Hafen einen «Notstand» wegen einer als unerträglich beschriebenen Gesundheits- und Hygienesituation an Bord erklärt. Die italienische Regierung hatte die Organisation zuvor aufgefordert, mit dem Rettungsschiff Malta anzusteuern. Die elfstündige Reise sei aber zu lang und gefährlich, sagte Mediterranea. Nach Angaben der Organisation befänden sich nahezu 60 Menschen an Bord, darunter 41 Gerettete. Zugelassen sei das Schiff lediglich für 18 Menschen.

Deutschland hatte der EU-Kommission angeboten, Migranten von den Rettungsschiffen aufzunehmen. «Auch im Fall der "Alan Kurdi" und der "Alex" sind wir im Rahmen einer europäisch-solidarischen Lösung bereit, einen Teil der aus Seenot Geretteten aufzunehmen», sagte Seehofer am Samstag. Dies habe er bereits am Freitag der EU-Kommission mitgeteilt und in Brüssel um Koordinierung gebeten. Eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel sagte, Malta und Italien hätten die Kommission wegen einer Lösung mit Blick auf die Migranten an Bord der «Alex» informiert. Im Fall der «Alan Kurdi» habe die Kommission Vermittlungen mit den EU-Staaten aufgenommen.

Seehofer antwortete mit seinem Brief an Salvini auf ein Schreiben aus Rom vom Vortag. Darin drängte Salvini Seehofer, Verantwortung für die «Alan Kurdi» zu übernehmen. Italien verteidige in verantwortungsvoller Weise die europäische Außengrenze und wolle nicht länger «der einzige "Hotspot von Europa"» sein. Deutschland lehnt jedoch das von Salvini verfochtene Prinzip ab, wonach der Flaggenstaat prinzipiell für gerettete Migranten zuständig sein soll.

Tausende Menschen gehen auf die Straße

In Deutschland demonstrierten am Samstag Tausende Menschen aus Solidarität mit den Seenotrettern im Mittelmeer für die Rechte von Schiffbrüchigen und Geflüchteten. Aufgerufen zu den Aktionen am Samstag hatte die Organisation Seebrücke. Besonders viele versammelten sich in Hamburg und Berlin: laut Polizei jeweils rund 3000. Sören Moje, Maschinist vom Rettungsschiff «Sea-Watch 3», forderte auf einer Kundgebung im niedersächsischen Oldenburg ein stärkeres Engagement deutscher Städte zur Aufnahme geretteter Flüchtlinge aus Seenot. Moje war erst vor wenigen Tagen aus Italien zurückgekehrt, nachdem italienische Behörden die «Sea-Watch 3» konfisziert hatten. Die Kapitänin Rackete war daraufhin vorübergehend festgenommen worden.

Die Bewegung Seebrücke hatte sich im Sommer 2018 gegründet und fordert die Entkriminalisierung der Seenotrettung, sichere Fluchtwege und sichere Häfen für Flüchtlinge. (best/dpa)

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Teaserbild: © Fabian Heinz/Sea-Eye/dpa