Die SPD droht bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen bedeutungslos zu werden. Der Parteivorsitzende Lars Klingbeil bleibt dennoch hoffnungsvoll: Die Sozialdemokraten hätten noch viel unausgeschöpftes Potenzial. Ob das "Bündnis Sahra Wagenknecht" ein Koalitionspartner im Osten sein könnte, lässt er aber offen.

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Eine echte Volkspartei war die SPD in einigen ostdeutschen Bundesländern nie. Doch die Umfragewerte in Sachsen und Thüringen, wo im Herbst gewählt wird, dürften für die Sozialdemokraten trotzdem bitter sein: Hier stehen sie bei nur sieben Punkten – und kratzen damit an der Fünf-Prozent-Hürde.

Für den SPD-Bundesvorsitzenden Lars Klingbeil ist das jedoch noch kein Grund zur Panik. "Wir haben bei der Bundestagswahl 2021 erlebt, wie sich innerhalb von wenigen Wochen Zahlen und Stimmung noch drehen können", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. "Man sollte also nicht nervös werden." Er sei sich sicher, "dass die SPD noch viel Potenzial hat, das sie ausschöpfen kann".

Klingbeil: Bei Bürgergesprächen gibt es "auch mal Wut"

Klingbeil, der sich den SPD-Vorsitz mit Saskia Esken teilt, war vergangenen Donnerstag bei einem Bürgergespräch im sächsischen Chemnitz. Die Debatte sei respektvoll gewesen, erzählt er. "Bei anderen Veranstaltungen merkt man sehr wohl, dass es auch mal Wut und auch Unverständnis gibt." Ihm sei es aber wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern auf Augenhöhe zu begegnen und "auch kritisch zu diskutieren".

Ob sich das an den Wahlurnen auszahlen wird, muss sich noch zeigen. Lediglich in Brandenburg, wo ebenfalls gewählt wird, sieht es für die SPD besser aus. Umfragen sehen die Regierungspartei von Ministerpräsident Dietmar Woidke in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU. Allerdings um Platz zwei. Sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen und Thüringen steht die AfD unangefochten ganz vorne in den Umfragen. In beiden letzteren Bundesländern stuft der Verfassungsschutz die AfD als "gesichert rechtsextrem" ein.

Lars Klingbeil macht das Umfragehoch der AfD Sorgen. "Das wird eine riesige Herausforderung dieses Jahr", sagte der Niedersachse. "Mir macht es aber Mut, wenn in vielen kleinen und mittleren Städten in Ostdeutschland auf einmal viele tausend Menschen auf der Straße sind und für die Demokratie demonstrieren." Seit "Correctiv" über die Teilnahme einiger AfD-Politiker an einem rechtsextremen Vernetzungstreffen in Potsdam berichtet hat, finden in Deutschland regelmäßig Demonstrationen gegen die AfD statt. Klingbeil: "Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in der Mehrheit sind."

Klingbeil: Mit Verfassungsfeinden arbeitet man nicht zusammen

Apropos Mehrheit: Die wird sich nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland wahrscheinlich nur schwer finden lassen. Sollte die AfD wie erwartet stärkste Kraft werden, müssten die anderen Parteien womöglich bisher ungekannte Bündnisse eingehen, wollten sie eine Regierungsbeteiligung der Rechtsaußen-Partei verhindern. In Thüringen wird gerade diskutiert, ob die CDU nicht im Fall der Fälle gar mit der Linkspartei zusammengehen sollte. Bisher schließt die CDU eine solche Konstellation jedoch aus, genauso wie ein Bündnis mit der AfD.

"Für alle demokratischen Parteien sollte klar sein, dass man nicht mit rechtsextremen Verfassungsfeinden zusammenarbeitet", sagte SPD-Chef Klingbeil. "Da erwarte ich eine klare Abgrenzung."

Für seine eigene Partei signalisiert er große Flexibilität: "Ich kann für die SPD sagen, dass wir immer bereit sind, in der demokratischen Mitte dieses Landes nach Mehrheiten zu suchen." Ob diese Koalitionsbereitschaft auch das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) umfasst, wollte Klingbeil aber noch nicht sagen. "Niemand weiß, wofür das BSW steht, außer für einen Pro-Putin-Kurs." Bisher sei das BSW nicht viel mehr als "eine große Personality-Show von Frau Wagenknecht, die durch Talkshows tingelt und mit Büchern viel Geld macht", sagte Klingbeil.

Mit Petra Köpping in Sachsen und Georg Maier in Thüringen habe die SPD dagegen zwei Spitzenkandidaten, "die nicht schrill und verletzend sind, sondern sich seriös um das Land kümmern", so Klingbeil. Jetzt gehe es darum, "wirklich in den Wahlkampf zu gehen".

Über unseren Gesprächspartner

  • Lars Klingbeil (*1978) ist neben Saskia Esken einer der beiden Bundesvorsitzenden der SPD. Zuvor war der Niedersachse Generalsekretär der Partei, für die er seit 2009 im Bundestag sitzt. Klingbeil gehört dem als konservativ geltenden SPD-Flügel "Seeheimer Kreis" an und beschäftigt sich insbesondere mit Verteidigungs-, Außen- und Netzpolitik.

Verwendete Quellen

  • Gespräch mit Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender
  • dawum.de: Neueste Wahlumfragen
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