Ausschließlich anti-islamisch? So will sich die Pegida-Bewegung nicht verstanden fühlen. Ein Blick in das Positionspapier zeigt: maßgeblich geht es der Bewegung um die Themen Zuwanderung und Asyl. Eine der Kernforderungen: Ein neues Zuwanderungsgesetz nach dem Vorbild Kanadas oder Australiens. Doch das fordern längst mehrere Parteien - auch weil das aktuelle Zuwanderungsgesetz sehr streng ist.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Im Jahr 2013 sind laut dem am Mittwoch vorgestellten Migrationsbericht 1,23 Millionen Menschen nach Deutschland zugewandert. Dies sei die höchste Zahl seit 1993. Zwar wanderten 800.000 Menschen ab, unterm Strich ergab sich jedoch ein "Wanderungsgewinn" von rund 430.000 Menschen.
Der Trend setzt sich laut Statistischem Bundesamt auch 2014 fort. Einer aktuellen Schätzung zufolge kamen im vergangenen Jahr mindestens 470.00 mehr Menschen nach Deutschland als weggezogen sind.
Nicht nur Pegida fordert ein Einwanderungsgesetz
Bereits im Jahr 2012 hat Deutschland mit rund 400.000 dauerhaften Zuwanderern erstmals klassische Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien überholt. Nur noch in die USA wandern mehr Menschen ein. Dabei hat Deutschland kein Einwanderungsgesetz wie diese Länder. Ein solches fordert übrigens nicht nur Pegida, sondern auch mehrere Parteien.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte zuletzt ein Einwanderungsgesetz ins Gespräch gebracht, was in der Union aber auf breite Ablehnung stößt. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte bei der Vorstellung des Migrationsberichts: "Es gibt viel zu tun im Bereich Zuwanderung, aber am allerwenigsten bei neuen rechtlichen Regelungen."
Der Koalitionspartner, die SPD, sieht das anders: "Wir müssen mit einem Einwanderungsgesetz eine berechenbare Chance für qualifizierte Leute schaffen, nach Deutschland einwandern zu können - nach Maßgabe von Sprachkenntnissen und beruflichen Fähigkeiten", sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann der Deutschen Presse-Agentur. Vielen sei das Ausmaß der demografischen Auswirkungen in den nächsten 20 Jahren überhaupt noch nicht bewusst. "Wir werden eine Lücke von 8,5 Millionen Erwerbstätigen haben. Wir brauchen in Zukunft Jahr für Jahr Hunderttausende Einwanderer." Wichtig sei dafür eine vernünftige Steuerung, zum Beispiel über ein Punktesystem.
Wie Deutschland aktuell Zuwanderung regelt
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte die Regierung auf, ein Konzept vorzulegen. "Sonst kommen die Menschen, die wir aufnehmen wollen, nicht zu uns, sondern gehen in attraktivere Länder", warnte sie in der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Seit 2005 wird Einwanderung nach Deutschland über das "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern", kurz "Zuwanderungsgesetz", geregelt. Kritiker nannten das Gesetz schon bei der Einführung ein "Einwanderungsverhinderungsgesetz". Und tatsächlich wird der Begriff "Einwanderung" darin weitgehend vermieden.
Die Zuwanderung von Fachkräften aus nicht-EU-Staaten ist beispielsweise erst seit 2013 geregelt. Demnach muss, wer in Deutschland arbeiten möchte, einen Ausbildungsabschluss vorlegen, der einer deutschen Berufsausbildung entspricht. Zudem muss er vor der Zuwanderung bereits einen Arbeitsvertrag vorweisen. Ohnehin darf er nur in einem Bereich arbeiten, in dem auch ein entsprechender Bedarf besteht.
Nutzt oder schadet Einwanderung?
Kanada, unter den G8-Ländern das Land mit der höchsten Einwanderungsquote (fast 21 Prozent der Kanadier haben einen Migrationshintergrund), regelt die Zuwanderung hingegen mit einem Punktesystem und gilt damit im internationalen Vergleich als besonders fortschrittlich. Gerade die Einwanderung von Hochqualifizierten und Fachkräften wird anhand folgender Kriterien gesteuert: Ausbildung, Arbeitserfahrung, Sprachkenntnisse und Alter.
Eine weitere Besonderheit Kanadas: Einwanderung wird nicht nur als selbstverständlich, sondern auch als positiv angesehen. Das besagt eine Studie des Migration Policy Institute aus dem Jahr 2012. Zudem arbeitet Kanada aktiv an der Integration der Zuwanderer, bietet beispielsweise kostenlose Sprachkurse in englisch und französisch an.
Dass Einwanderung einem Land mehr bringt als sie kostet, belegen Studien immer wieder. Im November rechnete das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) vor, dass jeder in Deutschland lebende Ausländer im Schnitt 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben zahle, als er an staatlichen Transferleistungen erhalte.
Wer wandert nach Deutschland ein?
Der Präsident des Münchner ifo-Instituts Hans-Werner Sinn widersprach dieser Rechnung im Dezember in der "FAZ". Demnach müsse man allgemeine Staatsausgaben für Infrastruktur und das Rechtssystem, Polizeikosten und Kosten für die öffentliche Verwaltung ebenfalls mit einrechnen. Dann läge die Nettobilanz pro Einwanderer nicht im Plus, sondern bei minus 1.450 Euro.
Daraus zu schließen, dass die Einwanderer-Zahlen sinken müssten, sei aber falsch, erklärte Sinn weiter. Ähnlich wie Oppermann weist auch er auf die Notwendigkeit von Zuwanderung vor allem wegen des demographischen Wandels hin. Deswegen müsse Deutschland nicht weniger Migranten aufnehmen, sondern vielmehr versuchen, mehr ausländische Arbeitnehmer mit guter Berufsausbildung anzulocken.
2013 kamen übrigens zwei Drittel der Migranten aus anderen EU-Staaten. Deren Zuwanderung ist durch das EU-Freizügigkeitsgesetz geregelt. Demnach dürfen sich EU-Bürger innerhalb der Europäischen Union frei bewegen und haben einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt.
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