Im TV-Duell trafen Alice Weidel (AfD) und Sahra Wagenknecht (BSW) aufeinander. Dabei wurden Unterschiede deutlich – und doch gab es Annäherungsversuche.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Rebecca Sawicki sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

"Höcke dominiert die Partei und sie sind das charmante Gesicht an der Spitze", sagt Sahra Wagenknecht (BSW) an AfD-Chefin Alice Weidel gerichtet. Die BSW-Gründerin geht noch einmal in den Angriffsmodus über: Warum wollte Weidel Thüringens AfD-Chef Björn Höcke aus der Partei werfen?

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Weidel hatte 2017 als Teil des Parteivorstandes ein Ausschlussverfahren gegen Höcke angestrebt. Heute ist sie die künftige Kanzlerkandidatin der AfD. Sie weicht der Frage von Wagenknecht aus. "Also, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, hier steht nicht Herr Höcke, sondern ich."

Weidel war an diesem Abend, an dem sie Sahra Wagenknecht bei einer Debatte des Senders "Welt TV" gegenübersteht, nicht auf Ärger aus. Zumindest hatte sie im Vorfeld erklärt, nicht damit zu rechnen, dass es Grund zur Konfrontation geben würde.

Trotzdem fällt auch die AfD-Chefin schnell mit der Tür ins Haus und wirft Wagenknecht vor, Steigbügelhalter der Regierung zu sein, statt echten Wandel zu wollen.

Sahra Wagenknecht (BSW, l.) und Alice Weidel (AfD) im Gespräch bei "Welt TV". © IMAGO/dts Nachrichtenagentur/IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Parteiensystemsprengerinnen im Streitgespräch

Weidel und Wagenknecht sind aktuell wohl die Politikerinnen, die am meisten polarisieren. Sie beide stehen an der Spitze von Parteien, die sich als Alternativen für die etablierten Parteien verstehen.

Und: Beide stehen an der Spitze von Parteien, die bei den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg abgeräumt haben. Für "Welt TV" offensichtlich Grund genug, die beiden Politikerinnen zum Duell zu laden. Abseits von Wahlen, zu denen solche Formate normalerweise üblich sind.

Diskutiert wird über ein weites Themenspektrum: Wirtschaft, Krieg im Nahen Osten und der Ukraine, US-Wahlen und Migration. Nicht selten ähneln sich die Antworten der beiden Politikerinnen. Trotzdem gibt es klare Unterschiede.

Differenzen bei Wirtschaft und Migration

Zum Vorschein kommen diese etwa beim Thema Wirtschaft. Zwar sind sich die beiden Politikerinnen einig, dass die aktuelle Energiepolitik Deutschland in einen desolaten Zustand versetzt – weil das billige Gas aus Russland fehle und sich die Bundesrepublik so ins eigene Fleisch schneide.

Außer Acht gelassen wird hierbei, dass zuvorderst Russland 2022 damit begann, Deutschland mit Gasengpässen zu drohen.

Uneinigkeit gibt es zwischen den beiden aber darüber, wie marode Infrastruktur und das Bildungssystem in Deutschland finanziert werden könnten. Während sich Wagenknecht für Kredite ausspricht, schwört Weidel auf Kürzungen im Sozialsystem. Bürgergeld solle es etwa nur für Deutsche geben.

Wagenknechts Hinweis, dass solche Kürzungen niemals reichen würden, um die marode Infrastruktur zukunftsfähig zu machen, lässt die AfD-Chefin abperlen.

Auch beim Thema Migration finden sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch klare Abgrenzungen. Wagenknecht will geordnete Migration. Integration könne nur gelingen, wenn die Zahlen der Ankommenden reduziert würden. Sie sei auch dafür, kriminelle Asylsuchende auszuweisen.

Wogegen sie sich aber versperrt, sei das Schüren von Ressentiments gegen Migranten. Etwas, das die BSW-Chefin Weidel und ihrer Partei vorwirft.

Was Wagenknecht damit meint, sind etwa die Drohung aus der AfD, gut integrierte Geflüchtete ebenfalls eines Tages wieder auszuweisen. Weidel hingegen erklärt, Asyl sei ein Aufenthaltsrecht auf Zeit.

Die AfD-Chefin dreht bei Thema Migration erwartungsgemäß auf. Die Ampelregierung habe mit ihrem Einwanderungsrecht Tür und Tor dafür geöffnet, dass Asyl als Einbürgerungsmöglichkeit angesehen werde. Eine Einbürgerung in die Sozialsysteme, wie Weidel das nennt.

Ganz so einfach macht es das neue Einbürgerungsrecht den Menschen allerdings nicht: Nachgewiesen werden müssen unter anderem gute Deutschkenntnisse und die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes.

Forderung nach Verhandlungsfrieden

Mehr Einigkeit gab es bei den Fragen nach Krieg und Frieden. Beide Politikerinnen plädieren sowohl im Zusammenhang mit dem Krieg im Nahen Osten, als auch in der Ukraine auf diplomatischen Lösungen und Verhandlungsfrieden.

Beide können sich auch an diesem Abend nicht dazu durchringen, Russland klar als Aggressor im Ukraine-Krieg zu benennen. Wohl aber dazu, dass es sich um einen verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Angriff handelt.

Und trotz der inhaltlichen Gemeinsamkeiten wollen sie jeweils das letzte Wort haben. Immer wieder verweist Weidel darauf, dass Wagenknecht länger habe reden dürfen als sie selbst.

Ebenfalls auffällig: Weidel versucht der BSW-Chefin trotz mehrerer Angriffe aufeinander immer wieder die Hand zu reichen. Spricht von einem gemeinsamen "Wir". Etwa, wenn es um Friedensfragen oder dem Vorwurf der Nähe der Parteien zu Russland geht.

Wagenknecht hingegen versucht sich immer wieder klar abzugrenzen, auch wenn die Positionen in manchen Fragen ähnlich wirken. Merkt sie das, steuert sie nach, versucht einen Stich zu landen.

Absage an Koalition mit der AfD? Wagenknecht bleibt vage

Ausweichend wird sie bei der Frage nach einer klaren Abgrenzung zur AfD. Schwammig formuliert die BSW-Chefin, dass die heutige AfD eine andere Partei sei als bei ihrer Gründung.

Damals hätte man mit der Partei sprechen, womöglich koalieren können. Heute aber, sei der Höcke-Flügel stark. Eine klare Koalitionsabsage spricht sie aber nicht aus.

Stattdessen macht sie deutlich, mit einer Höcke-AfD könne man nicht regieren. Weidel hingegen rechnet sie dem alten AfD-Schlag zu. Klare Abgrenzung klingt anders.

Als klare Siegerin geht aus dem Duell am Mittwoch keine der beiden Frauen hervor. Beide Politikerinnen konnten ihre Punkte setzen und Spitzen verteilen. Anders als zuvor von Weidel erwartet, hat es doch einige Konfrontationen gegeben.

Doch es hat sich auch gezeigt: In manchen Punkten sind sich AfD und BSW gar nicht so unähnlich.

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