Gemeinsames Abstimmen von Union und AfD beim Thema Asyl hat die Stimmung vor der Bundestagswahl weiter aufgeheizt. Nun fordert der Grünen-Kanzlerkandidat etwas für einen Wahlkampf Ungewöhnliches und auch Politiker anderer Parteien schlagen versöhnliche Töne an.

Bundestagswahl

Zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl und nach einer Woche im Zeichen des Streits um die Migrationspolitik streckt Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck der politischen Konkurrenz die Hand hin: "Wir könnten jenseits des Streits einmal ein Signal senden, dass es einen stabilen demokratischen Konsens der Mitte immer noch gibt", sagte Habeck in der ZDF-Sendung "Markus Lanz". Bei Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU) und ihm gebe es mehr Übereinstimmendes als Trennendes etwa bei den Themen Ukraine und Strompreis-Entlastungen.

"Vielleicht gelingt es ja Scholz, Merz und mir, drei, vier Punkte (...) zu identifizieren, jetzt (…) vor dem Endpunkt des Wahlkampfs, wo wir sagen: Da stimmen wir alle überein." Neben einer innerhalb der EU solidarischen Antwort auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump und der Ukraine-Unterstützung nannte Habeck ähnliche Ansätze von Union, SPD und Grünen hinsichtlich einer Entlastung bei den Strompreisen, "um die Wirtschaft nach vorn zu bringen".

Habeck: Bestimmte Prinzipien sollten für jede Regierung gelten

In der aufgeheizten Wahlkampfstimmung fordert Habeck "ein Signal (...), dass das Land zusammenkommt". Deutlich werden sollten dabei bestimmte Prinzipien, die für jede Regierung gelten würden – "egal, wer Bundeskanzler wird oder wie die politische Debatte danach ausgeht", so Habeck.

Er sagte: "Daran wäre mir sehr gelegen, und vielleicht hat ja irgendjemand einmal Gelegenheit, die drei zu den drei Punkten (…) zu fragen, ob das mal möglich ist." Wichtig sei, "dass man einmal deutlich macht, dass es mehr ist, was wir gemeinsam haben, als was uns trennt".

Vergangene Woche hatte die Union im Bundestag zum ersten Mal überhaupt mit der AfD gestimmt. In dem Antrag ging es um einen schärferen Asylkurs. Vielen galt das als Zäsur. Viele sorgen sich stärker denn je um die Konsenskultur und die demokratische Mitte. Und so ist Habeck nicht der einzige, der mitten im Wahlkampf versöhnliche Töne anschlägt.

Alle Seiten zeigen Gesprächsbereitschaft

Grünen-Chef Felix Banaszak appellierte an die gemeinsame Verantwortung, dass der politische und gesellschaftliche Diskurs "nicht zu immer mehr Polarisierung oder Ausgrenzung" führe. "Uns alle eint der Wunsch nach einem Leben in einer Gesellschaft, die uns schützt und uns ein Leben in Sicherheit garantiert – egal ob eingewandert oder hier geboren", sagte er im Gespräch mit der "Rheinischen Post".

Lesen Sie auch

Er betonte, die Grünen sei "jederzeit bereit", die in der Europäischen Union verhandelte Asylreform "gemeinsam mit CDU, CSU und FDP in nationales Recht zu gießen". Ähnlich hatte sich zuvor bereits Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geäußert.

Die Reform der europäischen Asylregeln war im vergangenen Jahr besiegelt worden. Sie sieht schärfere Regeln zu Einreisen und die Erleichterung von Abschiebungen vor. Die Reform verpflichtet die EU-Länder, die neuen Vorschriften bis Mitte 2026 in nationales Recht zu überführen. Deutschland will hier aber schneller vorgehen.

Wüst (CDU): "Der Ton muss versöhnlicher werden"

Auch die FDP drängt auf einen Konsens der Mitte als "als Zeichen der Handlungsfähigkeit", wie Parteichef Christian Lindner sagt. Sie schlägt vor, die Inhalte des von der Union vorgeschlagenen und am Freitag im Bundestagstag gescheiterten Migrationsgesetzes in das Gesetz zur Reform des Europäischen Asylsystems (GEAS) aufzunehmen und dann gemeinsam am letzten Sitzungstag vor der Bundestagswahl (11. Februar) zu verabschieden. Union und SPD hätten diesbezüglich bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert, so Lindner.

Mäßigung und Zusammenarbeit der demokratischen Parteien verlangt auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst. "Der Ton zwischen den demokratischen Parteien muss jetzt wieder versöhnlicher werden", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Man sollte nie ausschließen, dass der andere vielleicht auch recht haben könnte." Wüst lobte die Zusammenarbeit mit den Grünen bei den Themen Migration und Sicherheit in seinem Bundesland und warnte: "Wenn die demokratischen Parteien der Verrohung Vorschub leisten, fällt ihnen das selbst vor die Füße." (dpa/afp/bearbeitet von ank und mcf)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.