Mario Czaja war CDU-Generalsekretär unter Friedrich Merz. Jetzt will er im Berliner Osten sein Direktmandat verteidigen. Mit seiner Partei ist Czaja nicht immer auf einer Linie, in der aktuellen Migrationspolitik nimmt er Friedrich Merz allerdings in Schutz – und teilt gegen SPD und Grüne aus.
Die Erzählung von CDU und CSU ist klar: SPD und Grüne haben vergangene Woche im Bundestag eine demokratische Mehrheit für eine Verschärfung der Migrationspolitik verhindert. Deswegen musste die Union die Mehrheiten mit der AfD herstellen. Die CDU sei das Opfer, das jetzt auch noch von Demonstrierenden zu Unrecht bedrängt wird. Zwar stehen viele Menschen hinter dem Manöver von Friedrich Merz. Hunderttausende sind allerdings auch im ganzen Land dagegen auf die Straßen gegangen.
Mario Czaja ist ehemaliger CDU-Generalsekretär und früherer Berliner Gesundheitssenator. Im Interview mit unserer Redaktion blickt er auf die Stimmung im Land und die Zukunft seiner Partei.
Herr Czaja, am Wochenende sind Hunderttausende Menschen gegen den Asylkurs der CDU/CSU auf die Straße gegangen. Läuft die CDU Gefahr, ihre hart erarbeiteten Erfolge in den Großstädten zunichtezumachen?
Mario Czaja: Es ist durchaus eine Herausforderung, unsere Entscheidungen der vergangenen Woche zu erklären. Insbesondere, weil SPD und Grüne viele Unwahrheiten verbreiten und mit diesen Unwahrheiten den Wahlkampf befeuern wollen, um der Union gezielt zu schaden. Tatsache ist: Wir haben unsere Position, die wir schon im Sommer letzten Jahres formuliert hatten, erneut ins Parlament eingebracht. Die Gesetzesinitiative vom vergangenen Freitag ist fast wortgleich aus dem Programm der SPD und aus früheren gemeinsamen Gesetzesinitiativen von CDU/CSU und SPD hervorgegangen. Es sind SPD und Grüne, die diesen notwendigen Politikwechsel in der Migrationspolitik jetzt nicht mitgemacht haben. Aber das kann nicht dazu führen, dass wir unsere Anträge nicht ins Parlament einbringen.
Der Vorwurf lautet aber nicht, die CDU hätte von der SPD abgeschrieben. Der Vorwurf lautet: Die CDU hat von der AfD abgeschrieben.
Das ist eine haltlose Unterstellung von SPD und Grünen. Wir schreiben nichts von der AfD ab. Wir haben unsere Gesetzesinitiative in den Deutschen Bundestag eingebracht. Es wurde über die Anträge der CDU und CSU entschieden. Wir schließen es aus, mit der AfD zusammenzuarbeiten, mit ihr Gespräche zu führen, geschweige denn mit ihr zu koalieren. Ich kenne niemanden in der CDU/CSU-Fraktion, der sich eine Zusammenarbeit mit der AfD ernsthaft wünscht.
Der Gesetzentwurf wurde bewusst im Wahlkampf platziert. Wäre ein ordentliches Verfahren, wie es von den Grünen gefordert wurde, nicht besser gewesen?
Auch hier sollten wir für eine seriöse Bewertung die zeitlichen Abläufe beachten: Die Gesetzesinitiative kommt aus dem September letzten Jahres. Da war die Koalition noch gar nicht geplatzt. Dann wurde sie in den Innenausschuss überwiesen, wo sie am 6. November vormittags zur Debatte stand. Auch da bestand die Koalition noch. Die Ampel hatte damals gegen den Antrag gestimmt, die AfD dafür. Das Einzige, das sich am Nachmittag des 6. November geändert hat, war, dass die Ampel inzwischen geplatzt und die FDP nun auch für unseren Antrag war. Dieser Antrag kommt dann automatisch zurück ins Parlament. Das kann niemand aufhalten. Wir hätten doch nicht ernsthaft gegen unseren eigenen Antrag stimmen können. Das wäre völlig abwegig gewesen. Also, unsere Gesetzesinitiative wurde zu einem Zeitpunkt gestartet, als die Ampel noch flackerte und niemand wusste, dass und wann es vorgezogene Neuwahlen geben würde.
Glauben Sie wirklich, dass sich die turbulente vergangene Woche für die Union auszahlt?
Wir stehen für eine Wende in der Migrationspolitik. Es kann nicht so weitergehen wie bisher – die massiven Sorgen vieler Menschen in unserem Land müssen von den Parteien der demokratischen Mitte schnell aufgegriffen werden, das können wir nicht vertagen. Wir haben aus den Fehlern unserer eigenen Regierungszeit bis zum Jahr 2021 gelernt. Wichtig ist, dass die Wählerinnen und Wähler jetzt genau wissen, wofür wir stehen. Wer diese Politik will, braucht eine starke CDU im nächsten Deutschen Bundestag.
Wir kämpfen darum, dass die CDU so stark wie nur irgend möglich ist, um Koalitionsverhandlungen aus der Position der Stärke heraus führen zu können. Wichtig ist mir, dass wir eine Zweierkonstellation im nächsten Deutschen Bundestag haben. Die FDP knabbert momentan an der Fünf-Prozent-Hürde. Das Einknicken etlicher FDP-Abgeordneter am letzten Freitag könnte sich allerdings spätestens am Wahlabend als Eigentor entpuppen.
Schwarz-Grün schließen viele in der CDU und CSU aus. Also schießt man sich auf die SPD ein?
Von den möglichen Varianten ist die SPD sicherlich die beste Option. Erstmal müssen wir aber so stark wie möglich aus dem Wahltag herauskommen. Dafür werden wir im Endspurt bis zur Wahl noch viel Kraft investieren.
In Ihrem Wahlkampf stellen Sie sich aktiv gegen eine Kernforderung von Friedrich Merz: Sie wollen keine Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. Wie blicken Sie auf den Kurs, den Herr Merz vergangene Woche eingeschlagen hat?
Wir haben als Partei ein ganzheitliches Programm für alle Lebensbereiche entwickelt, das wir in den kommenden vier Jahren umsetzen wollen. Dafür steht Friedrich Merz und dafür stehe auch ich. Da gibt es keinen Dissens. Ich habe in der Frage der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern eine Minderheitenmeinung in der CDU, wie Michael Kretschmer auch. Die wird mit Respekt behandelt. Es war mir wichtig, dass die Wähler in meinem Wahlkreis meine Haltung kennen.
Über den Gesprächspartner
- Mario Czaja war von Januar 2022 bis Juli 2023 Generalsekretär der CDU. Dann wurde er gegen Carsten Linnemann eingetauscht. Von 2011 bis 2016 war Czaja zudem Berliner Gesundheitssenator. Seit 2021 ist er Abgeordneter im Bundestag. 2025 will er sein Direktmandat in seinem Wahlkreis Berlin Marzahn-Hellersdorf verteidigen, das er 2021 der Linken Petra Pau überraschend abluchste.
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