Nach den gemeinsamen Abstimmungen von CDU und AfD machte Robert Habeck bei "Markus Lanz" seinem Ärger Luft und warf Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz Erpressung vor. Von dem ZDF-Moderator kassierte er für seine Argumentation jedoch jede Menge Gegenwind.

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Das Thema der Runde

"Was kommt nach dem 23. Februar?", wollte Markus Lanz aktuell im Hinblick auf die Abstimmungen der Union mit der AfD wissen. Die Entscheidung der CDU, ihren Fünf-Punkte-Plan zum Thema Migration am vergangenen Mittwoch mithilfe von AfD-Stimmen durch den Bundestag zu bringen, hat nicht nur das Land, sondern auch die demokratische Mitte stark polarisiert.

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz machte zwar mehrmals deutlich, dass er sich nicht von der AfD abhängig machen wolle, doch Grünen-Politiker Robert Habeck sah am Dienstagabend in der ZDF-Sendung eine große Gefahr hinter der vermeintlichen Einigkeit zwischen Union und AfD.

Die Gäste

  • Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) verurteilt die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD aufs Schärfste und sagt: "Schicksalstage erkennt man manchmal erst rückwärts."
  • Journalistin Julia Löhr sieht nicht nur viele Fehler in der Migrationspolitik der Ampel, sondern auch in der Wirtschaftspolitik des Vizekanzlers: "Habeck hat falsche Prioritäten gesetzt."
  • Autor und Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer echauffiert sich über die unzureichende deutsche Asylpolitik mit inkonsequenten Abschiebungen. Er warnt: "Dieser Staat weiß nicht, wer hier ist."
Markus Lanz, Robert Habeck
Markus Lanz (l.) warf Robert Habeck vor, nicht schon viel früher mit einer eigenen Lösung zum Thema Migration um die Ecke gekommen zu sein. © ZDF/Markus Hertrich

Das Wortgefecht

Bei "Markus Lanz" wetterte Vizekanzler Robert Habeck mehrmals gegen CDU-Chef Friedrich Merz und dessen Entscheidung, mithilfe der AfD seinen Fünf-Punkte-Plan zur Migration durch den Bundestag zu bringen. Habeck warnte, dass mit dem Vorgehen der Union die deutsche Debattenkultur "zerrissen werden" könnte.

"Meiner Prognose nach wird die Union am Ende dadurch aufgefressen werden", argumentierte Habeck. "Wir sehen das in allen anderen europäischen Ländern, dass die konservativen Parteien verlieren und dann am Ende die Rechtsradikalen übernehmen."

Markus Lanz konterte unbeeindruckt: "Man kann jetzt Friedrich Merz vieles vorwerfen, (...) aber konnte man ernsthaft nach Aschaffenburg die Dinge einfach so weiterlaufen lassen?"

Der ZDF-Moderator kritisierte "die immer gleichen Rituale" der demokratischen Parteien, die bislang keine echten Ergebnisse in der Migrationspolitik vorgebracht hätten. "Wäre dann nicht die Gefahr viel größer gewesen, dass die AfD direkt Richtung 30 Prozent marschiert - ohne diesen Vorstoß?", fragte Lanz.

Robert Habeck reagierte beleidigt: "Wo kommt die Unterstellung her: 'Die üblichen Rituale, man ist betroffen und tut nichts'? Es wird permanent etwas getan!"

Lanz konterte prompt: "Das ist keine Unterstellung!" Statt seinen eigenen Zehn-Punkte-Plan in der Migrationsfrage weiter auszuführen, echauffierte sich der Vizekanzler über die vermeintliche "Erpressung" von Friedrich Merz und stellte klar: "So können wir als demokratische Parteien nicht zu einem Konsens finden."

Während Lanz energisch mit dem Kopf schüttelte und Sätze wie "Nein, sorry" und "Das kaufe ich nicht" sagte, feuerte der Grünen-Politiker unbeirrt weiter: "Das ist die Praxis gewesen, Herr Lanz. Das ist die Ansage gewesen!"

Lanz reagierte zwar mit einem deutlichen "Nein", doch Robert Habeck hielt dagegen: "Nicht nein - ja! Das hat er ja gesagt: 'Ich gucke nicht rechts, nicht links'." Habeck ergänzte wütend: "Bei aller Liebe zum Konsens, (...) aber so geht es nicht. Man kann demokratische Parteien nicht erpressen: 'Ich kriege meinen Willen oder ich stimme mit der AfD ab'."

Markus Lanz, Robert Habeck, Julia Löhr und Olaf Sundermeyer
Bei Markus Lanz (l.) zu Gast: Robert Habeck, Julia Löhr und Olaf Sundermeyer (r.). © ZDF/Markus Hertrich

Der grüne Kanzlerkandidat ärgerte sich weiter, dass Merz nun versuche, den Grünen und der SPD die Schuld für die Einigkeit mit der AfD zu geben: "Das ist ja eine Umkehr der Logik. Die haben einen Fehler gemacht und wir sollen daran Schuld sein. Ich dachte, konservativ bedeutet, zumindest zu seinen Fehlern zu stehen. Wenn man schon nicht zu seinem Wort steht, dann doch zumindest zu seinen Fehlern. Man kann doch jetzt nicht den anderen die Verantwortung für seine Fehlentscheidungen zuschieben. Das verstößt nun gegen alles, was Ehre und Konservatismus eigentlich bedeuten sollte."

Ein Argument, das Julia Löhr so nicht unterschreiben konnte. Sie sagte in Richtung Habeck: "Sie werfen der CDU vor, dass sie nicht mit Ihnen reden will und immer die Schuld anderen gibt. Und Sie machen es aber genauso. Das ist nicht konsequent."

Die Offenbarung des Abends

Robert Habeck verdeutlichte einmal mehr, wie verworren das deutsche Asylsystem bereits seit Jahren ist. "Wir haben 170.000 offene Haftbefehle in Deutschland. 14.000 davon gegen Schwerverbrecher. Die sind eigentlich vollzugspflichtig und die sind offen. Und ich glaube, dass das der viel größere Punkt ist, um die Sicherheit und auch das Sicherheitsgefühl im Land zu erhöhen", so der Grünen-Politiker. Habeck fügte mit ernster Miene hinzu, dass sich der Fünf-Punkte-Plan der Union jedoch nicht mit diesen Zahlen beschäftige.

Markus Lanz konterte irritiert: "Herr Habeck, Entschuldigung! Das ist Ihnen jetzt aufgefallen oder wissen Sie das schon länger?"

Robert Habeck antwortete schwammig: "Das mit den offenen Haftbefehlen, das wusste ich schon länger. Die Vollzugsumsetzung war permanent Thema im Kabinett." Der Vizekanzler ergänzte: "Wenn die Staaten sagen, wir nehmen sie nicht zurück, dann ist die Umsetzung schwierig. Wir brauchen also Migrationsabkommen, wo die Staaten dann auch bereit sind, ihre Leute, die hier nicht in Deutschland bleiben können, zurückzunehmen. Daran scheitert ganz vieles - an dem praktischen Vollzug."

Eine Aussage, die Lanz ärgerte: "Die Argumentation, die ich jetzt höre, ist die, die wir seit zehn Jahren hören. Genau die!" Habeck ruderte prompt zurück: "Sie legen mir ein Argument in den Mund, das ich gar nicht gebracht habe."

Doch Lanz blieb bei seiner Meinung und stellte klar: "Es ist traurig, dass wir über Migration nur noch als Problem sprechen. Aber muss man dann nicht mal selbstkritisch sagen: Diese Situation, (...) das hat ganz viel damit zu tun, dass wir die Dinge einfach so lange haben schleifen lassen."

Robert Habeck wollte dem nur bedingt zustimmen und kritisierte stattdessen weiter Merz' Fünf-Punkte-Plan: "Wir haben ungefähr 40.000 offene Rückführungen in Deutschland. Herr Merz sagt, die müssen jetzt alle eingesperrt werden. (...) Das weckt eine Erwartungshaltung, die niemals zu erfüllen ist."

Der Erkenntnisgewinn

Dass nach dem Anschlag in Aschaffenburg, bei dem ein Kind und ein Mann getötet wurden, vor allem die Abstimmung der Union mit der AfD nach wie vor im Vordergrund zu stehen scheint, brachte Markus Lanz an den Rand der Verzweiflung. Denn: "Die Leute sind so müde von theoretischen Brandmauer-Diskussionen und die ständigen Diskussionen um die AfD. (...) Die Leute sagen: Macht bitte gute, vernünftige Politik, damit wir diese Leute nicht wählen müssen. Der Großteil der Deutschen ist doch gemäßigt, ist doch eindeutig in der demokratischen Mitte zu Hause."

In Richtung Robert Habeck fragte er: "Warum machen Sie denen nicht ein gutes Angebot? Warum diese zehn Punkte, die Sie jetzt bringen, nicht vor zwei Jahren?"  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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Teaserbild: © ZDF/Markus Hertrich