• Armin Laschets Zeit als CDU-Chef geht zu Ende. Mit Helge Braun gibt es nun einen ersten Bewerber um die Nachfolge.
  • Helge Braun gilt als Vertrauter von Angela Merkel und hat sich in den vergangenen Jahren einen guten Ruf als Kanzleramtsminister erarbeitet.
  • Der Anwärter auf den CDU-Vorsitz im Porträt.

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Eigentlich hatten alle mit einem Zweikampf um den Posten des CDU-Chefs gerechnet. Nach dem Rückzieher von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, geisterten hauptsächlich zwei Namen durch den Raum: Norbert Röttgen und Friedrich Merz. Etwas überraschend kommt nun die Kandidatur von Helge Braun, die aus einem anstehenden Duell ein Triell macht.

Der 49 Jahre alte Hesse wurde vom CDU-Kreisverband Gießen am Freitagabend offiziell als Kandidat für den Bundesvorsitz der Christdemokraten nominiert. Die Entscheidung sei einstimmig gefallen, sagte Kreisgeschäftsführer Markus Schmidt der Deutschen Presse-Agentur am späten Abend.

Helge Braun: Er ist ein Mann des Angela Merkel Lagers

Braun wird traditionell dem liberalen Flügel der CDU zugerechnet, dem auch Norbert Röttgen angehört. Was Braun allerdings von Röttgen abhebt, ist seine enge Bindung zu Angela Merkel und ihrem Unterstützerkreis. Im Merz-Lager könnte Braun als letzter Versuch Merkels interpretiert werden, den dem konservativen Flügel zugehörigen Friedrich Merz als CDU-Chef zu verhindern.

Merz war bereits 2018 und 2020 beim Versuch, CDU-Chef zu werden, gescheitert. Die Ausrichtung der Partei wäre mit ihm eine zum jetzigen Merkel-Kurs entgegengesetzte. Dementsprechend rief die Kandidatur Brauns auch wenig Begeisterung im Merz-Lager hervor: "Das Letzte, was die CDU jetzt braucht, ist ein Narkosearzt", so ein CDU-Abgeordneter und Merz-Unterstützer zu "BILD".

Promovierter Arzt und leidenschaftlicher Wissenschaftler

Diese Anspielung hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen zeichnet sich Braun durch eine ruhige und gelassene Art aus, zum anderen hatte er an der Gießener Universität Humanmedizin studiert und war dort nach Abschluss seines Studiums im Jahr 2001 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni-Klinik Gießen tätig. Seine Promotion erfolgt 2007 und wurde zuletzt auf Verstöße gegen wissenschaftliche Standards geprüft, nachdem Braun aufgrund aufkommender Vorwürfe selbst darum gebeten hatte.

Eine Täuschungsabsicht könne aber nicht festgestellt werden, so der Präsident der Uni Gießen, Joybrato Mukherjee, im Interview mit dem "Spiegel". Die enge Bindung an die Wissenschaft, die Braun mit der promovierten Physikerin Angela Merkel teilt, bleibt auch nach Start seiner politischen Karriere erhalten. Er unterrichtet an den Universitäten Frankfurt und Gießen gelegentlich als Honorarprofessor.

Helge Braun: Von der Jungen Union zum Nachfolger von Volker Bouffier

Zur Politik gelangt Braun schon früh durch den Vater seines besten Freundes, Adolf Roth, der selbst CDU-Mitglied und von 1983 bis 2002 Bundestagsabgeordneter war. Wie Roth auch ist Braun zunächst in der Jungen Union (JU) aktiv. Damals verärgert er Teile der Partei, als er mit dem Slogan "Sex ist schöner in einem Land mit Zukunft" öffentlich in Gießen wirbt. Noch bis 2007 bleibt Braun Mitglied der JU, seit 1990 ist er auch Mitglied der CDU.

Dort wird er 2004 Nachfolger des amtierenden hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier als Chef des CDU-Kreisverbandes Gießen und engagiert sich in der Kommunalpolitik. Den erstmaligen Sprung in den Bundestag schafft Braun 2002 über die Landesliste Hessen. Er wird direkt zum stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landesgruppe Hessen gewählt.

Helge Braun: Merkel-Vertrauter kann Krisenmanagement

Doch dem Aufstieg folgt der jähe Fall, als Braun bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 den Wiedereinzug verpasst. In den folgenden Jahren arbeitet er als Narkosearzt, wie er auch schon während seiner Abgeordnetenzeit in sitzungsfreien Wochen Dienste in der Uniklinik Gießen übernommen hatte. In den Wahljahren 2009 und 2013 holt Braun jeweils ein Direktmandat, 2017 tritt er gar als Spitzenkandidat der CDU Hessen an und gewinnt erneut ein Direktmandat.

Im Jahr 2013 nimmt seine politische Karriere dann richtig Fahrt auf, als ihn Angela Merkel ins Kanzleramt holt und zum Staatsminister macht. Braun wird "zweiter Mann" hinter Kanzleramtschef Peter Altmaier. Das Vertrauen Merkels gewinnt Braun mit seinem Engagement in der Ebola-Pandemie 2014, sowie seiner verlässlichen Arbeit in der Flüchtlingskrise 2015.

Nach Bundestagswahl 2017: Helge Braun wird Bundeskanzleramtschef

Schon damals macht sich Braun einen Namen als ruhiger Koordinator, der stets den Überblick behält und mit viel Fingerspitzengefühl für Kompromisse, auch zwischen verschiedenen Landesregierungen moderiert. Seine Fähigkeiten sind über die Landesgrenzen bekannt. Die "Berner Zeitung" bezeichnet Braun als stressfesten und klugen Krisenmanager, der hervorragend organisiert, vermittelnd, fair, humorvoll und fleißig vorgehe.

Nach der Bundestagswahl 2017 folgt die Beförderung zum Bundesminister für besondere Aufgaben, mit der Angela Merkel ihn mit der Leitung des Bundeskanzleramts betraut. Die Koordination der verschiedenen Ministerien liegt dem stets auf Ausgleich bedachten Braun, der für seine besonnene Art geschätzt wird. Diese Eigenschaft hat er sich auch als Notfallmediziner erarbeitet: "Egal was: Die Leute, die sehr schnell nervös werden, das gilt bei einer politischen Herausforderung wie bei einer Situation im OP, das führt zu schlechteren Entscheidungen", glaubt Braun laut "kas.de".

"Merkels Notarzt" Helge Braun: Koordination ist seine Hauptaufgabe

Seine medizinische Expertise und die Erfahrung aus der Ebola-Pandemie machten Braun auch zum designierten Krisenmanager in der Corona-Pandemie. Braun kam als "Merkels Notarzt", wie ihn die "Berner Zeitung" bezeichnete, die Rolle zu, in den Talkshows des Landes Entscheidungen geduldig zu erklären und zu rechtfertigen. Er gilt als Mahner, der das Virus sehr ernst nimmt. Und auch in der Pandemie musste Braun vor allem eines: koordinieren.

So bestand seine wichtigste Aufgabe darin, zwischen den Staatskanzleien der 16 Bundesländer zu vermitteln. Er bereitete die inzwischen berühmt-berüchtigten Konferenzen zwischen Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder vor. Und mit Michael Meister, hessischer CDU-Bundestagsabgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, hat sich nun auch der erste Braun-Unterstützer öffentlich zu Wort gemeldet.

Helge Braun: Anerkannte Expertise, umstrittene Rhetorik

"Helge Braun ist ein kluger Kopf mit Ideen für die Zukunft. Er kann präzise Botschaften formulieren und durchdringt komplexe Sachverhalte", so Meister gegenüber dem "RND". Während Brauns Expertise allgemein anerkannt ist, steht sein rhetorisches Talent infrage. Seine Sachlichkeit wird ihm von Kritikern als Langeweile ausgelegt. Den richtigen Ton hatte er zuletzt auch in der Pandemie vermissen lassen.

Bei "BILD Live" hatte er Berufspendlern geraten, wegen Corona volle Busse und Bahnen zu meiden und auf das Fahrrad umzusteigen. Der Widerspruch des Koalitionspartners SPD folgte sogleich, da Braun selbst stets mit einer Audi-A8-Dienstlimousine vorfährt und auch das mediale Echo ließ nicht lange auf sich warten. Seine Aussagen flogen ihm tagelang um die Ohren.

Kanzleramtschef Braun: Die Digitalisierung ist sein Herzensanliegen

Im Landesverband seiner Partei stieß die Ankündigung seiner Kandidatur wohl auch daher auf ein geteiltes Echo. Die Konservativen sehen Braun als Kopie der Kanzlerin, im liberalen Teil wird die Kandidatur dagegen positiv aufgenommen. Das liegt mitunter auch an den von Michael Meister genannten Ideen für die Zukunft. Denn die Digitalisierung ist Helge Braun ein Herzensanliegen: "Wir erreichen Vollbeschäftigung nicht trotz, sondern wegen der Digitalisierung", prognostiziert er in der "Bild am Sonntag".

Bis zum 17. November können sich noch Anwärter für die Nachfolge von CDU-Chef Armin Laschet melden. Im Dezember soll dann ein Mitgliederentscheid über die Kandidaten abgehalten werden. Merz, dessen Kandidatur als wahrscheinlich gilt, ist bei der Basis sehr beliebt, dafür genießt Braun Unterstützung in einigen wichtigen Gremien. Und dann ist da auch noch der Transatlantiker Norbert Röttgen, der wohl ebenfalls kandidiert. Eine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang ist nicht zu erwarten.

Verwendete Quellen:

  • bild.de: Der Braun-Hammer
  • bild.de: "Digitalisierung bringt Vollbeschäftigung"
  • bild.de: Erst Rad fahren, dann ratschlagen, Herr Minister
  • helge-braun.de: Helge Braun
  • kas.de: Helge Braun
  • rnd.de: Plagiatsvorwürfe gegen Helge Braun – Uni Gießen überprüft Doktorarbeit
  • rnd.de: Suche nach neuem CDU-Chef: Kanzleramtschef Helge Braun bekommt Unterstützung
  • spiegel.de: Braun und Röttgen wollen CDU-Chef werden
  • spiegel.de: "Das ist ein Aufwand von einem Nachmittag"

Wer soll Laschet-Nachfolger werden? Umfrage sieht einen Kandidaten vorne

Von den derzeit diskutierten Nachfolgern von Armin Laschet als CDU-Chef stößt einer Umfrage zufolge der Außenpolitiker Norbert Röttgen in der Bevölkerung auf die größte Zustimmung. Unter den CDU/CSU-Anhängern liegt allerdings Ex-Fraktionschef Friedrich Merz demnach vorn. Vorschaubild: imago images/Winfried Rothermel
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