• Leserinnen und Leser fragen Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker - mit unserem Format haben wir ihnen den direkten Draht zum Berliner Politikbetrieb verschafft.
  • Vor der Bundestagswahl brennen den Usern unserer Plattform sehr viele Probleme unter den Nägeln.
  • Hier beantwortet der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki zehn Fragen, unter anderem zu Steuererhöhungen, zum Pflegenotstand und zur Bedrohung von Arbeitsplätzen durch die Digitalisierung.

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Vor der Bundestagswahl am 26. September haben wir unseren Leserinnen und Lesern die Chance gegeben, ihre Fragen und Anliegen an sechs Spitzenkräfte der im aktuellen Bundestag vertretenen Parteien zu schicken.

Teil 1: Ihre Fragen an Linke-Politiker Gregor Gysi

Teil 2: Ihre Fragen an CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus

Teil 3: Ihre Fragen an Grünen-Politiker Cem Özdemir

Teil 4: Ihre Fragen an AfD-Politikerin Alice Weidel

Teil 5: Ihre Fragen an SPD-Politiker Kevin Kühnert

Gregor Gysi (Die Linke), Ralph Brinkhaus (CDU/CSU), Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Alice Weidel (AfD), Kevin Kühnert (SPD) und Wolfgang Kubicki (FDP) haben sich jeweils bereit erklärt, zehn Einsendungen unserer Leserschaft zu beantworten, die wir aus der Vielzahl von Fragen ausgesucht haben.

Bei FDP-Vize Kubicki interessieren die Leserinnen und Leser unter anderem die Themen Steuererhöhungen, Pflegenotstand und Bedrohung von Arbeitsplätzen durch die fortschreitende Digitalisierung.

"Was ist Ihrer Meinung nach das Problem, das in der Bundesrepublik zuerst gelöst werden sollte?"
Christian, Nordrhein-Westfalen, 78, Rentner

Wolfgang Kubicki: Wir erleben, dass Deutschland in vielen Bereichen den Anschluss an die Weltspitze verloren hat. Corona hat hier viele Schwächen gnadenlos offengelegt. Wir müssen Deutschland deshalb in vielen Bereichen wieder zukunftsfest machen.

Aber das wahrscheinlich Wichtigste ist, dass wir unser Bildungssystem endlich an den Herausforderungen der Zeit ausrichten. Schulen müssen deutlich stärker Problemlösungskompetenz vermitteln. Es ist klar: Wenn wir unsere Jüngsten nicht vernünftig auf die Herausforderungen der Zeit vorbereiten, wird Deutschland insgesamt sein Wohlstandsniveau nicht halten können.

"Warum hat Ihre Partei keinen Kanzlerkandidaten aufgestellt?"
Andreas, Regensburg, 70, Rentner

Kubicki: Wir haben dies ja schon vor einigen Jahren einmal getan. Damals wurde uns - nicht zu Unrecht - Anmaßung nachgesagt. Ich halte außerdem die Diskussion um Kanzlerkandidaten nicht gerade für sinnvoll. Sie lenkt von der Auseinandersetzung darüber ab, um welche Themen es in den kommenden vier Jahren gehen muss.

"Laut dem FDP-Wahlprogramm wird es keine Steuererhöhungen, sondern im Gegenteil sogar Steuersenkungen geben. Wie sollen die Folgen der Coronakrise und andere aktuelle wie künftige Herausforderungen finanziert werden?"
Klaus-Dieter, Saalekreis, 69, Rentner

Kubicki: Deutschland belastet seine Bürgerinnen und Bürger stärker als jedes andere Land in der Welt. Ich halte nicht viel davon, dass wir den Abstand zu den anderen ausgerechnet in dieser Frage auch noch ausbauen. Es ist eine Chimäre, dass Deutschland mehr Geld von seinen Steuerzahlerinnen und -zahlern braucht, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Aber was wir benötigen, um die finanziellen Folgen von Corona zu stemmen, ist: Wirtschaftswachstum. Wir sind auf diese Weise bereits aus der Finanzkrise herausgewachsen.

"Was möchte Ihre Partei gegen den Pflegenotstand und für pflegende Angehörige tun?"
Steve, Mülheim an der Ruhr, 32, Krankenpfleger

Kubicki: Wir benötigen deutlich bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Darum müssen wir von der Bildung über eine bedarfsgerechte Personalbemessung bis hin zu mehr Karrierechancen dafür sorgen, dass der Beruf insgesamt wieder attraktiver wird. Nur so können wir den Personalmangel angehen und mehr Pflegepersonal in die Versorgung bringen. Und wir müssen das Pflegepersonal von überflüssigen bürokratischen Lasten befreien, um mehr Zeit für die Pflegebedürftigen zu haben.

"Es ist abzusehen, dass durch die digitale Revolution und den Effektivitätssprung in der Wirtschaft etliche Arbeitsplätze obsolet werden. Welche Lösungen hat die FDP für diese Problematik und wie will die Partei die steigende soziale Ungleichheit in Deutschland verringern?"
Eduard, Bayern, 71, Privatier

Kubicki: Ich kann mich noch gut an eine Karikatur erinnern, die ich - nach meiner Erinnerung - Ende der 1960er Jahre im "Spiegel" gesehen habe: Zwei Männer stritten sich heftig darum, wer den einen Knopf an der Produktionsmaschine drücken darf. Will heißen, die Diskussion über verschwindende Arbeitsplätze durch den technischen Fortschritt ist so alt wie der technische Fortschritt selbst. Arbeitsplätze werden nicht verschwinden, Arbeitsprozesse werden aber flexibler gestaltet. Darauf ist zuerst eine vernünftige Bildungspolitik die beste Antwort, indem Problemlösungskompetenz vermittelt wird.

"Plädieren Sie für Fortführung der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung oder für die Einführung einer universellen Bürgerversicherung für alle?"
Kathrin, Hamburg, 44, Angestellte

Kubicki: Ich plädiere für die Fortführung des aktuellen Systems mit privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Es muss aber der Wechsel zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung vereinfacht werden. Die Vielfalt in unserem Krankenversicherungssystem halte ich nicht für einen Mangel, sondern für eine große Stärke.

"Halten Sie den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von derzeit 9,60 Euro brutto für ausreichend?"
Ludwig, Rhein-Sieg-Kreis, 64, Leiharbeiter

Kubicki: Die Mindestlohnkommission, die regelmäßig die Höhe des Mindestlohnes bestimmt, wurde genau deshalb vom Gesetzgeber eingesetzt, um diese Frage nicht politischen Opportunitäten zu unterwerfen. Deshalb sind deren Mitglieder auch nicht an Weisungen gebunden.

Ich habe weder einen Anlass zu glauben, dass die Kommission ihre Aufgabe nicht hinreichend erledigt, noch, dass die von ihr bestimmte Mindestlohnhöhe nicht ausreichend ist.

"Es gibt Überlegungen, das Renteneintrittsalter von 63 auf 67 Jahre anzuheben - wie stehen Sie dazu? Und wie sollte die Renten-Problematik angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft gelöst werden?"
Dirk, Niedersachsen, 42, Reifentechniker

Kubicki: Das Renteneinstiegsalter muss flexibler gestaltet werden - so, wie es zum Beispiel in Schweden getan wird. Nach meiner Auffassung muss es möglich sein, zwischen 60 und 70 Jahren selbstbestimmt aus dem Beruf auszusteigen. Denn es gibt durchaus Menschen, die noch über das aktuelle Renteneintrittsalter hinaus weiterarbeiten wollen und können.

"Wie gehen Sie mit dem Vorurteil um, dass die FDP lediglich die Partei der Reichen, Unternehmer und Akademiker sei?"
Kevin, Bayern, 16, Schüler

Kubicki: Gegen Vorurteile hilft nur ständige Überzeugungsarbeit. Ich halte jedenfalls das Programm der Freien Demokraten nicht für eines, das desintegrierend wirkt, sondern im Gegenteil: Es hat den Anspruch, jeder und jedem die Möglichkeit zu bieten, aus ihrem und seinem Leben das Beste zu machen.

"Die FDP hat 2017 die Gespräche für eine Jamaika-Koalition abgebrochen. Wenn es in diesem Jahr wieder die Möglichkeit eines vergleichbaren Bündnisses geben sollte, wird sich Ihre Partei diesmal der Verantwortung einer Regierungsbildung stellen?"
Oliver, Leipzig, 51, Ingenieur

Kubicki: Wir haben uns 2017 schon der Verantwortung gestellt. Denn wir wollten nicht zum Mehrheitsbeschaffer einer Politik werden, die wir für grundfalsch gehalten haben. Wir hielten den Kurs, den Angela Merkel mit den Grünen ersonnen hatte, für unverantwortlich. Mit Blick auf 2021 denke ich aber, dass eine Einigung - sollte es die Möglichkeit für "Jamaika" oder ein anderes Bündnis geben - gelingen wird.

Dies ist der sechste und letzte Teil unserer Reihe. In den vorangegangenen Folgen haben sich Gregor Gysi (Die Linke), Ralph Brinkhaus (CDU/CSU), Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Alice Weidel (AfD) und Kevin Kühnert (SPD) den Fragen unserer Leserinnen und Leser gestellt.

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