Im Wahlkampf zur Europawahl hält sich Bundeskanzlerin Angela Merkel auffallend zurück. Sie überlässt das Feld Annegret Kramp-Karrenbauer. Eine Chance für die Generalsekretärin - aber auch ein Risiko.

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Nein, die Kanzlerin soll im Wahlkampf nicht versteckt werden. Angela Merkel habe zwar "um Verständnis gebeten, dass sie nach dem Verzicht auf den Parteivorsitz keine reinen Parteitermine mehr wahrnimmt", sagt Thüringens CDU-Chef Mike Mohring im "Tagesspiegel".

Aber man bedenke das Ansehen, das die Kanzlerin nach wie vor genieße: "Mal ehrlich: Wie souverän sie in der Welt anerkannt ist, da muss man sie daheim nicht verstecken."

Die Rufe "Merkel muss weg" sind noch nicht so lange her. Die Kanzlerin hatte nach ihrem Rückzug vom CDU-Vorsitz keinen Zweifel daran gelassen, dass sie ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer "das Feld zur parteipolitischen Profilierung" überlassen und sich auf die Regierungsarbeit konzentrieren wolle.

An Wahlkampf mit Merkel gerade im Osten, wo ihre Flüchtlingspolitik auf besonders große Ablehnung stößt, wollte auch keiner so richtig denken.

AKK offenbar von Merkel enttäuscht

Das internationale Renommee der Kanzlerin ist in der Tat auch nach dem Rückzug von der Parteispitze ausgesprochen gut. Das war etwa in der vergangenen Woche zu beobachten, als die in Brexit-Nöten steckende britische Premierministerin Theresa May vor dem EU-Gipfel zuerst zur Kanzlerin kam, um sich mit ihr zu beraten, und danach nach Paris weiterflog.

Am nächsten Tag warb Merkel im Bundestag für einen längeren Brexit-Aufschub, um doch noch einen geordneten Austritt Großbritanniens hinzubekommen. Nun soll er spätestens Ende Oktober kommen.

Dieses Renommee täte natürlich auch der CDU im Europa-Wahlkampf gut. Doch Merkel hält sich zurück. Die "Welt am Sonntag" schreibt, dass Kramp-Karrenbauer es gerne gesehen hätte, wenn die Kanzlerin am gemeinsamen Wahlkampfauftakt von CDU und CSU am 27. April in Münster dabei wäre. Das ließ sich aber offenbar nicht mit Merkels Terminplanung vereinbaren.

Nun kommt die Kanzlerin nur zum Wahlkampfabschluss am 24. Mai nach München. Dort reisen auch einige andere Staats- und Regierungschefs der Europäischen Volkspartei (EVP) an, zu der auch CDU und CSU gehören. Kramp-Karrenbauer habe wohl mehr erwartet, so die Zeitung.

Merkel mit Weber bei Terminen im Ausland

Ein Sprecherin der CDU erklärte dazu lediglich: "In Absprache mit der Parteivorsitzenden wird die Bundeskanzlerin zur Abschlusskundgebung von CDU, CSU und EVP nach München kommen, darüber freuen wir uns. Abgesehen davon ist ihre erfolgreiche Politik für ein starkes Europa die entscheidende Wahlkampfunterstützung für die CDU." Das klingt nach zweitbester Lösung.

Nun steht Kramp-Karrenbauer beim Europa-Wahlkampf in Deutschland an vorderster Front. Merkel werde im Wahlkampf zusammen mit dem gemeinsamen Unions-Spitzenkandidaten Manfred Weber (CSU) an einigen ausgewählten Terminen im europäischen Ausland teilnehmen, so CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bei der Vorstellung der Wahlplakate vor gut einer Woche.

Die CDU-Vorsitzende erhält also eine weitere Bühne, um sich zu profilieren und Merkel dann möglicherweise auch im Kanzleramt zu beerben.

Allerdings wächst damit auch das Risiko, dass schlechte Wahlergebnisse, sei es in Europa, sei es bei den Landtagswahlen im Osten Deutschlands, ausschließlich Kramp-Karrenbauer auf die Füße fallen.

Einige in der Union sind überzeugt, Merkel habe Kramp-Karrenbauer zwar mit der Berufung als Generalsekretärin und der Unterstützung bei der Wahl zur CDU-Chefin aufs Gleis geholfen. Aber ins Kanzleramt muss sie schon alleine fahren. Und das ist kein Selbstläufer.

Noch ist die Kanzlerin in der Situation, selbst zu bestimmen, wann sie mit Blick auf die nächste Bundestagswahl den Stab übergibt. Dauert es zu lange, könnten sich auch andere CDU-Granden nochmals positionieren.  © dpa

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