In vier Wochen wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. In der Wahlarena des Bayerischen Rundfunks vermied CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer allzu scharfe Töne in der Flüchtlingspolitik – und schloss eine Koalition mit den Grünen und der AfD aus.

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Was ist das Thema?

Vier Wochen vor der Wahl des neuen bayerischen Landtags steigt bei der allein regierenden CSU die Nervosität. Im aktuellen Bayerntrend landen die Christsozialen von Ministerpräsident Markus Söder nur noch bei 35 Prozent – seit Erhebung der Umfrage 1998 ein Minusrekord. Wie will die CSU einen Weg aus dem Umfragetief finden? Werden die Grünen, die aktuell mit 18 Prozent zweitstärkste Partei sind, erstmals die SPD (11 Prozent) überflügeln? Was haben die Parteien inhaltlich zu bieten? Und welche Koalitionen sind überhaupt gewollt? Die Kontrovers-Wahlarena des Bayerischen Rundfunks hatte wahrlich nicht mit einem Mangel an Themen zu kämpfen.

Wer sind die Gäste?

Thomas Kreuzer (CSU): Der Vorsitzende der Landtagsfraktion gab sich angesichts der miesen Umfragewerte für seine Partei betont optimistisch, erwartet durch die vielen unentschlossenen Wähler "noch Bewegung". Die AfD nannte er eine "radikale Partei", bei den Demonstrationen in Chemnitz wäre er nicht mitmarschiert – anders als sein Parteichef Horst Seehofer.

Natascha Kohnen (SPD): Die Spitzenkandidatin will mit ihrer Partei das Ruder in den letzten Wochen "noch herum reißen". Zur sozialen Frage in den nächsten Jahrzehnten erklärte sie den Wohnungsbau. Ein Feld, bei dem sie der regierenden CSU Versagen vorwirft. Scharfe Kritik äußerte sie auch zu den Arbeitsverhältnissen Tausender bayerischer Lehrer, die als Unbefristete in den Sommerferien Hartz IV beantragen müssen.

Hubert Aiwanger (Freie Wähler): Der Parteivorsitzende forderte eine konsequente Umsetzung der bestehenden Mechanismen zur Abschiebung von Flüchtlingen. Zudem sprach er sich für ein Ende der Zentralisierung bei der Bildungspolitik aus und forderte die bayerische Regierung auf, den Zuzugsdruck auf die Städte zu verringern und die ländlichen Regionen attraktiver zu machen – durch mehr Ärzte und Kindergärten. Das geplante Familiengeld der CSU nannte er einen "Rechtsbruch", die teilweise Umwandlung der Schleierfahndung zur Grenzpolizei einen "Etikettenschwindel".

Katharina Schulze (Grüne): Die Spitzenkandidatin warf der CSU "unmenschliche" Abschiebungen nach Afghanistan vor, obwohl das Land nicht sicher sei. Zur scharfen Rhetorik gegenüber Flüchtlingen und Migranten sagte sie: "Die Leute haben keine Lust mehr auf Hass und Hetze." Sie nannte Europa "ein Geschenk", das es zu verteidigen gelte. Zu den CSU-Plänen, 200 Polizeipferde anzuschaffen, bemerkte sie spöttisch, die Polizei brauche keine Pferde, sondern IT-Experten.

Martin Hagen (FDP): Der Spitzenkandidat machte sich für eine Unterrichtsgarantie, die bessere Förderung von Häuslebauern und ein Einwanderungsgesetz stark – auch Bundespolitik spielte also eine Rolle. Der CSU warf er aufgrund des Familiengeldes vor, "Wahlgeschenke unters Volk" zu bringen. Die Grenzpolizei nannte er einen "PR-Gag".

Martin Sichert (AfD): Der Bundestagsabgeordnete spielte zu Beginn die Opferkarte aus. Überall werde Stimmung gegen die AfD gemacht wird, Plakate seien vielfach abgerissen worden, es gebe Berufsverbote. Dann versuchte er sich von den Ausschreitungen in Chemnitz zu distanzieren und verurteilte die dort geschehenen Gewalttaten und Hitlergrüße. Warum sein Parteifreund Björn Höcke dort gemeinsam mit Neonazis marschierte, konnte er hingegen nicht erklären. Inhaltlich plädierte Sichert für Ethikunterricht für muslimische Kinder, für die Abweisung von Asylbewerbern an der Grenze und für direkte Demokratie nach dem Schweizer Modell.

Was war das Rede-Duell des Abends?

Als SPD-Spitzenkandidatin Kohnen einen Satz sagte, der so klang, als wollte sie Besserverdienenden höhere Abgaben auferlegen, wurde Martin Hagen sofort hellhörig. "Also wollen Sie Steuern erhöhen?", fragte der FDP-Mann in die Runde. Kohnen reagierte flapsig und verwies darauf, dass das Sache des Bundes sei. "Junge! Mann!", entgegnete sie Hagen. Es klang, als würde ein Streit unter Jugendlichen ausgetragen. "Das ist doch ein Landtagswahlkampf", fuhr die SPD-Politikerin fort. "Das ist doch Käse!" Dann winkte sie in Hagens Richtung ab. Ein durchaus witziger Moment, der zugleich wenig ministerpräsidentiell wirkte. Aber bei 11 Prozent in den Umfragen dürfte das aktuell das kleinste Problem der SPD sein.

Was war der Moment des Abends?

Gleich zu Beginn bezog die Grünen-Spitzenkandidatin Schulze Stellung zu Chemnitz und den Aussagen, die AfD-Vertreter Martin Sichert dazu abgab. "Das ist auch ihre Verantwortung, mit wem sie sich auf der Straße zeigen", sagte Schulze, die die Radikalisierung der AfD verurteilte. Sichert wollte sich ausdrücklich nicht von Björn Höcke distanzieren, der in der sächsischen Stadt gemeinsam mit Pegida-Vertretern und Neonazis marschierte.

Wie haben sich die Moderatoren geschlagen?

Ursula Heller und Andreas Bachmann präsentierten sich als schlagfertiges und faires Duo, das penibel auf annährend gleiche Redeanteile der Gäste achtete. Den größten Lacher gab es, als Heller FDP-Spitzenkandidat Hagen nach einer möglichen Dreierkoalition nach der Wahl fragte. "Hätten Sie den Mut dazu oder wollen Sie den Lindner machen?" Hagen reagierte cool – und lachte mit.

Welche Aussagen gab es zu möglichen Koalitionen?

Einige klare, einige ungefähre. Thomas Kreuzer von der CSU schloss ein Bündnis mit der AfD und den Grünen aus. Die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulz wollte hingegen eine Koalition mit der CSU trotz vieler Differenzen nicht von vornherein beerdigen. Für FDP-Mann Martin Hagen wäre eine Koalition mit AfD oder der Linkspartei, die derzeit wie die FDP bei 5 Prozent steht, undenkbar. Freie-Wähler-Boss Aiwanger zeige sich fest überzeugt, dass es für ein Zweierbündnis mit der CSU reichen werde. Für ein buntes Bündnis steht er nicht zur Verfügung. Aiwanger machte zugleich deutlich, dass eine Koalition mit der CSU "nicht der Traum seiner schlaflosen Nächte" sei.
Nun machen sich also schon die möglichen Partner über die einst stolze CSU lustig. Die Zeit als bayerische Volkspartei könnte langsam zu Ende gehen.

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