Ministerpräsident Armin Laschet fühlt sich durch die CDU-Ergebnisse bei den NRW-Kommunalwahlen bestätigt. Die SPD behauptet Platz zwei, fährt aber hohe Verluste im einstigen Stammland ein. Die Grünen feiern hohe Zuwächse und formulieren Führungsansprüche. Und was ist eigentlich mit der AfD? Eine Analyse.

Eine Analyse

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Sehen Sieger wirklich so aus wie Armin Laschet? Die CDU ist aus den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am Sonntag mit einem landesweiten Ergebnis von 34,3 Prozent klar als stärkste Kraft hervorgegangen. Ministerpräsident Laschet interpretierte das Ergebnis daher als Anerkennung für den Kurs der Landesregierung in der Coronakrise.

Gleichzeitig bedeutet das Resultat ein Minus von 3,2 Prozentpunkten gegenüber 2014 - darf sich Laschet trotzdem bestätigt fühlen?

"Für Laschet kommt das Ergebnis zur rechten Zeit"

"Die Kommunalwahl unter Corona-Bedingungen stabilisiert und erweitert die politische Mitte. Davon profitiert auch die Union. Amtsinhaber und Exekutive sind durch die Pandemie geadelt worden, sie haben Leben gerettet mit der Kraft des Dezentralen - in der Kommune", analysiert Karl-Rudolf Korte, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen, für unsere Redaktion.

Was bedeutet das Ergebnis für den Kampf um den CDU-Vorsitz, um den sich neben Laschet auch Friedrich Merz und Norbert Röttgen bewerben? Laschet spricht von "Rückenwind für den Kurs der Mitte" und lobt sich damit - wenig verhohlen – selbst.

Experte Korte sieht das ähnlich: "Für Laschet kommt das Ergebnis der Mitte zur rechten Zeit. Er hat ohne Polarisierung mobilisieren können. Anders als es beispielsweise Friedrich Merz vorhat."

Professor Kersting: "Corona-Zeit spielt Laschet in die Karten"

Professor Norbert Kersting von der Uni Münster findet ebenfalls, dass die CDU das Ergebnis als Erfolg verbuchen könne, auch wenn es "eine Kommunalwahl war, bei der besonders viel von den Kandidatinnen und Kandidaten abhängt".

Der NRW-Landesvater habe sich einen kleinen Vorteil im Rennen um den CDU-Vorsitz verschafft. "Laschet hat gegenüber Merz und Röttgen den Vorteil, dass er im Amt ist. In der Corona-Zeit schlägt die Stunde der Exekutive, das spielt Laschet deutlich in die Karten", erklärt Kersting gegenüber unserer Redaktion.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Nur noch "Sentimentalitätswähler" für die SPD?

Die zweitmeisten Stimmanteile landesweit konnte die SPD für sich verbuchen, allerdings mit massiven Einbußen: 24,3 Prozent, also 7 Prozentpunkte weniger als vor sechs Jahren, sind das schlechteste Resultat bei einer Kommunalwahl in der einstigen SPD-Hochburg NRW.

In der Beurteilung sind die beiden SPD-Bundesvorsitzenden sich nicht ganz einig. Während Saskia Esken von einem "enttäuschenden Ergebnis" spricht, erkennt Norbert Walter-Borjans einen Aufwärtstrend seiner Partei im Vergleich zur Europawahl im Mai 2019. Man habe "das Tal durchschritten", sagte er im ARD-"Morgenmagazin".

Politikprofessor Korte widerspricht. "Die SPD wird häufig nur noch aus Sentimentalität heraus gewählt. Sie steht für viele Wähler nicht für eine Arbeitnehmerpartei in der Digitalmoderne, die neue gerechte Sicherheiten anbietet." Zudem seien die Sozialdemokraten "für viele nicht mehr das soziale Kompetenzzentrum".

Kersting zieht zwei Schlüsse aus dem SPD-Resultat. Mit Blick auf den Tiefpunkt bei der Europawahl 2019 sehe man schon, dass sich die SPD langsam wieder erhole. "Aber die klassischen, alten Herzkammern der Sozialdemokratie, zum Beispiel Dortmund, Duisburg oder Bochum, sind teilweise weggebrochen. Da muss die SPD noch stark kämpfen, um sich gegen andere Kandidaten durchzusetzen."

Es gebe dennoch Hoffnung für die Genossen, glaubt Kersting: "Die SPD ist schon oft tot gesagt worden über die letzten zwei, drei Jahrzehnte. Es kommt immer darauf an, welche Themen den Wahlkampf dominieren, was die SPD besetzt und welche Kandidaten sie präsentiert."

Grüne formulieren Führungsansprüche

Die Grünen haben über acht Prozentpunkte auf 20 Prozent zugelegt. Wie ist das zu erklären, nachdem die (bundesweiten) Zustimmungswerte in Umfragen zuletzt eher stagnierten oder sogar rückläufig waren?

"Viele Wähler wollten kommunale Antworten auf Verkehr und Mobilität. Damit punkten die Grünen. Hinzu kommt eine Moralwährung: Gutes zu unterstützen, wenn man die Grünen wählt", erklärt Korte.

Das Selbstbewusstsein ist durch die Ergebnisse gestiegen. NRW-Parteichefin Mona Neubaur sieht die Grünen nicht mehr als "Anhängsel anderer Parteien": "Wir sind die, die gewonnen haben und haben den Anspruch, daraus auch Führung abzuleiten

Auch Politikwissenschaftler Korte konstatiert einen Aufschwung: "Seitdem die Grünen sich auch auf eine Politik der Sicherheit verständigt haben, sind sie Spielmacher des Augenblicks: vorsorgend, lenkend, widerstandsfähig - ganz im Sinne einer resilienten Vorsorgepolitik."

Korte: "AfD hat keine Kompetenz für den Corona-Alltag"

Und die anderen, "kleinen" Parteien? Die FDP kam auf 5,6 Prozent (plus 0,8), die Linkspartei auf 3,8 Prozent (minus 0,8). Die AfD konnte ihren Stimmenanteil gegenüber der Kommunalwahl 2014 zwar steigern (plus 2,5), spielt mit fünf Prozent aber weiterhin nur eine Nebenrolle im bevölkerungsreichsten Bundesland.

Für Korte ist das schwache Abschneiden der Rechtspopulisten durch die Corona-Pandemie bedingt. "Die AfD hat kein Kompetenzfeld für den Vorsorgestaat. Sie hat keine Kompetenz für den Corona-Alltag in der Betrachtung der Wähler. Sie ist in keiner Verantwortung der Exekutive, um Leben zu retten", lautet seine Einschätzung.

Über die Experten:
Karl-Rudolf Korte ist seit 2003 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen mit dem Schwerpunkt Politisches System der Bundesrepublik Deutschland. Im ZDF analysiert er regelmäßig Wahlergebnisse und Wählerentscheidungen.
Norbert Kersting ist seit 2001 Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Kommunal- und Regionalpolitik an der Universität Münster. Sein Lehrstuhl hat unter anderem den "Kommunalwahlcheck" entwickelt, eine Wahlhilfe auf kommunaler Ebene, die ähnlich wie der "Wahl-O-Mat" funktioniert.

Verwendete Quellen:

  • Schriftliche Antworten von Karl-Rudolf Korte
  • Telefongespräch mit Norbert Kersting
  • Agenturmaterial von dpa und afp
  • Webseite des NRW-Landeswahlleiters
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