Mit Donald Trump ist ein lupenreiner Populist zum US-Präsidenten gewählt worden. Auch in Europa sind populistische Bewegungen auf dem Vormarsch. Warum sind sie derzeit so erfolgreich?
In Tagen wie diesen ist man versucht, eine neue Epoche auszurufen.
Auch wenn der Populismus kein neues Phänomen ist, feiern populistische Bewegungen derzeit vermehrt Erfolge: in Deutschland durch die AfD, in Österreich durch die FPÖ, in Frankreich durch den Front National, in Großbritannien durch die Brexit-Kampagne.
"Wir haben schon vor zehn Jahren von einem populistischen Zeitgeist gesprochen, aber 2016 ist definitiv ein Höhepunkt des Populismus", sagt der Politikwissenschaftler Florian Hartleb im Gespräch mit unserer Redaktion.
Den Kern des Populismus sieht er schon immer in seiner Ausrichtung: "Es geht gegen die Eliten." Der Populismus stellt dabei eher eine Strategie als eine Ideologie dar, weil er ein "leeres Herz" besitzt, wie es der Politikwissenschaftler Paul Taggart einst ausdrückte. "Die politische Unterscheidung wird nicht zwischen rechts und links getroffen", erklärt Hartleb. "Das wird abgelöst durch einen Gegensatz zwischen dem Volk und 'denen da oben'."
Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen linkem und rechtem Populismus: Ersterer setzt auf Inklusion von Unterprivilegierten, Letzterer auf Exklusion von Minderheiten.
Gefühl gewinnt
Donald Trump hat seinen Wahlkampf auf Kosten von Schwarzen, Muslimen und Frauen geführt, auch wenn er sich in seiner Rede nach dem Wahlsieg als Hüter der Einheit des Landes darstellte. Gewonnen hat er das Rennen im "alten" Amerika, bei den weißen, christlichen Männern – nicht aber ausschließlich beim "White Trash", wie einige Kommentatoren verächtlich meinten.
Viele seiner Wähler verfügen über Jobs, Bildung und mittlere Einkommen. Tatsächlich sei es ein Irrglaube, dass Populisten nur bei den "Abgehängten" Anhänger finden, sagt Politikwissenschaftler Hartleb. "Populisten gewinnen auch in wohlhabenden Ländern dazu, wie man an den USA und auch in Deutschland sieht. Mit der eigentlichen Situation der Menschen hat das mitunter wenig zu tun."
Viel allerdings mit Pessimismus. In Österreich gab es einen signifikanten Unterschied zwischen den Wählern des rechtspopulistischen Kandidaten
Es geht also auch um Gefühle – womit wir bei einem anderen Modewort wären: die postfaktische Gesellschaft, in der nicht mehr Fakten und Wahrheiten zählen, sondern Emotionen. Die Klaviatur beherrschen die Populisten perfekt, in den sozialen Medien finden sie die besten Instrumente.
"Durch die neuen Medien wird die politische Kommunikation beschleunigt", sagt Florian Hartleb. "Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben." Wenn das die etablierten Medien nicht tun, erledigen es die Populisten selbst, auf ihren Facebook-Seiten oder wie die österreichische FPÖ gleich im parteieigenen YouTube-Kanal."
"Den Wähler nicht für dumm verkaufen"
Auf der anderen Seite, meint Hartleb, bestehe auch durchaus Grund, sich Sorgen zu machen: "In Europa treten vermehrt Krisensituationen auf." Die Schlagworte sind schnell bei der Hand: Flüchtlinge, Terrorismus. Im Wesen des Populismus liegt es, dafür einen klaren Verantwortlichen zu bestimmen: "In Europa steht die EU stellvertretend für alles Böse, bei Trump waren es Hillary Clinton und Barack Obama."
Den Aufstieg des Populismus interpretieren viele Politikwissenschaftler auch als Symptom für eine Krise der Demokratie. Die Populismus-Expertin Karin Priester schrieb vergangenes Jahr: "Man wird dem Phänomen nicht gerecht, wenn man es nicht als Antwort auf Elitenversagen, Parteienverkrustungen, Steuerungskrisen, Inkompetenz und einseitige Medienpolitik versteht."
Sie begreift Populismus auch als Reaktion auf politische Alternativlosigkeit. Gegen dieses Ohnmachtsgefühl, meint Florian Hartleb, helfe nur Einbindung. "Man muss versuchen, die politische Mobilisierung in richtige Bahnen zu lenken. Man sollte nicht in Panik und Empörung verfallen. Die Wähler für dumm zu erklären, nützt auch nichts."
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