Fünf Deutsche starten an diesem Wochenende in die Playoffs der NBA. Experte Alex Vogel bewertet im Gespräch mit unserer Redaktion die Aussichten des Quintetts. Für einen ist sogar realistischerweise der Titel drin.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Als zuletzt ein Deutscher in der NBA den Titel holte, wurde Sebastian Vettel zum zweiten Mal Formel-1-Weltmeister. In der Bundesliga holte Borussia Dortmund den Titel, den DFB-Pokal gewann der FC Schalke 04. 2011 war das.

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Keine Frage: Es ist schon eine Weile her, dass Dirk Nowitzki mit den Dallas Mavericks die Finals der nordamerikanischen Basketball-Profiliga gewann. Am Samstag starten die Playoffs der aktuellen Saison, bis in den Juni hinein ermitteln die acht besten Teams der Eastern und Western Conference in mehreren Runden den neuen Champion.

Zu den Favoriten gehört zum Beispiel Titelverteidiger Denver Nuggets, aber auch die Boston Celtics, das beste Team der Regular Season, darf sich berechtigte Hoffnungen machen. Auch die Los Angeles Clippers um Daniel Theis und die Dallas Mavericks um Maxi Kleber werden hoch gehandelt. Insgesamt haben es fünf Deutsche in die Playoffs geschafft. NBA-Experte Alex Vogel bewertet im Gespräch mit unserer Redaktion die Saison des Quintetts und die Playoff-Chancen.

Daniel Theis (Center, Los Angeles Clippers) – Gegner: Dallas Mavericks

Wie lief die Saison für die Clippers?

Die Clippers liefen in der Western Conference auf dem vierten Platz ein, standen am Ende bei 51 Siegen und 31 Niederlagen. "Die Clippers haben einen sehr, sehr guten Dezember und Januar gespielt, in dieser Phase waren sie ein absolutes Topteam in der NBA. Insgesamt sind sie aber zu unbeständig und sogar für die eigenen Fans ein Fragezeichen", sagt Vogel.

Wie lief die Saison für Theis?

Er ging während der Saison von den Indiana Pacers zu den Clippers. Dort läuft es für ihn deutlich besser, er nimmt eine durchaus große Rolle ein. "Er hat seinen Anteil an dem Erfolg. Er ist ein sehr guter Rollenspieler, der sich sehr gut an der Seite von Stars einfügen kann. Er hat im Schnitt 16 Minuten gespielt und hat immer wieder wirklich ordentliche Leistungen gebracht, er ist ein wichtiger Bestandteil der Rotation. Er ist allerdings Free Agent nach der Saison, für ihn steht ein spannender Sommer an."

Was ist drin in den Playoffs?

Das Team bleibt eine Wundertüte, glaubt Vogel: "Für die Clippers ist alles möglich, von Erstrundenaus bis Finals. Weil das Potenzial aufgrund der Starpower unglaublich ist", sagt der Experte. Ein Absturz sei aber ebenso möglich, wenn wie in den letzten Wochen keine Identität zu erkennen sei, sagt Vogel: "Es gibt Verletzungen, Probleme, auch die Rollenverteilung ist vielleicht doch nicht so stark, wie man sich das vorgestellt hat. Daher ist alles möglich."

Franz Wagner (Small Forward, Orlando Magic) und Moritz Wagner (Center, Orlando Magic) – Gegner: Cleveland Cavaliers

Wie lief die Saison für die Magic?

Sehr gut. Mit den Playoffs war eigentlich nicht zu rechnen, doch auch dank der Weltmeister Franz und Moritz Wagner hat es mit der Post Season geklappt, als Fünfter im Osten (47 Siege, 35 Niederlagen). "Sie hatten einen starken Start, ein kleines Loch und dann haben sie sich beeindruckend gefangen, haben einen guten Lauf hingelegt. Unter dem Strich ist es eine tolle Saison, sie sind die drittstärkste Defensivmannschaft der Liga. Eine sehr junge Mannschaft, ein sehr spannendes Team. Es wird interessant zu sehen, wie sie mit ihrer Unerfahrenheit in den Playoffs umgehen werden", sagt Vogel.

Wie lief die Saison für die Wagner-Brüder?

"Mo Wagner bringt von der Bank in der Regel sehr viel Energie, er hat eine wirklich gute Saison gespielt", erklärt Vogel. Das gilt auch für seinen Bruder Franz, der im Schnitt auf 19,7 Punkte pro Spiel kommt und damit der beste deutsche Scorer in der NBA ist, dazu Leistungsträger der Magic. "Er hatte nach seiner Verletzung ein bisschen Probleme. Er hat den Dreier nicht gut getroffen, aber trotzdem ist er auf dem besten Weg, ein All-Star zu werden", urteilt der NBA-Experte.

Was ist drin in den Playoffs?

Vogel: "In der ersten Runde bei den Cavaliers haben sie durchaus gute Chancen. Insgesamt aber auf keinen Fall mehr als die zweite Runde, weil es dort gegen Boston gehen würde." Die Celtics sind das beste Team der Regular Season und heißer Titelkandidat.

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Isaiah Hartenstein (Center, New York Knicks) – Gegner: Philadelphia 76ers

Wie lief die Saison für die Knicks?

Die Knicks haben eine starke Regular Season gespielt, sie landeten mit 50 Siegen und 32 Niederlagen auf Platz zwei der Eastern Conference. Es gab keinen Einbruch, dafür eine beeindruckende Stabilität, und das trotz großer Verletzungsprobleme.

Wie lief die Saison für Hartenstein?

Auch stark, er steht bei 25 Minuten Einsatzzeit und 7,8 Punkten pro Spiel. "Er ist ein unglaublicher Competitor, passt damit perfekt zu Coach Tom Thibodeau. Durch die Verletzung von Mitchell Robinson gab es nochmal mehr Minuten für ihn, und er hat das gut gemacht. Er ist ein Arbeiter, ein guter Rebounder, der sich defensiv entwickelt und auch offensiv seine klare Rolle hat. Für ihn ist es schon jetzt eine sehr gute Saison", sagt Vogel.

Was ist drin in den Playoffs?

"Es wird ohne Julius Randle sehr schwer, schon in der 1. Runde Philadelphia zu schlagen. Doch die Mannschaft ist gespickt mit unglaublichen Wettkämpfern und hat mit Jalen Brunson einen validen MVP-Kandidaten als Anführer. Dazu sind mit den unglaublichen Fans im Madison Square Garden immer Überraschungen drin", urteilt Vogel.

Maxi Kleber (Power Forward, Dallas Mavericks) – Gegner: Los Angeles Clippers

Wie lief die Saison für die Mavericks?

Sehr gut, 50 Siege stehen 32 Niederlagen gegenüber, was dem Ex-Team von Dirk Nowitzki Platz fünf im Westen brachte. "Die Mavs gehen als eines der formstärksten Teams in die Playoffs. Kyrie Irving und Luka Doncic harmonieren herausragend. Sie sind defensiv durch kluge Trades deutlich stärker geworden und offensiv gibt es wenige Teams, die in der Spitze so viel Qualität haben", sagt Vogel.

Wie lief die Saison für Kleber?

Er kommt auf gut 20 Minuten Einsatzzeit im Schnitt und 4,4 Punkte pro Spiel. Dabei hatte der 32-Jährige mal wieder mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. "Er ist trotzdem weiterhin unglaublich wichtig für die Mavs. Er versteht das Spiel, ihn darfst du nicht freilassen an der Dreierlinie. Dazu gibt er defensiv auf verschiedene Art und Weise sehr viel", sagt der Experte.

Was ist drin in den Playoffs?

Auch hier sieht Vogel eine große Bandbreite an Möglichkeiten: "Bei den Mavs ist alles drin, vom Erstrundenaus bis zu den Finals."

Dennis Schröder muss zuschauen

Ein großer deutscher Name muss vom heimischen Wohnzimmer aus zuschauen: Dennis Schröder. Für den Weltmeister ist die Sache aber klar: Er möchte auch in der kommenden Saison für die Brooklyn Nets spielen. "Klar möchte ich bleiben", betonte er in der New York Post: "Ich möchte immer da sein, wo man meine Arbeit wertschätzt. Ich habe das hier seit dem ersten Tag gespürt." Im Februar war Schröder von den Toronto Raptors in den "Big Apple" gewechselt, mit den Nets hat er die Playoffs bei einer 32:50-Bilanz allerdings deutlich verpasst.

Schröder absolvierte 29 Partien für die Nets. 32 Minuten lang stand er im Schnitt auf dem Parkett, dabei kam der 30-Jährige auf 14,6 Punkte und sechs Assists pro Partie. "Es war eine durchschnittliche Saison von ihm", sagt Vogel. "Bei den Nets hat er nach seinem Wechsel leistungsmäßig zugelegt, hat den Dreier sehr, sehr gut getroffen, hat nochmal mehr gepunktet, hat der Mannschaft am Ende ein paar Spiele gewonnen, wo man seine Qualitäten sehen konnte."

Doch die Latte lag nach dem WM-Titel im vergangenen Herbst höher, auch weil Schröder damals zum MVP gewählt wurde. "Das war nicht die Saison, die sich viele deutsche Fans nach der WM erhofft hatten", sagt Vogel.

Schröder hat noch ein Jahr Vertrag, allerdings stehen in Brooklyn Veränderungen an, ein neuer Coach wird gesucht. Schröder kann sich also nicht komplett sicher sein, wie es für ihn weitergeht. "Es ist ein Geschäft, das ist mir klar, und deswegen nehme ich auch nichts persönlich. Ich habe den Besitzer, seine Frau und sein Kind kennengelernt und möchte hier etwas aufbauen", sagte er. Vogel hält die Nets für einen "sehr guten Platz für Schröder. Er kann dort den Leader geben in der noch jungen Mannschaft. Und mit kleineren Kaderveränderungen sind dann im kommenden Jahr auch die Play-ins ein Thema."

Bis dahin aber wird noch viel Playoff-Basketball gespielt und ein neuer Champion gekrönt. Vielleicht auch mit deutscher Beteiligung - an der Zeit wäre es eigentlich mal wieder.

Über den Gesprächspartner

  • Alex Vogel ist Sportlicher Leiter bei Basketball-Bundesligist MLP Academics Heidelberg. Daneben ist der 32-Jährige seit Jahren als Basketball-Experte für diverse TV-Sender bei Übertragungen der NBA, EuroLeague, BBL sowie der Nationalmannschaft als Experte im Einsatz.

Verwendete Quelle

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