Das Rennen auf dem Hockenheimring an diesem Wochenende könnte vorerst der letzte Große Preis von Deutschland sein. Für die Betreiber der Rennstrecke ist die Austragung zu risikoreich. Stattdessen füllen ab 2020 zwei neue Strecken den Formel-1-Kalender. Traditionsreichen Strecken droht das Aus. Aber warum?

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Viele Formel-1-Fans werden am Sonntag in Erinnerungen schwelgen, manche sogar ein paar Tränen verdrücken, wenn Mick Schumacher einige Runden im Weltmeisterauto F2004 seines Vaters drehen wird.

Ausgerechnet in Hockenheim, beim langjährigen Heim-Grand-Prix seines Vaters, wird er den Motor noch einmal aufheulen und die Fans jubeln lassen. Es ist kein Zufall, dass der 20-Jährige das in Hockenheim tut. Der Veranstalter und die Formel 1 wissen um die Emotionen - und um das Geld der Zuschauer.

Stuck: "Stellenwert der Formel 1 nicht mehr derselbe"

Dieses floss zu Zeiten von Michael Schumacher noch ausreichend, seit Jahren aber steht das Rennen auf dem Hockenheimring vor dem Aus. Nun könnte es wirklich so weit sein.

"Der Stellenwert der Formel 1 in Deutschland ist einfach nicht mehr derselbe", stellt im Gespräch mit unserer Redaktion der frühere Formel-1-Pilot Hans-Joachim Stuck fest. Stuck fuhr 1977 beim Heimrennen auf dem Hockenheimring in einem Brabham aufs Podest. Weiter vorne landete der heute 68-Jährige zwischen 1974 und 1979, als er in der Formel 1 aktiv war, nie.

Hockenheimring-Geschäftsführer Georg Seiler, der nach diesem Jahr in Rente geht, glaubt nicht an eine Zukunft der Traditionsstrecke in der Kurpfalz im Rennkalender der Königsklasse. "Ich gehe nicht mehr davon aus", sagte er im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID), ergänzte aber: "Das heißt aber nicht, dass wir für die Jahre danach nicht in Verhandlungen treten." Doch wo liegt eigentlich das Problem?

Hauptproblem für Rennstreckenbetreiber: Enorme Antrittsgebühren

Die Antrittsgebühren sind enorm hoch: Liberty Media, Besitzer der Formel 1 seit 2016, verlangt bis zu 50 Millionen Euro von den Betreibern einer Rennstrecke, damit die Rennserie dort gastiert.

Der Hockenheimring zahlt offenbar 28 Millionen, genaue Zahlen gibt es nicht. Allein durch Eintrittskarten ist diese Summe nicht refinanzierbar. Die Instandhaltungs- und Wartungskosten der Rennstrecke sind zudem extrem hoch.

"Der Hockenheimring muss von Grund auf saniert werden", fordert Stuck, der den Kurs schon anno 1977 - verglichen mit dem einzigartigen, aber seinerzeit zu gefährlichen Nürburgring - als "stinklangweilig" bezeichnete.

Formel 1 sorgt für rote Zahlen

Die Formel 1 war in Deutschland jahrelang eine Erfolgsgeschichte. Der Betreiber des Hockenheimrings schloss mit dem früheren Besitzer Bernie Ecclestone einen Zehnjahresvertrag ab. Seit Jahren jedoch schreibt das Unternehmen rote Zahlen mit der Formel 1. Seiler schätzt die Schulden auf 28 Millionen Euro.

Das finanzielle Risiko ist enorm. Die Verhandlungen zwischen Liberty Media und dem Hockenheimring sind stets zäh und langwierig. "Wir wünschen uns einen Vertrag, der das finanzielle Risiko von uns nimmt. Das ist der wichtigste Punkt", sagt der Marketingdirektor des Hockenheimrings, Jorn Teske. Zuletzt ist Liberty Media, laut Geschäftsführer Seiler, ihm finanziell entgegengekommen.

Problem des Hockenheimrings: Zuschauer bleiben fern

2018 war ein gutes Jahr für die Formel 1 auf dem Hockenheimring. 71.000 Zuschauer pilgerten in das Motodrom, so viele wie seit 2005 nicht. Der Grund: "Nur sportlicher Erfolg bringt das ganz große Interesse, das hat mit Michael Schumacher angefangen und ist heute nicht anders. Es hängt mittlerweile viel an Sebastian Vettel. Im vergangenen Jahr fuhr er vorne mit, da hatten wir ein volles Haus. Und dieses Jahr wird man spüren, dass er nicht vorne dabei ist", erklärt Seiler nüchtern.

Insofern haben die Betreiber auch ein Stück weit Pech. Denn außer Vettel fährt kein deutscher Fahrer vorne mit. Und der Heppenheimer erlebt eine enttäuschende Saison. Der Betreiber rechnet in diesem Jahr mit 65.000 Fans.

Die wollen etwas geboten bekommen, auf und neben der Strecke. Stuck bringt den Eventcharakter ins Spiel, der in den vergangenen Jahren - nicht nur in der Formel 1 - zunehmend darüber entscheidet, ob eine Sportveranstaltung die Menschen anlockt.

"Es fällt den Leuten schwer", sagt Stuck, "sich drei Tage auf Klappstühle zu setzen. Da müssten mehrere Events zusammengelegt werden." Als Präsident des Deutschen Motor-Sport-Bundes, der Stuck seit 2012 ist, blickt er längst über den Tellerrand des Cockpits hinaus. "Man könnte zum Beispiel Formel 1 und Formel E zusammenlegen", schlägt er vor.

"Vettel-Mania" scheint vorbei

Die Situation ist ein wenig absurd: Ausgerechnet in Deutschland, im Mutterland des Automobils, finden sich zudem keine Sponsoren für die Austragung eines Formel-1-Rennens. In diesem Jahr sprang Mercedes in die Bresche.

Für den Konzern, der rund 100 Kilometer südlich des Hockenheimrings beheimatet ist, ist die Finanzspritze einmalig. "Ich bedauere aber nach wie vor, dass kein Mensch in der Region bereit ist, etwas für die Formel 1 zu tun. Weder die öffentliche Hand noch Unterstützer aus der Wirtschaft", sagt Seiler dem SID. Aber auch für hiesige Firmen ist die Formel 1 eben weniger attraktiv, wenn die deutschen Fahrer hinterherfahren.

Das war kürzlich noch ganz anders. Vettel knüpfte praktisch nahtlos an die "Schumimania" an. Vier WM-Titel zieren die Visitenkarte Vettels, alle in Reihe errungen, zwischen 2010 und 2013. Zuletzt schenkte der danach zurückgetretene Nico Rosberg sich und den hiesigen Fans 2016 die Fahrer-Weltmeisterschaft.

Vettels letzter Sieg datiert vom 26. August 2018, als er auf Schumachers Lieblingsstrecke in Spa-Francorchamps Lewis Hamilton schlug. Seitdem fährt Vettel seiner Form und den Mercedes hinterher und derart fehlerhaft, dass sich der 32-Jährige bereits gegen Rücktrittsgerüchte wehren musste.

Moderne Strecken werfen Traditionsstrecken aus dem Kalender

Auch 2020 wird es 21 Rennen geben, darunter sind zwei neue Strecken. Liberty Media zollt dem Hype um Max Verstappen Tribut und schenkt dem exzentrischen Red-Bull-Piloten einen Heim-Grand-Prix in den Niederlanden. Dort, in Zandvoort, war die Formel 1 bereits von 1952 bis 1985 insgesamt 30-mal zu Gast. In Vietnam indes betritt die Rennserie Neuland.

Andere Rennen fallen aus dem Kalender - das Ende des Hockenheimrennens ist naheliegend. Auch die Zukunft der Rennen in Mexiko und Barcelona ist ungewiss.

Gleichzeitig betont Formel-1-Geschäftsführer Chase Carey die Bedeutung von Tradition in der Formel 1: "Wenn es um eine langfristige Zukunft geht, muss unser Sport seine historischen Veranstaltungsorte erhalten."

In einigen Ländern gibt es staatliche Fördergelder für die Austragung von Formel-1-Rennen - in Mexiko beispielsweise endete die Förderung 2019.

Ein wenig Hoffnung gibt es noch. Seiler schlägt ein "Rotationsverfahren" vor, bei dem europäische Traditionsstrecken - unter "angepasster Gebühr" - alle zwei oder drei Jahre im Wechsel einen Großen Preis austragen.

Verwendete Quellen:

  • DW.com: "Zum letzten Mal Formel 1 auf dem Hockenheimring?"
  • Bild.de: "Mick fährt Papa Schumis Ferrari"
  • "Die Rheinpfalz": "Formel 1: Letzte Ausfahrt Hockenheim"
  • Sportschau.de: "Hockenheimring - Abschied von der Formel 1"
  • Interview Georg Seiler mit dem SID
  • n-tv.de: "Hockenheim droht der Formel-1-Crash"
  • Motorsport Magazin.com: "Formel-1-Rennen in Gefahr? Mexiko GP verliert Fördergelder"
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