• Das Verfahren um den Budgetdeckel-Verstoß von Red Bull Racing zieht sich.
  • Es ist weiterhin offen, wie groß der Verstoß ist und wie die Strafe ausfällt.
  • Der Weltverband steht unter Druck, denn für die Formel 1 steht viel auf dem Spiel.

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Ross Brawn hat sich weit aus dem Fenster gelehnt. Sehr weit. Der Formel-1-Sportchef wollte Härte demonstrieren, Entschlossenheit. Doch das könnte ihm nun auf die Füße fallen. "Wer auf betrügerische Art und Weise die Finanzregeln bricht, wird seine Weltmeisterschaft verlieren", sagte er 2019 bei der Einführung des Budgetdeckels in der Formel 1. Er versprach "ernsthafte Konsequenz" für den Rennstall, der überzieht.

Drei Jahre später hat die Motorsport-Königsklasse einen Verstoß. Einen Präzedenzfall. Ausgerechnet durch Red Bull Racing, dem Rennstall von Weltmeister Max Verstappen. Damit befindet sich die Formel 1 in einer ziemlich delikaten und heiklen Situation. Warum? Und wie geht es weiter? Und was hat das Catering damit zu tun? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Der Automobil-Weltverband FIA hat die Einhaltung der Kostenobergrenze der Saison 2021 kontrolliert und einen Verstoß bei Red Bull Racing festgestellt. Die Obergrenze lag in der vergangenen Saison bei 148,6 Millionen Dollar, laut der FIA war der Verstoß "geringfügig". Wie weit hat Red Bull Racing überzogen? Wenn der Verstoß geringfügig war, waren es per Reglement weniger als fünf Prozent des kompletten Budgets – was in der Theorie alles bis rund 7,4 Millionen Dollar sein kann.

Das Problem: Je deutlicher überzogen wird, desto größer sind die Vorteile auf der Strecke. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto hatte das zuletzt vorgerechnet. "Vier Millionen Dollar, das entspricht unserem gesamten Entwicklungs-Budget in einer Saison. Vier Millionen, das sind 70 Techniker und Ingenieure, die ich bezahlen kann, um bessere Lösungen zu finden. Damit holt man eine halbe Sekunde heraus. Und dieser Wettbewerbsvorteil wirkt sich auch in den Folgesaisons aus", sagte er.

Eine Million Dollar macht eine Menge aus

Mercedes-Superstar Lewis Hamilton, der den Titel 2021 beim Herzschlag-Finale um acht Punkte verlor, erinnert sich, "dass wir in Silverstone unser letztes Update bekommen haben. Ich erinnere mich, dass es fast 0,3 Sekunden brachte, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es weniger als eine Million Dollar gekostet hat", sagte er. Hamilton betonte: "Wenn wir eine weitere halbe Million hätten ausgeben können, wären wir in einigen der folgenden Rennen in einer anderen Position gewesen."

Die Daily Mail berichtete, dass der Verstoß bei rund einer Million Dollar gelegen haben soll. Kurios: Niederländische Medien wiederum berichten, dass der Verstoß an den Mehrausgaben beim Catering des Rennstalls liegen soll.

Wie geht es weiter?

Die FIA will die angemessenen weiteren Schritte abwägen. Es könnte eine Vereinbarung zwischen dem Weltverband und Red Bull geben, in der der Rennstall den Verstoß zugibt. Allerdings hatte sich das Team in einer ersten Reaktion enttäuscht gezeigt und eine Prüfung des Ergebnisses angekündigt. Klingt nicht nach Einigung.

Wahrscheinlicher erscheint deshalb eine Fortsetzung vor dem sogenannten "Cost Cap Adjudication Panel". Das Gremium besteht aus bis zu zwölf unabhängigen Richtern, die eine Anhörung abhalten und dann das Strafmaß festlegen.

Was für ein Strafmaß kommt infrage?

Da hat sich die FIA einige Möglichkeiten offengelassen. Das fängt bei einer öffentlichen Rüge an, geht über eine Geldstrafe bis hin zu Punktabzügen oder Sperren.

In der Theorie könnte Champion Max Verstappen den Titel 2021 noch verlieren. Laut Brawn müsste es in der Praxis demnach auch geschehen. Theoretisch aber nur, denn die Formel 1 ist in vielen Dingen komplizierter, als es auf den ersten Blick aussieht.

Warum ist die Situation heikel?

Weil es um Glaubwürdigkeit geht, um die Integrität des Reglements, um die Zukunft, um Verschwörungstheorien, um Politik. Um das ganze Konstrukt Budgetdeckel. Und am Ende auch um den Erfolg der Formel 1. Wie essenziell und brisant das Thema ist, bewies das Singapur-Rennwochenende, als erst einmal nur über das Gerücht, Red Bull habe gegen den Kostendeckel verstoßen, debattiert und gestritten wurde. Dann gerät schnell alles andere in den Hintergrund - und die Formel 1 gibt in der Regel kein gutes Bild ab.

Teams werden die aktuelle Strafe für ihr eigenes Vorgehen nutzen

Die FIA steht nach diversen Pannen und Peinlichkeiten wie zuletzt erst beim Rennen in Suzuka mit dem Titelwirrwarr und dem Skandal um das Bergungsfahrzeug sowieso im Fokus und unter enormem Druck. Dazu kommt das Brawn-Zitat, außerdem die wichtige Frage, welche Tonalität der Verband bei der Strafbemessung generell setzt. Denn 2021 liefert einen Präzedenzfall, die Grundlage für die Folgejahre, einen echten Maßstab. Auch, was die Arbeit der FIA angeht.

Denn sicher ist: Die Teams können und werden die aktuelle Strafe für ihr eigenes Vorgehen in Zukunft nutzen. Die Gefahr: Dass der Kostendeckel zu einem unnützen Instrument verkommt, zu einer stumpfen Waffe. Die durch den Kostendeckel gesuchte finanzielle Stabilität könnte ins Wanken geraten. Was daher wichtig ist, ist Transparenz. Bislang hat die FIA diese in dem ganzen Verfahren vermissen lassen. Höchste Zeit, damit anzufangen. Sonst fallen der Formel 1 nicht nur Ross Brawns Worte auf die Füße.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenzen
  • TV-Übertragung


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