Es ist noch nicht lange her, da bedeutete Mutterschaft für Profifußballerinnen quasi automatisch das Karriereende. Eine, die hierzulande sehr viel dazu beigetragen hat, das zu ändern, ist Almuth Schult.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Als Almuth Schult nach der Geburt ihrer Zwillinge ihr Comeback im Tor des VfL Wolfsburg und im Nationalteam feiert, ist sie die erste deutsche Profifußballerin seit fast 30 Jahren, die als Mutter in den Leistungssport zurückkehrt. Anfang der 1990er-Jahre war es Martina Voss, die nur sechs Wochen nach der Geburt ihrer Tochter wieder auf dem Trainingsplatz stand.

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Die ehemalige Bundestrainerin, heute Voss-Tecklenburg, erzählt im Podcast "FE:male view on football" im Dezember 2021, wie sie unterwegs von ihrem damaligen Wohnort Duisburg zum Training in Siegen manchmal auf dem Seitenstreifen gehalten habe, um das Kind zu stillen. Zu jener Zeit ist sie alleinerziehend, bringt Kind, Brotjob und Fußball unter einen Hut – irgendwie.

Müttern fehlen Vorbilder im Profisport

Während eine Rückkehr von Müttern in den Fußball zuvor in den 1970er und 1980er Jahren gar nicht so unüblich gewesen war, änderte sich mit einer zunehmenen Professionalisierung die Realität. Die sah deswegen (von wenigen Ausnahmen mal abgesehen) jahrzehntelang so aus, dass Profifußball und Elternschaft sich nur für cis Männer realisieren lassen. Dann kam Almuth Schult.

Als die am 19. Spieltag der Saison 2020/21 gegen den MSV Duisburg erstmals wieder das Tor des VfL Wolfsburg hütet nach Schwangerschaft, Geburt und einer zuvor verletzungsbedingten Pause, macht das natürlich Schlagzeilen. Wie wichtig ihre Rolle als Vorreiterin ist, das lässt sich heute mit etwas Abstand allerdings noch deutlicher ermessen als damals.

Almuth Schult spricht bewusst darüber, wie sie den Sport und die Mutterschaft vereinbart

Denn die Keeperin kehrt nicht leise zurück an ihren sportlichen Arbeitsplatz, sondern spricht darüber. Schult gibt zahlreiche Interviews, in denen sie erklärt, wie sie und ihr Club Gespräche geführt und Themen ausgehandelt haben. Die Sportlerin und Mutter betont, sie wollte diesen Weg nicht nur für sich persönlich aushandeln, sondern auch für andere freischlagen.

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Kurz nach ihrem Comeback geht das Netzwerk "Fußball kann mehr", das sich unter anderem für Quoten in Gremien und mehr Diversität einsetzt, an die Öffentlichkeit. Schult gehört zu den neun Frauen der ersten Stunde. Zur EM 2021 der Männer stößt sie zum TV-Expert*innenstab der ARD. Sie ist präsent, zeigt ihre Kompetenz in diversen Bereichen – und erzählt dabei nicht das Märchen von "Einer, die auszog, alles ganz einfach zu wuppen". Immer wieder stellt sie heraus, wie anspruchsvoll der Spagat ist, wie viel Unterstützung sie im Umfeld hat, wie wichtig das ist.

Neue Fifa-Regelung für Mütter

Neben allem anderen engagiert sich Schult beim Thema Neuregelungen der Spielberechtigung von Verbänden, damit Spielerinnen künftig als Mütter einfacher in den Fußball zurückkehren können. Das tut die Torhüterin, die nach der Zeit in Wolfsburg beim Angel City FC in der NWSL spielte, nun selbst erneut: Nach der Geburt ihres dritten Kindes steigt sie während der Saison beim HSV in Liga 2 ein. Möglich macht das eine Fifa-Regel, an der sie selbst mitgewirkt hat.

Noch immer sind spielende Mütter im Profifußball ein gutes Stück weit von einer kompletten Selbstverständlichkeit entfernt. Aber die Spielerinnen haben mit Regelungen zu Mutterschutz, Stillmöglichkeiten und mehr heute viel bessere Möglichkeiten, beides zu vereinbaren. Dafür haben Spieler*innen-Gewerkschaften wie die FIFPRO mit viel Einsatz gekämpft. Und daran hat auch Almuth Schult in ihrer Vorreiterinnenrolle einen ganz wesentlichen Anteil.

Transparenzhinweis: In der ursprünglichen Version fand die Rückkehr von Müttern in den Fußball in den 1970er und 1980er Jahren keine Erwähnung.
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