Ein mittlerweile gewohntes Bild in Dortmund: Die Sommerpause markiert mal wieder die Trennung vom Cheftrainer. In diesem Jahr hat es mit Edin Terzic eine Person getroffen, die jedenfalls menschlich bei den Fans über alle Zweifel erhaben ist. Der Abgang wirft die Frage auf: Geht man so mit einem verdienten Trainer um?

Christopher Giogios
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christopher Giogios dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Knapp zwei Wochen nach dem verlorenen Champions League-Finale tagte sie am Donnerstagvormittag also wieder: die Elefantenrunde des BVB. Hans-Joachim Watzke als Vorsitzender der Geschäftsführung, Lars Ricken (der neue Geschäftsführer Sport), Sportdirektor Sebastian Kehl, externer Berater Matthias Sammer, der alte und neue Kaderplaner Sven Mislintat, Co-Trainer Nuri Sahin und, natürlich, Edin Terzic.

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Nicht alles spricht für eine einvernehmliche Trennung

Dass dessen Entlassung nicht ganz so unerwartet kam, zeigt das bereits am Mittag veröffentlichte vorproduzierte Video, in dem Terzic die einvernehmliche Trennung verkündet und sich gewohnt gefühlsbetont von den BVB-Fans verabschiedet. Nun kann man dem Verein zugutehalten, dass Terzic es war, der um die Auflösung seines Vertrages gebeten hat.

Auch die rührseligen Abschiedsworte auf "bvb.de" von Watzke ("Edin und ich werden immer Freunde bleiben"), Ricken ("Edin wird immer Borusse und Teil der BVB-Familie bleiben") und Kehl ("Edin wird seinen Weg gehen") deuten auf den ersten Blick nicht darauf hin, dass die Trennung im Unfrieden erfolgte.

Nichtsdestotrotz gibt es rund um die Entscheidung einige Störgeräusche, welche an einem fairen Umgang mit dem 41-Jährigen zweifeln lassen. Dabei kann man über die sportliche Bewertung der zweijährigen (zweiten) Amtszeit von Terzic sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Die krasse Diskrepanz von Final-Euphorie in Wembley und einem enttäuschenden 5. Platz in der Liga ist nach wie vor nur schwer zu erklären. Schrammte der BVB einerseits unter Terzic haarscharf an einer Deutschen Meisterschaft und einem Champions League-Titel vorbei, war andererseits im schnöden Ligaalltag spielerisch keine sichtbare Entwicklung erkennbar.

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Allen voran ein "Sport Bild"-Interview von Mats Hummels wirft jedoch ein schlechtes Licht auf den Verein. Hummels hatte darin Terzics Spielweise stark kritisiert und damit wenige Tage vor dem wichtigsten Spiel im Vereinsfußball eine öffentliche Debatte ausgelöst.

Wieso die BVB-Führung es nicht für nötig hielt, eine solche Diskussion intern zu belassen und sich vor ihren Trainer zu stellen und ein Machtwort zu sprechen, bleibt unerklärlich. Es macht vielmehr den Eindruck, als wäre Hummels, bei dem die Zeichen ohnehin schon auf Abschied standen, manchen Verantwortlichen (und offenbar auch einigen Spielern) als öffentlicher Prellbock gerade recht gekommen, um an Terzics Stuhl zu sägen.

Der BVB ruft den Umbruch aus – mal wieder

Zwar mag es sein, dass Terzic im Laufe der Saison den Rückhalt in der Kabine verloren hat und eine Trennung insoweit folgerichtig ist. Allerdings muss sich die sportliche Leitung auch den Vorwurf gefallen lassen, dass der Trainer mit dem vermutlich schlechtesten Kader der letzten Jahre arbeiten musste. Ein Kader, der keinen einzigen Unterschiedsspieler aufweisen konnte.

Und so stand auf der einen Seite ein Trainer, der zurecht von den Fans als einer von ihnen, als Borusse wahrgenommen wurde. Einer, der als Trainer-Neuling im Winter 2020 interimsmäßig Lucien Favre ablöste, als man tatsächlich in einer sportlichen Sackgasse angekommen war – und im darauffolgenden Sommer als Pokalsieger anstandslos das Zepter an Marco Rose übergab und sich als technischer Direktor wieder geräuschlos in die zweite Reihe eingliederte.

Auf der anderen Seite stand eine nicht gut zusammengestellte Mannschaft ohne wirkliche Führungsspieler, die sich in regelmäßigen Abständen nicht völlig grundlos eine Mentalitätsdebatte gefallen lassen musste. Hinter dieser Mannschaft standen sportlich und wirtschaftlich Verantwortliche, die sich im vergangenen Jahr eher mit Themen wie dem DFL-Investor (Watzke) oder mit Eigenwerbung für den Posten als künftiger Geschäftsführer Sport (Kehl) beschäftigten, anstatt in der Kaderplanung und sportlichen Ausrichtung von Borussia Dortmund eine klare Handschrift erkennen zu lassen.

Edin Terzic hat einmal mehr Größe bewiesen und freiwillig das Feld geräumt, um Schaden von sich selbst und seinem Verein abzuwenden und, wie er sagt, den Weg für den "anstehenden Neustart" freizumachen. Ob die neue sportliche Leitung den in Dortmund schon häufig ausgerufenen Umbruch konsequent umsetzen wird, bleibt aber fraglich. Sollte Co-Trainer Nuri Sahin zum Cheftrainer befördert werden, würde das schließlich eine erneute interne Lösung bedeuten.

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