Früher gab es einen Trainer und einen Manager, die sich um die Transfers einer Fußballmannschaft kümmerten. Heute unterhalten Profi-Klubs ganze Abteilungen, die sich damit beschäftigen. Der Trend geht zum Kaderplaner.

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Während der furiosen Saison der Frankfurter Eintracht mit ihrem Überfallfußball Marke Büffelherde, mit all der Leidenschaft und Hingabe dieser aus aller Herren Länder zusammengebastelten Mannschaft war Sportvorstand Fredi Bobic ein sehr gefragter Interviewpartner.

Und irgendwann nahm so ziemlich jedes Gespräch dieselbe Wendung: Es ging um die Transferpolitik der Eintracht und wie es Bobic denn nun schon wieder geschafft hatte, eine solche Truppe auf die Beine zu stellen.

Bobic ist das Gesicht des Frankfurter Aufschwungs. Den haben zwar auch die Trainer Niko Kovac und Adi Hütter mitverantwortet, in der Öffentlichkeit kommt es aber so rüber: Bobic ist das Mastermind hinter den Transfers der Jovics und Hallers und der Rebics und da Costas. Dabei macht Bobic im Grunde nichts anderes als das, was er schon zu seiner aktiven Zeit am besten konnte: Die vielen Vorlagen sauber verwandeln.

Kaderplaner: Raus aus dem Schatten

Der Mann im Schatten von Bobic heißt Ben Manga und so gut wie niemand, nicht einmal die Fans der Eintracht, würde diesen Herren wohl auf der Straße erkennen. Bobic hat Manga aus Stuttgart mitgebracht, schon beim VfB arbeiteten die beiden zusammen: Ben Manga als Zuarbeiter, Bobic als Vollstrecker. Nur dass damals die Volltreffer nicht so eintrudelten wie in den letzten Jahren in Frankfurt.

Bei der Eintracht ist es noch so, dass einer wie Ben Manga sehr im Hintergrund arbeitet. Früher gab es seine Jobbeschreibung noch gar nicht, da kümmerten sich der Trainer und der Manager um die Transfers, und wenn noch ein wenig Zeit blieb, auch um den einen oder anderen Jugendspieler mit Potenzial, den man vielleicht zum Verein locken könnte.

Heute unterhält jede deutsche Profimannschaft eine eigene Abteilung, die sich um Kaderplanung und Scouting kümmert. Und deren Chefs treten immer mehr ins Rampenlicht.

Die Welt ist ein Dorf geworden, kein Klub "entdeckt" mehr einen Spieler irgendwo, weil ihn die Konkurrenz nicht kennt. Jeder kennt jeden, der technische Fortschritt mit seinen vielfältigen Möglichkeiten der Datenerfassung und -auswertung ermöglicht jedem denselben Zugang zu Spielern und Märkten. Dieser Wust an Informationen will gesammelt und eingeordnet werden und im besten Fall dann qualitativ bewertet.

Das ist eine der Aufgaben der sogenannten Kaderplaner, die seit ein paar Jahren immer wichtiger und zum Teil auch prominenter werden. Sven Mislintat, Michael Reschke, Jonas Boldt, Johannes Spors oder Timon Pauls sind ein paar dieser Namen, die man in letzter Zeit immer häufiger gehört hat.

Neulich sorgte nicht nur in Bremen der Abschied von Tim Steidten für Aufsehen: Bayer Leverkusen lockte Werders Scoutingchef an den Rhein.

Mislintat entdeckte Dembélé, Lewandowski und Kagawa

Mislintat wurde bei Borussia Dortmund zu einem kleinen Star, spätestens nachdem er Spieler wie Ousmane Dembélé für einen Appel und ein Ei nach Dortmund holte und der Klub dann großen Reibach mit dem Spieler machen konnte.

Auf Mislintats Empfehlungen gingen auch die Transfers von Robert Lewandowski oder Shinji Kagawa zurück, Letzteren buddelte Mislintat in der zweiten japanischen Liga aus, für lächerliche 350.000 Euro Ablöse. Über den Umweg FC Arsenal ist Mislintat mittlerweile in Stuttgart gelandet und fungiert dort als Sportdirektor.

Reschkes Transfer nach einem Vierteljahrhundert von Leverkusen zu den Bayern sorgte 2014 für großes Aufsehen, Matthias Sammer wollte den Kaderplaner unbedingt bei den Bayern haben. Reschke machte danach hierarchisch einen enormen Sprung, wurde in Stuttgart sogar Sportvorstand mit einem nie gekannten Einfluss- und Entscheidungsbereich. Bei den Schwaben scheiterte er zwar krachend, hat nun aber beim FC Schalke eine neue Beschäftigung gefunden.

Boldt war einst Reschkes Nachfolger in Leverkusen, nun soll er als sportlicher Leiter den Hamburger SV zurück in die Bundesliga führen. Spors arbeitete als Zögling von Ralf Rangnick als Späher in Hoffenheim und Leipzig, jetzt ist er ebenfalls als Chefanalyst beim HSV.

Pauls ist der neueste Stern am Scoutinghimmel. Mit erst 27 Jahren hat er schon ein Jahrzehnt im Profi- und Jugendfußball hinter sich, erst im Nachwuchsbereich beim TSV 1860 München und bei den Bayern, seit ein paar Wochen als Chefscout beim FC Augsburg.

Der Trend hat erst begonnen

Was alle Kaderplaner eint, ist ihr Werdegang: Ihren Job haben sie an der Basis gelernt, bei Kinder- und Jugendspielen in den entlegensten Ecken der Welt. Mit den Jahren oder eben Jahrzehnten in diesem Bereich spannt sich dann ein Geflecht, das weitaus dichter und verzweigter ist als das von Sportdirektoren, Sportvorständen und Trainern.

Niemand im Klub hat so ein detailliertes Spielerwissen wie die Scouts, für die es dann in letzter Konsequenz darum geht, Dinge zu filtern und vorzubereiten, den Entscheidungsträgern ihre Vorschläge zu unterbreiten und dann auch Gespräche mit potenziellen Kandidaten und deren Beratern zu führen. Ohne Expertise ist das alles schwierig. Ohne entsprechendes Netzwerk unmöglich.

Gerade in der zweiten Liga gibt es in diesen Abteilungen noch die Ein-Mann-Armeen, in der Bundesliga arbeitet aber bis zu einem Dutzend Mitarbeiter im Bereich Scouting und Kaderplanung, für die Profis und im Nachwuchsleistungszentrum. Und beim von den Scheichs alimentierten Manchester City sollen bis zu 30 Mitarbeiter im Scouting und der Analyse beschäftigt sein.

Hier sind die Kaderplaner als Chef und Gesicht längst die Stars - ins öffentliche Bewusstsein drängen sie aber erst seit einigen Jahren. Der Trend hat gerade erst begonnen.

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